Gemischte Bilanz des EEG: Weniger CO2? Na ja …
Vor 20 Jahren trat das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft. Die Bilanz des Gesetzes ist schwierig und fällt gemischt aus.
Zwanzig Jahre nach der Einführung des „Erneuerbaren-Energien-Gesetzes“ am 1. April 2000 sollen die Daten zeigen: Der Aufbau von knapp 125 Gigawatt von erneuerbarer Stromerzeugung in Deutschland, die inzwischen etwa 42 Prozent des Stroms liefern, war ein großer Schritt für den Klimaschutz. Er hat demnach in zwanzig Jahren insgesamt 2,3 Milliarden Tonnen CO2 vermieden, so viel, wie Deutschland heute etwa in drei Jahren emittiert.
Und die inzwischen mehr als 220 Milliarden Euro an „Differenzkosten“, die die Stromkunden seit 2000 für die Unterstützung der Ökoindustrie gezahlt haben, waren in dieser Erzählung gut angelegtes Kapital für den Klimaschutz. „Vieles deutet darauf hin, dass das EEG als erfolgreichstes Klimaschutzgesetz in die Geschichte der Menschheit eingehen wird“, jubelt der Bundesverband Solarwirtschaft.
Wie viel Klimagas der Atmosphäre aber durch das EEG tatsächlich erspart geblieben ist, ist kaum zu beziffern. „Der Klimaschutzeffekt des EEG war für die EU vermutlich sehr gering“, sagt Karen Pittel, Energieökonomin am Münchner ifo-Institut und Co-Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen (WBGU) der Bundesregierung. Für sie hat das EEG zwar dafür gesorgt, dass sich die Erneuerbaren am Markt inzwischen durchsetzen, aber „in Bezug auf seine wichtigste Zielsetzung, nämlich die CO2-Reduktion, war es weder besonders effektiv noch ökonomisch effizient. Das hätten wir mit anderen Maßnahmen, etwa anderen europäischen Rahmenbedingungen oder einem höheren CO2-Preis, besser erreicht.“
Problem ist der „Wasserbett-Effekt“
Die Zahlen des UBA zum Rückgang der Emissionen sind verlässlich – aber sie berechnen nur, wie viel CO2 durch weniger Kohle in Deutschland vermieden wurde, weil Sonne und Wind Vorrang im deutschen Stromnetz bekamen. Sie zeigen nicht den „Wasserbett-Effekt“, der lange Jahre durch den EU-Emissionshandel entstand: Wenn Ökostrom in Deutschland die Verbrennung von Kohle und Gas verdrängte, wurden die dafür ausgeteilten CO2-Zertifikate billiger und deshalb anderswo in Europa genutzt: Wie bei einem Wasserbett führt eine Senkung auf der einen Seite zu einer Erhöhung auf der anderen.
Das Phänomen wurde unter dem Begriff „Energiewende-Paradox“ beschrieben: Deutschland investierte jedes Jahr Milliarden von Euro in den Aufbau von Ökostrom – und trotzdem sanken zwischen 2009 und 2017 die Emissionen nicht, weil die Wirtschaft wuchs und in Gebäuden und im Verkehr kein CO2 gespart wurde. Und während die durchs EEG überflüssigen Zertifikate in der EU verfeuert wurden, liefen außerdem die CO2-intensiven deutschen Braunkohlekraftwerke weiter, weil die Zertifikate so billig waren, und exportierten in großem Umfang den dreckigen deutschen Strom ins Ausland.
„Das EEG war kein Instrument, um für sich allein die CO2-Emissionen zu senken“, sagt auch David Ritter, Experte vom Öko-Institut. „Es sollte dafür sorgen, die Erneuerbaren auszubauen und sie durch eine Kostenreduktion massenfähig zu machen. Das hat es auch erreicht: Die Energieerzeugung hat sich seit 2000 mehr als versechsfacht, und der Anteil an der Stromnachfrage wird in diesem Jahr mehr als doppelt so hoch liegen wie zu Beginn erhofft.“ Aber für effizienten Klimaschutz hätte es einen besser funktionierenden Emissionshandel mit höheren Preisen gebraucht oder einen früheren Kohleausstieg. „In Kombination mit solchen Maßnahmen hätte das EEG zu einem viel effizienteren Klimaschutz beitragen können“, ist sich Ritter sicher.
Das erkannten sehr spät auch die EU-Staaten. 2018 reformierten sie den Emissionshandel. Seitdem sind CO2-Zertifikate teurer, die Obergrenze für den EU-weiten CO2-Ausstoß sinkt schneller, der Überfluss wird abgeschöpft, und die Staaten können die CO2-Lizenzen stilllegen, wenn sie in Klimaschutz investieren. Die Bundesregierung etwa will die Zertifikate entnehmen, die durch den Kohleausstieg bis 2038 frei werden. Ein neues europäisches „Wasserbett“ soll so vermieden werden – allerdings ist bereits das nächste angelegt: Die EU-Ziele für Erneuerbare wurden 2018 erhöht, ohne die Zertifikate zu verknappen.
Trotz allem eine Erfolgsgeschichte
Wie viel CO2 ist der Atmosphäre letztlich durch die deutschen EEG-Anlagen erspart geblieben? Dazu fehlten verlässliche Daten, heißt es überall.
Unbestritten ist aber auch bei den Kritikern, dass das EEG international einen großen Fortschritt für Klimaschutz und Energiewende gebracht hat. „Deutschland hat vor zwanzig Jahren in einem kritischen Moment der Welt Führerschaft gezeigt und die Märkte für Erneuerbare erschlossen“, lobt Jennifer Layke vom Thinktank World Ressources Institute in Washington gegenüber der taz. Damit habe ein großes Industrieland gezeigt, dass es Vertrauen in die junge Technik habe und die Förderung der Erneuerbaren „einen finanziellen und einen gesellschaftlichen Wert“ habe.
Vor allem der boomende deutsche Markt mit hohen Einspeisevergütungen brachte die chinesische Industrie dazu, massenweise billige Photovoltaik-Technik zu produzieren – und im Laufe der Zeit die ganze Welt damit zu beliefern. Die deutsche Solarindustrie ging daran pleite, aber inzwischen sind die Preise für die Technik um 90 Prozent gefallen, Wind und Sonne sind in fast allen Ländern der Welt bei neuen Kraftwerken die billigste Form der Stromerzeugung.
„Das EEG ist unser größter Beitrag zur weltweiten Entwicklungshilfe“, heißt es nur halb im Scherz in deutschen Ministerien. Etwa ein Drittel der Kostensenkung weltweit gehe auf das EEG zurück, schätzen Experten. Damit öffnet sich zum ersten Mal eine Chance für eine Energieversorgung, die zu großen Teilen nicht mehr auf Kohle, Gas und Öl beruht und die radikale „Dekarbonisierung“ der Weltwirtschaft zumindest denkbar macht, wie die Staaten es 2015 im Pariser Abkommen beschlossen haben. Damit ist das EEG wohl doch ein erfolgreiches Klimaschutzgesetz – auch wenn unklar ist, wie viel CO2 es in seinen ersten zwanzig Jahren direkt verhindert hat.
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