Geldsegen für AfD-nahe Erasmus-Stiftung: Mehr wehrhafte Demokratie wagen

Die Forscher Leggewie und Meyer fürchten, staatliche Finanzierung der AfD-Stiftung sei nicht zu verhindern. Sie fordern eine neue Demokratieförderung.

Klatschende Politiker:innen

Freude am Wahlabend: der AfD Spitzenkandidat Tino Chrupalla (rechts), Beatrix von Storch, Joana Cotar und Jörg Meuthen Foto: Julian Stratenschulte/dpa

BERLIN taz | Die Politikwissenschaftler Claus Leggewie und Erik Meyer kommen in einem der taz vorliegenden Positionspapier zum Schluss, dass es rechtlich schwierig sein dürfte, der parteinahen Sitftung der AfD staatliche Fördermittel vorzuenthalten. Der Desiderius Erasmus-Stiftung stehen nach geltender Praxis mit dem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag Fördermittel in Millionenhöhe zu – wie auch den anderen parteinahen Stiftungen. Eine zivilgesellschaftliche Initiative fordert deswegen derzeit, der AfD per Stiftungsgesetz mit einer Art Demokratie-Tüv das Geld vorzuenthalten.

Ein entsprechender Gesetzesvorschlag von Volker Beck (Grüne) verstößt laut Leggewie und Meyer allerdings gegen das Prinzip der Programmautonomie und der Chancengleichheit aller politischen Parteien. Mit ihrem Papier schalten sich die Wissenschaftler von der Uni Gießen in die Debatte um die Finanzierung der Erasmus-Stiftung ein. Statt auf einen rechtlich schwer zu begründenden Ausschluss zu setzen, fordern sie, mit einem Stiftungsgesetz Demokratieförderung neu zu rahmen und die Qualität der Bildungsarbeit aller politischen Stiftungen künftig nach klaren Kriterien zu überprüfen.

Die Auseinandersetzung mit der „Neuen Rechten“ muss laut Leggewie und Meyer politisch-argumentativ geführt werden – solange die AfD und einzelne Vertreter nicht strafbare Delikte wie Volksverhetzung oder gezielte Desinformation begehen. „Das ist kein Persilschein für antidemokratische Agitation, sondern ein konsequent demokratischer Umgang mit der Meinungsfreiheit, der auch mit Gegnern der repräsentativen Demokratie geübt werden muss“, heißt es.

Darüber, wie Demokratieförderung in diesem Sinne aussehen soll, müsse in den nun beginnenden Koalitionsverhandlungen diskutiert werden – sie riefen auch Fachkol­le­g*in­nen aus der politischen Bildung dazu auf, sich an der Debatte zu beteiligen.

Verfassungsfeindlichkeit nicht nachgewiesen

Die AfD-nahe Erasmus-Stiftung rechnet mit rund 8 Millionen Euro im ersten Jahr und mit einem zweistelligen Millionenbetrag ab dem zweiten Förderjahr. Sie will damit unter anderem ein Stipendienprogramm aufsetzen sowie „Bildungsangebote“ an Schulen und Unis durchführen.

Die breit aufgestellte zivilgesellschaftliche Ini­tiative „Stiftungstrick der AfD“ befürchtet hierdurch staatlich finanzierte extrem rechte Kaderbildung und einen „Marsch durch die Institutionen“ der Neuen Rechten. Der von der Ini­tiative geforderte Demokratie-Tüv soll die AfD-Stiftung ausschließen, in dem er eine Förderung an die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Extremismusdoktrin knüpft.

Leggewie und Meyer stimmen zwar in der inhaltlichen Bewertung von Erasmus-Stiftung und der AfD über deren antidemokratische Ziele weitgehend überein. Sie sehen aber nicht zuletzt ein Stiftungsgesetz auf Grundlage der Extremismusdoktrin als zum Scheitern verurteilt: „Der AfD-Stiftung Globalzuweisungen unter Berufung auf ihre vermeintlich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten politischen Ziele zu verweigern, wäre evident verfassungswidrig.“

Vor allem könne ein solcher Ausschluss sich nicht auf geheimdienstliche Überwachung stützen, zumal eine Verfassungsfeindlichkeit erst nachgewiesen werden müsse und noch nicht viel über die konkrete Arbeit der formell unabhängigen Stiftung bekannt sei.

Bundesverfassungsgericht legte sich ein Ei

Auf Rückfrage der taz, wie eine neue wehrhafte Demokratieförderung konkret aussehen könne, sagte Leggewie: „Wir brauchen praktische Förderung demokratischer Instrumente. Wir diskutieren schon länger über Bürgerräte und Zukunftsräte, solchen Initiativen fehlt allerdings die finanzielle Infrastruktur.“ Natürlich seien auch Projekte zur Abwehr von Gefahren wichtig, ebenso müsse man aber die Demokratie einüben, indem man „vitale Kräfte unterstützt, Demokratie zu erproben, Innovation einzubringen und politische Vorschläge auch außerhalb von Parteien zu diskutieren“, so Leggewie. „Man muss mehr Experimente einer konsultativen Demokratie unterstützen.“

Mit ihrem Verständnis von politischer Bildung schließen Leggewie und Meyer sich den Schlussfolgerungen aus den mitunter alarmierenden Mitte-Studien der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung an. Man dürfe politische Bildung nicht als Extremismusprävention wie eine Feuerwehr einsetzen. Man bräuchte hingegen eine „zivilgesellschaftliche Demokratisierung der Demokratie als adäquate Antwort auf akute Gefahren einer identitären Schließung der offenen Gesellschaft“, wie es heißt.

Die Mitte-Studien beschäftigen sich seit 2006 mit Verbreitung und Entwicklung rechtsextremer, menschenfeindlicher und antidemokratischer Einstellungen auch in der Mitte der Gesellschaft. Bei Leggewie und Meyer heißt es nun: „Würde sich Demokratieförderung auf Abwehr beschränken, wäre das so, als würde man gegen Extremwetter nur Deiche bauen und Dächer stützen, anstatt die Ursachen des Klimawandels selbst zu bekämpfen.“

Ausschließen könne man die AfD letztlich nur über ein Verbotsverfahren. Wie schwierig das sei, zeige aber das gescheiterte Verbotsverfahren gegen die NPD. Vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte dieses Verfahren daran, dass die Partei zu schwach war, um wirklich eine demokratische Bedrohung darzustellen. Offen sei aber, so heißt es nun bei Leggewie und Meyer, „was gilt (…), wenn eine Partei sich so fest im parlamentarischen System mit rund zehn Prozent gesamtdeutscher (…) Zustimmung etabliert hat“.

Leggewie sagt auf Rückfrage der taz: „Mit dem NPD-Urteil hat sich das Bundesverfassungsgericht ein Ei gelegt“. „jetzt müssten sie sagen, die AfD müssen wir verbieten, weil sie nicht schwach ist. Es ist aber sinnlos, eine Partei zu verbieten, die zehn Prozent hat“, so seine Einschätzung.

Ihr politisches Positionspapier auf den Punkt bringt auch ein dem Fazit voran gestelltes Zitat des sozialistisch geprägten Verfassungstheoretikers Otto Kirchheimer voran. Es lautet: „Die Tätigkeit einer revolutionären Partei in einem demokratischen System hat einige Paradoxe an sich. Darin, daß sie existiert, verkörpert sich das eigentliche Wesen einer freien Gesellschaft.“

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