Gelder für Berlins Schulen: Lehrstück, wie Politik funktioniert
Die Schulen liefen Sturm gegen den Plan, flexible Gelder zu streichen. Nun zog der SPD-Fraktionschef die Notbremse. Ein Wochenkommentar.
U m es vorweg zu sagen: Finanzpolitik ist kompliziert. Grundlage sind – neben politischen Entscheidungen und der Höhe der Einkünfte und Ausgaben des Landes oder Bezirks – Tabellen mit vielen, vielen Zahlen. Hunderte Seiten lang, kleinteilig, fast schon filigran. Selbst Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) sollen bei der Berechnung schon mal ein paar Nullen – vor dem Komma! – verloren gegangen sein.
Politik, zumindest die öffentlich verhandelte, darf hingegen nicht kompliziert sein. Sonst versteht sie kaum jemand. Und die Vermittlung politischer Inhalte ist eine der wichtigsten Aufgaben von Politiker*innen. Vor diesem Hintergrund spielen sich die Auseinandersetzungen um die genaue Ausgestaltung des Haushalts ab, aktuell des Doppelhaushalts für Berlin für 2022 und 2023.
Anfang März hatte Finanzsenator Wesener seinen Entwurf durch den Senat gebracht. Entscheiden muss darüber aber das Abgeordnetenhaus, denn der Haushalt ist ein Gesetz, und das Haushaltsrecht ist das wohl wichtigste des Parlaments.
Schon kurz nach Bekanntwerden des Entwurfs empörten sich Berliner Schulleiter*innen, dass Wesener ihnen die flexibel einsetzbaren Gelder streichen will. Die Folge, so die Argumentation: Viele Sonderprojekte wie zum Beispiel Theaterworkshops würden künftig ausfallen müssen; den Schulen, die gleichzeitig immer individueller werden sollen, würden die Hände gebunden.
Der so genannte Verfügungsfonds war von der damaligen Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) geschaffen worden, um externe Pädagogen und Lehrkräfte kurzzeitig zu beschäftigen, sowie Weiterbildung und auch mal eine kleine Reparatur am Schulgebäude fix selbst zu finanzieren. Eine große Schule erhielt aus dem Fonds zuletzt bis zu 25.500 Euro, selbst kleinere bekamen noch 15.000 Euro. Insgesamt ging es zuletzt um 12 Millionen Euro.
Nicht alles davon wollte der Finanzsenator einkassieren oder umschichten. Es ging vor allem um die fünf Millionen für Instandsetzungsarbeiten, heißt es übereinstimmend aus Finanz- und Schulverwaltung. Denn von diesen 5 Millionen wurde zuletzt gerade mal 1 Million Euro genutzt von den Schulen: So einfach, wie von der Schulsenatorin einst gedacht, waren die Gelder nämlich gar nicht auszugeben.
Zudem wollte der Finanzsenator weitere 3 Millionen Euro aus dem Fonds einbehalten, die nicht abgerufen wurden. Eine beliebte Argumentation von Wesener, die er auch gegenüber anderen, vermeintlich von Kürzungen Betroffenen nutzt: Geld, das nicht ausgegeben wird, solle lieber woanders wirklich verwendet werden.
Zu kompliziert? Irgendwo schon. Am Ende steht diese Bilanz: Insgesamt wären den Schulen von den 12 Millionen Euro nur noch knapp 5 Millionen Euro übrig geblieben. Das ist – da haben die Schulvertreter*innen recht – tatsächlich eine Kürzung, weil gute Teile des für Instandhaltung vorgesehenen Geldes für andere Zwecke genutzt wurden. Aber die Reduzierung fällt längst nicht so drastisch aus, wie von einigen Schulleiter*innen behauptet wurde: wenn etwa die Rede davon war, dass statt 26.000 Euro einer Schule nur noch 3.000 Euro zur Verfügung stehen würden.
In der Öffentlichkeit blieb vor allem eines hängen: Die Schulen, in Berlin sowieso nicht gerade prestigeträchtige Vorzeigeobjekte, sollen zusammengespart werden, ausgerechnet von einer linken Regierung. Dass am Mittwoch schließlich SPD-Fraktionschef Raed Saleh die Notbremse zog und die Kürzungen per Ansage in der Morgenpost stoppte, überraschte nicht: Saleh hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder als Nebenschulsenator profiliert. Die SPD, so sein Credo, müsse kostenlose Bildung garantieren, um sozialen Aufstieg zu ermöglichen.
„Die Kürzung war falsch“
„Die Kürzung des Verfügungsfonds war falsch“, betonte Saleh auch gegenüber der taz. Fehler seien dazu da, korrigiert zu werden. „Wir werden das in der Schlussrunde im Juni rückgängig machen müssen.“ Einen anderen Satz, den Saleh zuvor dem Tagesspiegel gesagt hatte, wollte er gegenüber der taz indes nicht wiederholen: „Über den Tisch gezogen“ habe Wesener die Schulverwaltung. Vielleicht war dem SPD-Fraktionschef inzwischen klar geworden, dass diese Formulierung angesichts der realen Veränderungen ein Stück zu steil war und zudem nicht nur die grüne Finanzverwaltung, sondern auch die neue SPD-Schulsenatorin Astrid-Sabine Busse – mehrere Jahrzehnte selbst Schulleiterin – düpierte.
Busse beeilte sich zu erklären, dass sie selbst schon aktiv geworden sei, kurz nachdem sie im Senat Weseners Haushalt zugestimmt hatte. „Wir waren nach der Senatsentscheidung im Hintergrund stets mit den parlamentarischen Vertreterinnen und Vertretern im Austausch, weil wir wissen, wie schmerzhaft die Einschnitte beim Verfügungsfonds für die Schulen gewesen sind“, sagte sie der taz. Nun freue sie sich, dass „die SPD-Fraktion hier ihren parlamentarischen Spielraum nutzt“.
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es schön wäre, wenn auch über größere finanzielle Posten im Haushaltsentwurf so engagiert diskutiert würde. Aber das wäre dann vielleicht noch komplizierter.
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