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Geld gegen ErderwärmungSondervermögen fürs Klima

Gastkommentar von Carla Reemtsma und Michael Schäfer

Noch vor Unterzeichnung eines Koalitionsvertrags erteilen Union und SPD den Klimazielen eine Absage. Dabei kommt Deutschland eine Schlüsselrolle zu.

Waldbrände in Kalifornien: Die zusammenbrechenden Klimasysteme zerstören jetzt schon Menschenleben und ganze Landstriche Foto: Jae C. Hong/AP/dpa

V orneweg: Die Erkenntnis von Union und SPD, dass es riesiger finanzieller Kraftanstrengungen für Investitionen in Schienen, Brücken und Stromnetze braucht, ist richtig. Und die Ablehnung der Grundgesetzänderung durch die Grünen ist es auch. In den nächsten fünf Jahren internationaler Klimapolitik entscheidet sich, ob die Pariser Klimaziele trotz des Ausscheidens der USA erreichbar bleiben.

Schon in den nächsten fünf Tagen könnte sich entscheiden, ob die drittgrößte Industrienation der Welt unter einer Regierung Friedrich Merz weiter zu den Ländern gehören wird, die sich dafür einsetzen können und werden, dass das gelingt. Union und SPD sollten das Nein der Grünen jetzt als Chance begreifen, ihrer eigenen staatspolitischen Verantwortung in der Klimakrise gerecht zu werden: mit dem Vorschlag für ein ausreichendes Sondervermögen Klimaschutz und der Aufnahme von Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe ins Grundgesetz.

Das Einhalten von Klimazielen – und damit das gesellschaftliche Über- und Zusammenleben – ist keine Frage glücklicher Zufälle, sondern des politischen Willens. Union und SPD sollten sich jetzt dazu aufraffen, die Zukunftsfähigkeit Deutschlands vor die kurzfristigen Parteiinteressen, wie die Ausweitung von Rentenansprüchen, die Subventionierung des Agrardiesels, die Ausweitung der Pendlerpauschale oder Mehrwertsteuersenkungen für Interessengruppen zu stellen.

Anstelle eines Sondervermögens für nicht weiter definierte Infrastruktur braucht es jetzt also ein dauerhaftes Sondervermögen für Klimaschutz. Nur so kann Deutschlands Klimaneutralität im Einklang mit den Pariser Zielen gelingen. Die bisherigen Pläne von Union und SPD wären eine Absage an die Klimaziele, noch bevor der Koalitionsvertrag unterschrieben ist. Die Schuldenbremse war schon vor dem Wahlkampf eine Investitionsblockade zulasten von Klima und kommenden Generationen.

Michael Schäfer

ist zusammen mit Julian Zuber Geschäftsführer der Klimaschutzorganisation German­Zero e. V.

Carla Reemtsma

ist Mitbegründerin und Sprecherin von Fridays for Future in Deutschland. 2022 bekam sie den Umwelt­medienpreis der Deutschen Umwelthilfe.

Klägliche Reformanstrengungen

Öffentlicher Nahverkehr, Wärmenetze, Schienen, Radwege, Modernisierung von Schulen: Die Aufgaben sind groß. Sie so kläglich reformieren zu wollen, ist des kommenden Kanzlers unwürdig. Staatspolitisch verantwortlich ist Politik, wenn sie beide elementaren Bedrohungen für unsere Freiheit, Sicherheit und Demokratie gleichermaßen adressiert: die Verteidigungsfähigkeit und die Klimakrise. Bisher jedoch behandeln Union und SPD Klimaschutz weiter rein parteitaktisch nach dem Motto, den kann man erst mal vergessen.

Damit wiederholen die Christ- und Sozialdemokraten den Fehler, den sie schon im Wahlkampf gemacht haben. Zuständig für Klimaschutz ist aber die künftige Regierung, nicht die künftige Opposition. Denn der kommende Bundeskanzler wird eine Schlüsselrolle bei der Rettung des Pariser Klimaabkommens spielen müssen, nachdem sich die USA unter Donald Trump verabschiedet haben. So wie 2017 Angela Merkel.

Erneut wird es darum gehen, zu verhindern, dass weitere Staaten den USA folgen und ein Dominoeffekt entsteht. Erneut wird es darum gehen, dass die Vertragsstaaten ihre Selbstverpflichtungen aus dem Pariser Abkommen einhalten und regelmäßig so erhöhen, dass die Erderhitzung konsequent auf möglichst 1,5 Grad begrenzt wird. Überschreiten wir diese Schwelle, könnten Kipppunkte im Klimasystem zu einer Erhitzungsspirale führen, die nicht mehr aufhaltbar ist.

Die jüngsten Überschwemmungen in Argentinien, die Waldbrände in Kalifornien: Die zusammenbrechenden Klimasysteme zerstören jetzt schon Menschenleben, ganze Landstriche, die Grundlagen unserer Wirtschaft. Um dies zu verhindern, gaben in Paris rund 180 Vertragsstaaten Klimaschutzselbstverpflichtungen ab und verschärfen ihre Ziele regelmäßig. Wie soll Deutschland andere Staaten dafür gewinnen, diesen Weg weiterzugehen, wenn es sich faktisch selbst davon verabschiedet?

Klimaschutz von der Schuldenbremse abkoppeln

Ein Sondervermögen Klimaschutz muss so ausgestattet sein, dass Deutschland seine Klimaschutzselbstverpflichtung und seine Zusagen bei der internationalen Klimafinanzierung einhalten kann. Bei der Grundgesetzänderung geht es nicht nur um neue Klimainvestitionen, selbst für ein „Weiter so“ fehlt das Geld. Denn fast alle Klimaprogramme werden aus dem Klima- und Transformationfonds (KTF) finanziert und den will Schwarz-Rot für Strompreisentlastungen nutzen.

Konkret bedeutet das, dass die Zuschüsse für klimaneutrale Heizungen, die Förderung CO2-freier Stahlproduktion und Industriearbeitsplätze, der natürliche Klimaschutz und viele andere Klimaschutzprogramme vor dem Aus stehen. Wenn man also zum Beispiel aus dem geplanten Sondervermögen Infrastruktur jedes Jahr 20 Milliarden Euro in den Klimaschutz stecken würde, würde noch kein Euro zusätzlich investiert, und noch keine neue Klimaschutzmaßnahme auf den Weg gebracht.

Auch Deutschlands Zusagen für den internationalen Klimaschutz wären damit nicht gedeckt. Klimapolitisch geboten wäre, Klimaschutzinvestitionen komplett von der Schuldenbremse abzukoppeln. Denn die ökologische Verschuldung durch das Nichthandeln beträgt ein Vielfaches der benötigten Investitionen. Mindestens aber muss Schwarz-Rot jetzt ein Sondervermögen Klimaschutz mit dauerhafter Kreditermächtigung in Höhe von bis zu 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den Bundestag einbringen.

Denn in dieser Höhe liegen die öffentlichen Investitionsbedarfe nach dem Expertenrat der Bundesregierung für Klimafragen. Die Klimakrise ist nicht weg, nur weil Union und SPD sie in ihrem Sondierungspapier vergessen haben. Klimapolitik alleine den Grünen zu überlassen, ist ebenso wenig eine Lösung. Unser Appell an Friedrich Merz ist: Nutzen Sie die Chance, jetzt doch noch eine seriöse nationale und internationale Klimapolitik für die nächste Legislaturperiode zu formulieren und zu finanzieren.

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17 Kommentare

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  • Was, neben allem Geforderten, Not tut, Ist die Ausrufung globalen Klimanotstandes durch die UN-Vollversammlung, UN Sicherheitsrat, WHO, IWF-, Weltbank-Finanzmittel für die Erreichung Pariser Weltklimagipfelziele 2015 zu aktivieren, verbunden mit der Ächtung fossil befeuerter Kriege von Männern, die die Welt verbrennen, s. gleichnamiges Buch Prof. Christian Stöcker, die in Hauptstädten von Gas, Öl, Kohle exportierenden Ländern auf beiden Seiten von Kriegsfronten sitzen, die Erhitzung der Erdatmosphäre zu neuen Ufern getrieben, Preise fossiler Energie Nachfrage basiert hochzuzuhalten, Klima Kipppunkte auszulösen. Da ist es hohe Alarmstufe, das die Nato als Verteidigungsdoppelbündnis von Norm und Maßnahme in Militär und Ökonomie, Klimatransformation der Weltwirtschaft weg von klimabelastend hin zu klimaneutral nachwachsenden Energieträgern als die Waffe definiert, die am wirksamsten Kriege wie in der Ukraine auszubremsen vermag durch Gas-, Öl-, Kohle Nachfrageeinbruch, Gas. Öl, Kohle Preis Absenken unter Selbstkostenniveau ohne selber Partei kriegführender Länder zu sein.



    Deutschland in EU, Nato voran sollte Klimaschutz als Bestand von Verteidigungsstrategie in Grundgesetz verankern

  • Wir werden sehen ob die Menschen in Deutschland den Umweltschutz wieder an erster Stelle sehen oder andere Maßnahmen für dringender halten. Die nächste Umfrage kommt bestimmt.

  • Kurzsichtige Politik und Denkschemata in allen Schichten unserer Gesellschaft. Klimawandel lässt sich davon weder beeindrucken noch bremsen. Bestechen kann man ihn auch nicht. Wir haben keinen zweiten Planeten im Kofferraum. Bis diese Erkenntnis auch in das Kurzstreckenfliegerhirn eines Friedrich Merz angekommen ist, wird es zu spät sein.

  • Sondervermögen? Für's Klima ist nur das kolossale Unvermögen der Un(ions)politikerInnen übrig! Das müssen wir wohl als Fakt hinnehmen. Einzige Problemlösung ist folglich: Hoffnung auf die Babyboomer, welche bald ins Pflegealter kommen und den Pflegekräftebedarf unermesslich erhöhen werden! Und genauso sicher kommt der Tag, an dem die nachfolgende Pillenknickgeneration in Pflege kommt. Dann können überschüssige Pflegekräfte ganz klassisch bedarfsgerecht massenhaft umgeschult werden zu KlimaschutzversagensfolgeschadensbegrenzerInneN. Das ist ganz amerikanisch pragmatisch, wie es Merz bei Blackrock gelernt hat.

  • In den USA werden gerade sämtliche Klimaschutz Maßnahmen gekippt und China baut dutzende neue Kohlekraftwerke. In Deutschland ereifern sich einige selbsternannte Weltenretter, wie Herr Schäfer und Frau Reemtsma über die mangelnden Aktivitäten hierzulande. Dabei hat Deutschland in den letzten Jahren seinen CO2 Ausstoß auf 1,6% der Welt Gesamtproduktion reduziert (-20% in ca 5 Jahren). Deutschlands wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit auch die Fähigkeit ein Sozialstaat zu sein, leidet unter der Tunnelsicht obiger Klimaakrobaten. Sie bellen am falschen Baum hoch. Dieses Gebietsmühlenartige Wiederholen über das Kommen der drohenden Katastrophe unterschlägt schlicht, dass Deutschland Beitrag zur weiteren CO2 Reduzierung praktisch nichts dazu beitragen kann diese zu verhindern. So gesehen erscheinen die krampfhaften und vielfältigen Versuche der Klimaschützer Clique lediglich als ein Versuch die Gesellschaft in ihrem postsozialistische Sinne umzubauen. Und Klima geht's doch schon lange nicht mehr.

  • Die Klimaschützer müssen jetzt das Ende der gerade begonnenen Rezession abwarten. Ohne Wohlstand und Wachstum fällt das Thema sonst unter ferner liefen wie wir ja überall auf der Welt erleben können.

    • @Šarru-kīnu:

      Ach ja? Das Ende der Rezession abwarten? Im Ernst? Wer definiert denn dieses Ende? Die Wirtschaft? Oder die in Regenfluten untergegangenen Siedlungen, die ertrunkenen Menschen? Wer formuliert das denn, wenn man vor lauter Extremhitze kaum noch Luft kriegt? Der beste Arbeitsplatz nützt nix, wenn er weggeschwemmt wird oder man zu krank ist, ihn zu besetzen. Es ist so extrem blind, Wirtschaft VOR den Klimaschutz zu setzen - wie wir ja überall auf der Welt sehen können.

      • @Perkele:

        Es gibt keine leistungsfähige Volkswirtschaft die mehr im Sinne des Umweltschutzes reguliert und vorschreibt. Insofern muss sich Deutschland da keine Vorwürfe machen lassen.



        Ja und es ist halt so, nur eine leistungsfähige Volkswirtschaft kann sich die Mehrkosten für Klimaschutz und Sozialstaat leisten. Suck it up!



        Die weniger leistungsfähigen, die tuns einfach nicht. Ich sehe das in diversen Schwellenländern. Da wird verbrannt was das Zeugs hält. Diesel im LKW, hektarweise Zuckerrohrfelder. Jeden Tag neue Kohlekraftwerke, Hochöfen, Flugschaum: Fremdwort usw.



        In der Heizkosten-bezuschussten warmen Stube in Deutschland ist es einfach Rum zu meckern.

        • @maxwaldo:

          Ich meckere gerne mal bei einem Rum aber ich meckere keieswges rum. Dein Argument ist das derjenigen, die nicht wollen und das nur in irgendwelchen Formulierungen verstecken: Wenn die nicht, dann ich auch nicht! Das kenne ich aus der Kita und dort kann man es verzeihen, bei Erwachsenen ist das unverantwortlich. Wir müssen ein Beispiel sein, jedoch nicht so wie die Trump-Junta und ja, alles hilft - außer Nichtstun.

    • @Šarru-kīnu:

      Wohlstand und Wachstum beruhen auf gnadenlose Ausbeutung von Ressourcen, die nun mal zum Klimawandel beitragen. Das kann man nicht trennen, wie es einem gerade passt.

    • @Šarru-kīnu:

      Rezession oder Aufschwung entstammt ja einer kurzfristigen Betrachtung, wenn man nur auf einen Zeitraum von wenigen Jahren guckt. Klimaschutz ist aber ein langfristiger Prozess. Da muss man in der Wirtschaftspolitik schon mal die Brille wechseln.

    • @Šarru-kīnu:

      Rezession oder Aufschwung entstammt ja einer kurzfristigen Betrachtung, wenn man nur auf einen Zeitraum von wenigen Jahren guckt. Klimaschutz ist aber ein langfristiger Prozess. Da muss man in der Wirtschaftspolitik schon mal die Brille wechseln.

      • @Minion68:

        Klimaschutz ist ausschließlich ein Thema in reichen Ländern wie Ihnen wahrscheinlich bereits aufgefallen ist. Wer Klima und Umweltschutz will, muss auf eine stabile ökonomische Situation der Bevölkerung setzen. Sonst gilt erst kommt das Fressen, dann die Moral.

  • "... so kläglich reformieren zu wollen, ist des kommenden Kanzlers unwürdig." Diese Feststellung ist zu kurz formuliert: wenn Herr Merz lt. eigener Aussage die Wirtschaft VOR den Klimaschutz stellt, macht das deutlich, dass er der Kanzlerschaft nicht würdig ist. Er ist nicht Kanzler der Profitmacher, er ist Kanzler des gesamten Volkes. Besser: er sollte das sein....

    • @Perkele:

      "Er ist nicht Kanzler der Profitmacher, er ist Kanzler des gesamten Volkes. "



      Dieses Volk hat aber momentan ganz andere Sorgen als den Klimaschutz. Und damit macht Merz es (kurzfristig) sicher richtig. Das man Klimaschutz nur langfristig denken kann ist das eine. Aber die Menschen zu sensibilisieren und -vor allem- die Menschen/das Volk auf diesem Weg mitzunehmen haben bisher weder die Grünen noch FfF oder die LG geschafft. Auch deshalb, weil man dort nur links denkt/denken kann, und der Klimaschutz sich die eigentlich nur diesem zustehende Priorisierung, Medienwirksamkeit und die eingesetzte Energie (Denken und Handeln) mit Themen teilen muss/hinter diesen zurückstehen muss, welche mit Klima nur bedingt oder gar nichts zu tun haben (dürfen) wie Gender, Flüchtlinge, Emanzipation etc. Denn Klimaschutz würden wesentlich mehr Menschen unterstützen, wenn sie sich dabei nicht auch noch mit diesen nicht relevanten Nebenthemen beschäftigen müssten.

      • @Oleg Fedotov:

        Wenn ich mit dem Zug fahre, dann schaue ich aus dem Fenster, rauche eine Pfeife und höre Musik, esse und trinke was. Alles mache ich gleichzeitig, so what? Aber ich fahre im Zug - das ist die Hauptsache. Mache ich alles nacheinander, dann komme ich nie irgendwo hin und schaffe gar nix....

    • @Perkele:

      Im Artkel ist ja schon die Parteitaktik erwähnt worden. Merz+CxU haben sich ja schon dementsprechend in der Opposition verhalten und ´vieles unsinnigerweise blockiert, nur um der Regierung Unfähigkeit nachweisen zu können. Seitens der SPD gab es aber auch kaum Konter und die Grünen haben zu oft klein beigegeben, weil ja sich wenigstens irgendwas bewegen musste. Und nun haben wir die Situation, dass CxU nd SPD vor ihren eigenen Schranken stehen. Und dazu noch das Grinsen von Merz und Klingebeil. Deutlicher kann man es garnicht zur Schau stellen.