Gekündigte Anti-Corona-Demonstrantin: Kein Berufsverbot
Auch wenn das Futter für Verfolgungswahn bietet: Eine Anti-Corona-Demonstrantin, die einen Test verweigert, ist in einem Altenheim nicht tragbar.
F ristlose Kündigung nach Hygiene-Demo – das ist gefundenes Fressen für Verschwörungsgläubige. Das klingt nach Berufsverbot für Systemkritiker*innen. Denn als solche verstehen sich ja nicht wenige der Coronaskeptiker*innen, die ihre Zweifel an der Natur – oder gar der Existenz – des Virus und den daraus abzuleitenden Konsequenzen derzeit auf die Straße tragen.
Dafür müssen sie nicht einmal selbst Nazis sein, vielen genügt das Gefühl, mit diesen irgendwie mehr gemein zu haben als mit der großen Mehrheit der Bevölkerung, die das „System“, also die parlamentarische Demokratie, bei allen Mängeln im großen Ganzen doch ganz gut finden.
Und tatsächlich mag eine fristlose Kündigung auf den ersten Blick rabiat wirken. Zu verstehen ist sie aus der konkreten Situation: Nirgendwo sind Menschen den Gefahren der Coronapandemie so wehrlos ausgeliefert wie in Alten- und Pfegeheimen, nirgendwo ist deshalb die Verantwortung für ihren Schutz größer. Das belegen die ganz nüchternen Sterbezahlen. Daran werden auch die größten Verschwörungsmystiker*innen nichts drehen können, höchstens achselzuckend sagen: Die wären ja eh’ bald gestorben.
Wenn nun eine Altenheim-Mitarbeiterin sich bei der zentralen Anti-Corona-Demonstration zwischen Tausenden gedrängelt hat, die den Verzicht auf Atemmasken zu ihrem zentralen Programmpunkt gemacht haben, dann muss man davon ausgehen, dass sie sich dem maximalen Infektionsrisiko ausgesetzt hat.
Sogar ohne Krankheitssymptome wäre es von der Arbeitgeberin vernünftig, einen Coronatest zu verlangen, bevor die Mitarbeiterin wieder den Hochsicherheitstrakt Altenheim betritt. Nachdem die Mitarbeiterin krank geworden ist, wäre es geradezu fahrlässig, darauf zu verzichten – und gegebenenfalls sogar justiziabel, falls es in der Folge zu einem Corona-Ausbruch in der Einrichtung käme.
Schließlich ist ein Coronatest ein sehr milder Eingriff, anders als eine Röntgenaufnahme keine Körperverletzung und anders als ein Aids-Test nicht mit potenziell stigmatisierenden Folgen behaftet. Wer nicht duldet, dass ihm ein Tröpfchen Spucke entnommen wird, muss schon arg ideologisch verbohrt sein – und wäre damit in der gegenwärtigen Lage auch dauerhaft ein erhebliches Sicherheitsrisiko.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“