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Geiseln in Mali frei15 Monate verschwunden

Eine Kanadierin und ein Italiener wurden Ende 2018 in Burkina Faso verschleppt. Jetzt wurden sie der UN-Mission in Mali übergeben.

MINUSMA-Chef Saleh begrüßt die freigelassenen Geiseln in Bamako Foto: Olivier Salgado AP UN

Bamako taz | Die Bilder haben sich am Samstagnachmittag in Malis Hauptstadt Bamako schnell verbreitet. Auf einem stehen die Kanadierin Édith Blais und ihr italienischer Freund Luca Tacchetto vor einem weißen UN-Flugzeug. Auf einem anderen schütteln sie Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keïta die Hände. Die Augen der 36-jährigen sind ausdruckslos und der Blick starr. Ihr 32-jähriger Freund lächelt gequält in die Kamera.

Die beiden haben 15 Monate Geiselhaft hinter sich, vermutlich in der Hand radikaler Islamisten, über die es aber bisher keine weiteren Informationen gibt. Nach Angaben der UN-Mission in Mali (MINUSMA) wurden die beiden am Freitag in Kidal – in die Stadt im Norden ist die malische Armee nach jahrelanger Abwesenheit erst vor wenigen Wochen zurückgekehrt – von Blauhelmsoldaten gefunden. Zu den Umständen hält man sich völlig bedeckt. Es heißt nur, dass es ihnen „wirklich gut gehe“, so Missionschef Mahamat Annadif. Vor ihrem Flug nach Bamako verbrachten sie die Nacht im MINUSMA-Camp in Kidal.

Die Reisenden waren im Dezember 2018 im Südwesten von Burkina Faso veschwunden, in der Nähe der Stadt Bobo-Dioulasso. Mit dem Auto wollten sie erst in die Hauptstadt Ouagadougou und von dort nach Togo fahren, um in einem Hilfsprojekt mitzuarbeiten. Das fragliche Gebiet gehört nicht zu den von islamistischen Angriffen betroffenen Zonen, keine im Sahel operierende Terrorgruppe übernahm damals die Verantwortung.

Im März 2019 ging die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) davon aus, dass sie nach Mali verschleppt wurden. Sechs Monate später sagte Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland, dass die Entführten leben. Mehr Details dragen seitdem nicht an die Öffentlichkeit. Unter einem virtuellen Fotoalbum auf der Facebook-Seite von Édith Blais erinnerten Freund*innen jedoch regelmäßig an sie.

Wie viele Menschen im Sahel in den vergangenen Jahren entführt worden sind, darüber führt niemand genau Buch. Nach einem aktuellen Bericht von Control Risks, ein Londoner Risikoberatungsunternehmen, werden in Afrika südlich der Sahara 78 Prozent der Entführungen von kriminellen Gruppierungen durchgeführt und nur vier Prozent von islamistischen Terrorgruppen direkt. Allerdings verkaufen Entführer gerne ihre Opfer weiter.

Deutlich wird noch etwas anderes: Betroffen ist vor allem die lokale Bevölkerung. 2018 waren nur sieben Prozent der Entführten Ausländer. Aber Entführungen von Ausländern erregen internationale Aufmerksamkeit, mit ihnen lässt sich Geld erpressen.

Entführungen von Einheimischen hingegen machen kaum Schlagzeilen. Erst Mitte Februar wurden in der Region Sahel in Burkina Faso sieben Menschen entführt, von denen fünf – darunter ein Pastor – wenige Tage später ermordet aufgefunden wurden. In Mali wurde Anfang des Jahres der Chef eines Dorfes gekidnappt. Im Oktober 2019 bestätigte die malische Regierung die Entführung von sechs Lehrer*innen in der Region Mopti.

Unter den internationalen Opfern sind oft Mitarbeiter*innen nichtstaatlicher Organisationen. In Niger wurde im April 2018 in der Nähe von Ayorou beispielsweise ein deutscher Mitarbeiter von Help entführt. „Von Organisationsseite musste erst einmal die Entscheidung getroffen werden, ob wir in diesem Kontext überhaupt weiterarbeiten können und wollen“, so Karin Settele, Geschäftsführerin der Hilfsorganisation mit Sitz in Bonn. Help habe sich dazu entschieden und die Arbeit „in den Ländern Tschad, Mali, Niger und Burkina Faso ausgebaut“ – weil „bedingt durch Terror und Unruhen zunehmend mehr Menschen auf Hilfe angewiesen sind.“

Häufig werden auch christliche Missionare entführt. So wurde bereits 2016 in der Kleinstadt Abalak in Niger Jeffery Ray Woodke, ein Missionar, der für die lokale Organisation JEMED arbeitete und seit mehr als 20 Jahren im Land war. Im Herbst 2019 sagte Nigers Präsident Mahamadou Issoufou, Woodke sei noch am Leben.

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