Gegen die AfD in Berlin: Der Fluss gehört dem Protest

Nicht nur an Land, auch auf der Spree wird gegen die AfD demonstriert, mit einer kleinen antifaschistischen Flotte. Der Tag an Bord der „Anarche“.

Schiffsgewimmel mit vielen Menschen und Transparenten auf der Spree

So macht Demonstrieren Spaß: Bootsdemo in Mitte Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Die voll besetzte „Anarche“ schippert unter schwarz-rotem Segel auf der Spree vor sich hin, als die Protestler am Ufer Beatrix von Storch entdecken: Die AfDlerin ist gerade am Paul-Löbe-Haus unterwegs. „Auf dem Wasser, auf dem Land – Wir sind euer Untergang“, schallt es aus Lautsprechern zu ihr herüber. Kurz darauf, am Ludwig-Erhard-Ufer, begrüßt die Schiffsbesatzung Teilnehmer der AfD-Demo auf dem Weg zu deren Auftakt­ort, dem in Sichtweite gelegenen Washingtonplatz, mit Pfiffen und Sprechchören.

Nicht nur an Land, auch vom Wasser aus soll den Rechtspopulisten an diesem Sonntag etwas entgegengesetzt werden. Dazu hat sich eine kleine antifaschistische Flotte auf dem Fluss versammelt. Doch wie nahe wird die ungewohnte Armada der AfD heute wirklich kommen?

„Alerta, alerta Antifascista!“ dröhnt es aus den Boxen der „Anarche“, als das Boot am Morgen, kurz nach 9 Uhr, an der East-Side-Gallery hinter der Oberbaumbrücke anlegt. Anderthalb Stunden zuvor hatten sich die AktivistInnen der schwimmenden Arena weiter spreeaufwärts getroffen für die letzten Vorbereitungen ihrer Wasserdemo. Große rote Ballons werden mit dem „Anarche“-Anker-Symbol beklebt. Jemand gießt die Pflanzen. 8.15 Uhr: „Wir müssen langsam echt mal los“, sagt einer. 15 Minuten später, die Taue sind endlich gelöst, setzt das Boot zurück. Irgendjemand kommt ja immer zu spät.

Süßwasserhumor

Später an der Oberbaumbrücke werden weitere DemoteilnehmerInnen aufgenommen, andere Flöße und Boote schließen sich unter den wachsamen Augen der Wasserschutzpolizei an. Belehrungen über Sicherheit und die Benutzung der Komposttoilette an Bord folgen. Über der Theke steht „Unsinkbar“. „Unsinkbar III“, um genau zu sein. Auskunft über die Nummern I und II verweigert die Besatzung lächelnd. Süßwasserhumor.

In der Mühlendammschleuse sammeln sich fünf weitere Wassergefährte. Ab hier ist der Fluss heute für anderen Verkehr gesperrt: Versammlungsrecht schlägt Ausflugsboote. Der einzige Weg, um den Dom, den Weidendamm und den Reichstag vom Wasser aus zu sehen, ist heute die Demo der „Anarche“. Nahe dem Hauptstadtstudio der ARD stoßen weitere Boote dazu. „Wasserratten gegen Nazispacken“ steht auf Transparenten, oder: „Wir sind bunt und duften, ihr seid braun und stinkt“. Und immer wieder: „FCK AFD“.

Vom Wasser aus ruft die Crew die Schaulustigen am Ufer zur Teilnahme an einer der vielen Kundgebungen und Demonstrationen gegen die AfD auf. Durch Berlins Mitte schallen Ton, Steine, Scherben, Sookee und Slime – „Deutschland muss sterben“.

Slogan der „Anarche“

„Auf dem Wasser, auf dem Land – Wir sind euer Untergang“

Eine gute Stunde nach dem Intermezzo im Regierungsviertel drehen die Boote um, statt Richtung Charlottenburg geht es jetzt wieder Richtung Friedrichshain. Zu den Klängen des Marschs der Imperialen Sturmtruppen aus den „Star Wars“-Filmen passiert die Flotte die Bundespressekonferenz. Da geht in ihrem Rücken gerade die AfD-Demonstration am Washingtonplatz los. An der Marschallbrücke schließlich treffen die Boote auf ein Glitzermeer: Die Glänzende Demo der KünstlerInnen und Kulturschaffenden säumt von hier bis zum Bahnhof Friedrichstraße das Ufer.

Gegen 14 Uhr kommt hier auch die AfD-Demo an. Die Gegenkundgebungen nähern sich dem Aufmarsch zu Lande und im Wasser bis auf wenige Meter. Während Menschen mit Deutschlandfahnen über die Marschallbrücke ziehen, sind die gemeinsamen Sprechchöre von Glänzender und Wasserdemo nicht zu überhören. Sie rufen wieder „Alerta, alerta, Antifascista!“ und „AfD in die Spree“. Die Flotte kreist an diesem engen Stück in der Spree. Die Wasserschutzpolizei achtet darauf, dass keines der Boote zu nahe an die Brücke kommt.

Nachdem der Zug der Rechtspopulisten wieder außer Sichtweite ist, halten VertreterInnen der antirassistischen Selbstorganisation „Women in Exile“ und Flüchtlinge aus Ellwangen, die vor Kurzem eine Abschiebung verhindert haben, ihre Redebeiträge an Bord. Auf der Spree, direkt am Hauptstadtstudio der ARD, prangern sie rassistische Medienberichterstattung an, die den Druck auf Geflüchtete und MigrantInnen erhöhe und letztlich Teil einer gefährlichen gesellschaftlichen Grundstimmung sei. Auch „Jugend rettet“, eine Initiative, die im Mittelmeer schiffbrüchigen Flüchtlingen helfen will und dafür von der italienischen Regierung und Justiz kriminalisiert wird, entsendet ein Grußwort.

Von den Brücken, die passiert werden, winken TeilnehmerInnen der Gegenproteste, daneben fotografieren TouristInnen das Schauspiel. Dem Ziel, im Kampf um die Bilder des Tages ein deutliches Zeichen zu setzen, kommen die „Anarche“ und die anderen Boote – die „Unkraut“, die „Panther Ray“, die „Endlich“ – hier durchaus nahe. Der Weg der kleinen Flotte führt schließlich weiter zum Bertolt-Brecht-Platz vor dem Berliner Ensemble. Dort trifft die Wasserdemo auf die Kundgebung des antirassistischen Bündnisses „We’ll come united“.

Am Nachmittag setzt leichter Regen ein, die Stimmung ist gedämpfter als noch am Morgen, aber nicht resigniert, etwas müde vielleicht. Der Tag war schon bis hierher recht lang. Es gibt Mate an der „Unsinkbar“. Der rote Ballon mit dem Anker fliegt hoch über dem Boot – ein leuchtendes „FCK AfD“ im Himmel über der Friedrichstraße.

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