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Gegen das SchönheitsdiktatHässlich, schwach, schmutzig

Die SM-Beziehung erkennt an, dass wir Menschen nicht nur schön, stark und wertvoll sind. Sie lässt auch das Gegenteil zu.

Morgens, mittags, abends: Die Brötchentheke ist immer gut gefüllt Foto: Martin Wagner/imago

L iebe deinen Nächsten wie dich selbst“, ist die schwerste Aufgabe, mit der der christliche Gott uns allein lassen konnte. Und zwar nicht bloß, weil es verdammt anstrengend sein kann, den Nächsten zu lieben, sondern auch, weil es hin und wieder einfach unmöglich ist, sich selbst zu lieben.

Selbstwertgefühl ist wie eine Brötchentheke. Jeden Morgen, wenn Sie in die Bäckerei kommen, finden Sie die Brötchentheke üppig gefüllt und appetitlich vor. Es gibt Vollkornkrüstchen mit Camembert, Mohnbrötchen mit Salami, Ciabatta mit Tomate-Mozzarella, und so weiter. Wenn Sie am Nachmittag reinschneien, ist es genauso. Dabei wird die Brötchentheke ständig leer gekauft, oder die Brötchen werden trocken, die Käsescheiben hart und glasig – was Sie aber gar nicht mitbekommen, weil irgendjemand ständig daran arbeitet, dass die Brötchentheke so aussieht, wie Sie sie vorfinden möchten. Und zwar ab dem frühen Morgen.

Selbstwertgefühl ist Arbeit. Wir müssen schuften, damit wir uns anderen Menschen so zeigen können, wie wir gerne sein wollen: glücklich, zufrieden, selbstbewusst, selbstsicher. Wir trauen uns etwas zu, wir finden uns schön, begehrenswert und obendrein sind wir „empowert“, lassen also alle Mikroaggressionen an uns abperlen.

Eine positive Haltung zu sich selbst ist kein Naturzustand

Natürlich dürfen wir das, uns selbst lieben, natürlich haben wir das Recht, glücklich und zufrieden zu sein, uns schön zu finden. Aber haben wir auch die Verpflichtung, die Verantwortung? Rund um die Uhr? Positive Haltung zu sich selbst ist kein Naturzustand. Aber es gibt sehr wenig Raum dafür, sich hässlich, schwach oder schmutzig zu fühlen und dieses Gefühl zu teilen. In sozialen Netzwerken geht es jedenfalls nicht, dort herrscht entweder das Diktat von Schönheit und Glück (Instagram) oder das des Trolls, der sich auf jede gezeigte Schwäche stürzt (Twitter). Der Arbeitsplatz ist es auch nicht. Und auch Familie und Freunde sind selten hilfreich. Sie werden immer versuchen, einem derlei Gefühle auszureden. Und ich habe noch nicht mal angefangen, von der Last der Selbstoptimierungskultur und der „Glück ist Einstellungssache“-Ratgeber.

Die SM-Beziehung ist meines Wissens die einzige, in der Hässlichkeit und Schwäche akzeptiert und in Anerkennung umgewandelt werden. Der einzige geschützte Raum, in dem jemand sagen kann „Du bist hässlich und wertlos“ und jemand antworten kann „Ja, bin ich, danke!“ und beide mal kurz, nur ganz kurz, Pause machen können vom Fulltimejob, ein guter Mensch zu sein.

Denn manchmal sehen wir eben innerlich eher so aus wie die Brötchentheke meines S-Bahn-Kiosk am Samstagmorgen um 5 Uhr: kriegt man schon irgendwie runter, aber appetitlich ist was anderes. Und dann hilft uns dieser Gott auch nicht weiter, dem nichts Besseres einfiel zu sagen „Liebe dich selbst!“ und der dann entschwebt ist und uns mit einem Haufen tattriger Herren in Nachthemden als Ansprechpartner zurückgelassen hat.

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Peter Weissenburger
Freier Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, queeres Leben, Wissenschaft.
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6 Kommentare

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  • Noch ein Einwurf zum gegenseitigen Einverständnis, unabhängig von SM:



    www.youtube.com/watch?v=2ovcQgIN5G4



    Hier wird humorig ein sehr ernstes Thema behandelt, das uns alle angeht.

  • Für alle, die sich hier aufregen, dass Privates ausgeplaudert wird (mal angenommen, es ist so und nicht ein Stilmittel des Autors): Es gibt keine Pflicht etwas zu lesen in der taz, das einen nicht interessiert. Weiter blättern geht ja auch. Gleicher Autor, anderes Thema, keiner von den immer gleichen Verdächtigen war da, alle haben weitergeblättert, offensichtlich:



    taz.de/Pressefreih...remismus/!5638645/

    Ein Armustzeugnis für das Forum!

    Und nun zu FAKTENPRUEFEN: Es geht hier offensichtlich nicht darum, SM als alleinseligmachende Sexualtechnik an zu preisen. Sondern darum, eine Lanze zu brechen, dies mal in einer breiteren Öffentlichkeit ohne die Freakshow oder die sonst übliche achgottachgott Haltung zu besprechen, gerne auch kontrovers zu diskutieren. Ich kenne übrigens auch Zyschologen, auch einige berühmte, legendäre, die zu anderen Schlüssen kommen als Ihre. Immer vorausgesetzt, es handelt sich um Erwachsene, die das beide wollen. Ohne Frage.

    Ich lerne daraus, auch wenn ich (will jetzt nicht wie meine Vorredner mit MEINEM privaten Kram langweilen) andere Stilmittel bevorzuge, so sehe ich doch Parallellen, sowohl zum Blümchensex als auch zu Mustern im Alltag. Und obendrein hatte ich beim letzten Satz so ein Vergnügen beim Lesen, nehme den ab sofort ins Repertoire auf, dass sich die Lekture wieder mal rundum gelohnt hat.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Dass das Leben zuweilen auch aus Umwegen besteht, könnte jeder Mensch - im mittleren, spätestens fortgeschrittenen Alter - wissen.

    Als großzügiger Mensch gönne ich dem Autor seine SM-Erfahrungen. Im intimen Bereich.

    Wieso dies als öffentliches Thema behandelt werden soll, kann ich nicht nachvollziehen. Quotenerfüllung?

    Ende der 1970er lernte ich eine stramme Feministin kennen, die mir in einer heftigen Debatte empfahl, erst mal gleichgeschlechtliche sexuelle Erfahrungen zu sammeln. Ein bißchen bi schadet nie.

    Meine Begeisterung hielt sich - angesichts eigener Erfahrungen im Heim (Jungengruppe) in recht überschaubaren Grenzen.

  • Na Mahlzeit.

    Da staunt der Fachmann & der Laie wundert sich:



    “ Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, ist die schwerste Aufgabe, mit der der christliche Gott uns allein lassen konnte. Und zwar nicht bloß, weil es verdammt anstrengend sein kann, den Nächsten zu lieben, sondern auch, weil es hin und wieder einfach unmöglich ist, sich selbst zu lieben.…“

    Much all weesen & mit 5 Jährchen ++ schwerste Depression* mit allen Schikanen/Drehtür etc & stroke als Schlagobers & that* again -



    Meine ich ne gewisse Ahnung von Gemeinten zu haben. But.



    &



    kurz - Daß aber ausgerechnet eine SM-Beziehung dabei hilfreich - gar helfen könnte???



    Sorry. Die Idee ist mir - dabei & bis dato noch nicht gekommen - mit Verlaub.



    Die hier gebackenen schlabberigen Brötchen kommen mir reichlich larmoyant -



    …ne - Ey Lay lady lay like - Luffi-Nummer vor - um nen selbstgebastelten -



    Pappkameraden schwer bedeutend - in die Tonne zu …öh pusten.



    Nej tak.

    • @Lowandorder:

      Danke! Sie schrieben, was ich dachte.



      Warum glaubt der Autor, seine Neigungen rechtfertigen zu nüssen?



      Ganz offen und ehrlich ausgesürochen: Natürlich krankt diese Welt an schlimmer. Aber anderen Schmerzen zu zu fügen, oder selbst Schmerzen erleiden zu müssen um Lust zu empfinden halte ich für schwierig. Gibt es einen Gewöhnungseffekt? Wo hört das auf?