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Gegen Fake News und DesinformationSignal für freie Medien

Gastkommentar von Claudia Roth

Es ist wichtiger denn je, das demokratische Modell freier und unabhängiger Medien zu stärken. Denn sie sichern seriöse Berichterstattung.

Zunehmend werden Journalisten bedroht und inhaftiert Foto: Daniel Grizelj/getty

S chon die Coronapandemie hat weltweit zu viele Opfer gefordert. Über sechs Millionen sollen es nach den über zwei Jahren sein, in denen das Virus unser Leben bedroht, einschränkt und prägt. Doch wurde die Pandemie in vielen autoritären wie semi-autoritären Staaten auch dazu missbraucht, um die dort schon zuvor attackierte Pressefreiheit weiter einzuschränken. Reporter ohne Grenzen sah sie schon nach einem Jahr Pandemie „so stark unter Druck wie selten zuvor“.

400 Journalistinnen und Journalisten, Medienschaffende und Bloggerinnen und Blogger waren im vergangenen Jahr in Haft, über 40 zahlten für ihre Arbeit mit dem Leben. Auch in Deutschland werden zunehmend Journalistinnen und Journalisten angegriffen, bedroht und eingeschüchtert.

Jetzt kommt noch der Angriffskrieg des Putin-Regimes gegen die Ukraine hinzu. Von der russischen Armee wurden dort bestialische Gräuel an der Zivilbevölkerung verübt. Menschen sterben, hungern, frieren und fliehen. Darüber darf in Russland nicht frei und unabhängig berichtet werden. Schon die Bezeichnung als Krieg wird drakonisch bestraft.

Mit Desinformation, Fake News und Propaganda versucht sich Wladimir Putin an der Macht zu halten, während er unbeirrt Tod und Verwüstung über die Ukrai­ne bringt.

Tag der Pressefreiheit

Der 3. Mai wurde 1993 von der UN-Vollversammlung zum Welttag der Pressefreiheit erklärt. Die taz panter stiftung hat aus diesem Anlass gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen eine Beilage für die taz erstellt. Wir blicken auf die Lage der Presse in Russland und Kuba, in Frankreich und Myanmar, in Afghanistan, im Irak und in der Türkei. Aber wir schauen auch auf den Journalismus in Deutschland in Zeiten von Crowdfunding und Fake News. Und wir fragen Günter Wallraff, warum er sich für den Wikileaks-Gründer Julian Assange einsetzt.

Alle Texte erscheinen online unter taz.de/pressefreiheit

Presse- und Meinungsfreiheit als Grundprinzipien Europas

Fake News und Desinformationen als Begleiterscheinung eines Krieges sind nicht neu. Auf deren Mechanismen und Folgen wiesen schon Stefan Zweig und der französische Historiker Marc Bloch nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs hin. Ausgehend von Europas Kriegserfahrungen wurde das Friedensprojekt der europäischen Integration geschaffen – auf dem Fundament demokratischer Grundprinzipien wie Presse- und Meinungsfreiheit.

Dass diesen Freiheiten in Russland nun der Garaus gemacht wurde – und beileibe nicht nur dort – ist das eine. Aber dass einseitige und oft erstaunlich plumpe Propaganda funktionieren kann, liegt auch daran, dass schon seit Jahren Putin und seine Unterstützer ein Zerrbild von Medien und Journalisten verbreiten: die Mär, es gebe gar keine freien und unabhängigen Medien, die seriös und wahrhaftig informieren. Vielmehr stünden sich immer und überall nur interessen- und ideologiegesteuerte Meinungen gegenüber.

Solche Vorstellungen finden in rechtsextremen Kreisen unserer Demokratien Resonanz. Entsprechend einseitig und aggressiv agieren seit Jahren die vom russischen Staat finanzierten Medien Russia Today und Sputnik. Der Kreml hat sie als Instrumente eines sogenannten Informationskrieges gegen einen vermeintlichen Westen in Stellung gebracht.

Sie verklären jetzt mit Fake News und Desinformation einen grausamen Angriffskrieg und übertünchen Kriegsverbrechen. Es war deshalb richtig, EU-weit geschlossen gegen Russia Today und Sputnik vorzugehen, auch wenn es hierfür künftig noch klarerer europäischer Regeln bedarf.

Jetzt ist es wichtiger denn je, das demokratische Modell freier, unabhängiger Medien, die eine seriöse und wahrheitsgetreue Berichterstattung sicherstellen, zu verteidigen und zu stärken. Dieses Medienmodell ist eine Voraussetzung dafür, dass unsere pluralistischen Demokratien existieren und funktionieren können.

Staatsferne als wesentliches Element unserer Medienordnung

Deshalb sehe ich meine Rolle als Staatsministerin darin, Medien wie Medienschaffende zu stärken und zu schützen, selbstverständlich in Zusammenarbeit mit den Ländern und in Respekt vor dem wichtigen Prinzip der Staatsferne, die ein wesentliches Element unserer Medienordnung ist.

Direkt nach Kriegsausbruch haben wir eine Million Euro bereitgestellt, mit denen nach Deutschland geflohene ukrainische Journalistinnen und Journalisten, die sich in den letzten Jahren für vielfältige Demokratie in ihrem Land eingesetzt haben, unterstützt werden können wie auch geflohene Medienschaffende, die in Russland wie in Belarus noch mutig die letzten Freiräume verteidigt haben.

Wir unterstützen jetzt den „JX-Fund – Journalists in Exile“ von Reporter ohne Grenzen, der Schöpflin- und der Augstein-Stiftung. Er soll Medienschaffenden im Exil ermöglichen, hier ihre Arbeit als demokratische Stimmen fortzusetzen.

Deutschland als sichere Anlaufstelle

Auch bauen wir unsere Unterstützung für das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit in Leipzig aus. Dessen Residence-Programm bietet geflohenen und bedrohten Journalistinnen und Journalisten in Deutschland eine sichere Anlaufstelle.

Bild: Kristian Schuller
Claudia Roth

ist als Staatsministerin im Bundeskanzleramt Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Zuvor war sie unter anderem Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und Vizepräsidentin des Bundestags.

Hinzu kommt unsere Arbeit im Bereich der Journalismusförderung, womit wir erstmalig nachhaltige Unterstützungsmöglichkeiten zum Schutz und zur strukturellen Stärkung journalistischer Arbeit geschaffen haben. Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt engagieren wir uns stärker für bedrohte Journalistinnen und Journalisten sowie Verteidigerinnen und Verteidiger der Meinungsfreiheit im In- und Ausland. Vorgesehen ist auch, hierzulande die journalistische Arbeit besser zu schützen.

Freie unabhängige Medien versus staatlich gelenkter Propagandamaschinerien – mit diesem Konflikt werden wir es weltweit zu tun haben. Für Juni habe ich daher die G7-Medienministerinnen und -minister nach Bonn geladen. Wir wollen ein Signal der Geschlossenheit für unsere demokratischen Medienmodelle senden und uns darauf verständigen, wie wir gegen Propaganda und destabilisierende Desinformation vorgehen.

In Europa setze ich mich dafür ein, dass wir unter Berücksichtigung bewährter nationaler Strukturen mit dem European Media Freedom Act einen verlässlichen Rahmen bekommen, um vielfältige Medien zu stärken. Sie können darauf zählen, dass ich mich für die Pressefreiheit und den Schutz unabhängiger Medien einsetzen werde.

Dieser Text gehört zur Beilage der taz Panter Stiftung und von Reporter ohne Grenzen in der taz vom 3. Mai 2022, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit.

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1 Kommentar

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  • Alles schön und gut. Nur, die extremen Situationen sind vergleichsweise leicht zu diagnostizieren. (Wenn jemand richtig krank ist, brauchts keinen Arzt zur Diagnose.) Zu therapieren dafür umso schwerer, und da ist die Arbeit der Autorin sehr wichtig. Ein kleiner Hinweis auf die Unfähigkeit demokratischer Medien fehlt aber. Die haben in Deutschland Merkel und Entourageüber mehr als zehn Jahre kaum konstruktiv, kritisch, kenntnisreich, korrekt, konsequent kritisiert. Sonst sähe die Welt heute anders aus. Putin hätte dreistellige Milliarden für seine dreckige Energie weniger bekommen und weniger hochrüsten können. Deutschland ist ein Hochtechnologieland. Die Energiewende ist überwiegend ausgefallen oder ausgebremst worden, sonst wären wir heute bei den Eneuerbaren um mindestens 25% weiter und die Abhängigkeit von Putin viel geringer. Merkel hat es auf sehr subtile Weise geschafft, die Medien handzahm zu machen. Auch jetzt trauen sie sich nur vereinzelt. Merkel weiß das und schweigt sehr lautstark. Dafür ist Grünen-Bashing (insbesondere bei BILD, FAZ, FOCUS etc.) en vogue, wobei Baerbock, Habeck und Özdemir so gut sind, so dass viel an den Haaren herbeigezogen werden muss. Auch das sind freie Medien.