Gefangenaustausch in der Ukraine: Umstrittene Übergabe
Die ukrainische Regierung und die ostukrainischen Separatisten haben Gefangene ausgetauscht. Dagegen haben 200 Bürger protestiert.
Aus Donezk erhielt die Zentralregierung in Kiew 52 Personen, Luhansk übergab 25 Menschen. Umgekehrt ließ die ukrainische Regierung 63 Menschen aus der „Volksrepublik“ Luhansk frei sowie weitere 60, die nach Donezk übergeben wurden.
Ukrainische Medien berichteten, die pro-russischen Rebellen würden hauptsächlich Angehörige der ukrainischen Armee sowie inhaftierte Aktivisten und Journalisten freilassen. Es wurde erwartet, dass Kiew unter anderem mehrere Bereitschaftspolizisten freilassen könnte, denen vorgeworfen wird, im Jahr 2014 im Zuge der Maidan-Proteste Demonstranten getötet zu haben. Rund 200 Menschen demonstrierten deshalb am Samstagabend vor einem Gefängnis in Kiew gegen ihre Freilassung.
Trotz der Freude über die erfolgreiche Aktion gab es in Kiew viel Kritik. Schon am 25. Dezember hatten Demonstranten im ostukrainischen Charkiw gegen die geplante Freilassung von drei Gefangenen protestiert, denen ein Terroranschlag in Charkiw vor gut vier Jahren vorgeworfen wird. Ein Gericht erlaubte jedoch deren Teilnahme an dem Austausch.
Das Untersuchungsgefängnis wurde blockiert
Russische Medien hatten auch die Freilassung von Nikolaj Ruban angekündigt. Dieser hatte 2015 ukrainischen Soldaten Honig geschenkt. Doch als die Soldaten das Glas öffneten, entzündete sich ein Sprengsatz. Ein Soldat starb, zwei weitere wurden verletzt. Freigekommen ist offenbar auch die Sportlerin Daria Mastikasheva. Ihr wurden von den ukrainischen Behörden Hochverrat und illegaler Waffenbesitz vorgeworfen. Fotos, so die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, deuteten darauf hin, dass sie von Angehörigen des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU geschlagen und gefoltert worden war.
Die ganze Nacht über hatten ukrainische Nationalisten das Kiewer Untersuchungsgefängnis Lukjanowsk blockiert, um einen Abtransport der beschuldigten Polizisten zu verhindern. Der ehemalige Präsident Petro Poroschenko kritisierte deren Freilassung: Den Wunsch Russlands, die Berkut-Leute in ihre Jurisdiktion zu bekommen, sei „ein öffentliches Eingeständnis der Beteiligung des Kremls an den Massenerschießungen auf dem Maidan“, sagte er. Russland suche mit dem Gefangenenaustausch Verbrechen verschleiern.
Vorsichtig unterstützend äußerte sich dagegen der Menschenrechtsaktivist Boris Sacharow. Auch wenn der Austausch Recht beuge, rechtsstaatliche Prinzipien und alles, was das internationale humanitäre Recht verlange, außer Acht lasse, sei doch die Frage gestellt, ob es denn eine andere Möglichkeit gebe, die eigenen Leute aus der Gefangenschaft des Kreml zurückzuholen, sagte Sacharow.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja