Proteste in Ukraine: Moskautreue marschieren
In der ukrainischen Hauptstadt Kiew zeigen prorussische Demonstranten Flagge. Es geht gegen die Rechten und Präsident Wolodymir Selenski.
Anlass der Demonstration, zu der die Partei Scharij, benannt nach ihrem Chef, dem Blogger Anatolij Scharij, aufgerufen hatte, waren Übergriffe von Anhängern des ehemaligen Chefs des „Rechten Sektors“ von Odessa, Serhij Sternenko, Anfang der Woche auf Journalisten in Kiew. Dort findet derzeit ein Prozess gegen Sternenko statt, der wegen Mordes angeklagt ist. Er selbst verwahrt sich gegen diesen Vorwurf, da er in Notwehr gehandelt habe. Auch eine Journalistin von „Scharij.net“ soll angegriffen worden sein.
Nach Angaben ukrainischer Medien hatten sich an der prorussischen Demonstration der Scharij-Partei am Mittwoch gut 500 Personen beteiligt. Olga Scharij, die Ehefrau des im europäischen Ausland lebenden Parteichefs Anatolij Scharij spricht von über 2000 Teilnehmern.
Mit Sprechchören wie „nicht mein Präsident“, „Scharij, Scharij“ und „Wowa komm raus!, forderten sie Präsident Wolodymir Selenski auf, persönlich mit den Demonstranten zu sprechen. Mit der Demonstration, gibt sich Olga Scharij siegessicher, habe man das Monopol der Rechten auf die Straße gebrochen.
Eier und Steine
Bereits während der Kundgebung kam es zu einigen Zwischenfällen. Während die Nationalisten über die Polizeiabsperrungen hinweg einige Eier warfen, wurde ein Anhänger der rechtsradikalen „Asow“ von Demonstranten mit Gewalt vom Platz vertrieben. Am späten Abend wurde ein Bus von Demonstranten, der auf der Rückreise nach Charkiw war, mit Steinen beworfen.
Mit 2,1 Millionen Aufrufen ist Youtube-Blogger Anatolij Scharij, der seine Auftritte ausschließlich auf Russisch bestreitet und aus seiner Ablehnung der Maidan-Bewegung keinen Hehl macht, der bekannteste ukrainische Blogger.
2012, so schreibt er auf seinem Portal, habe er aus der Ukraine fliehen müssen, weil er nach Recherchen über organisiertes Verbrechen bedroht worden sei. Inhaltlich steht Anatolij Scharij der prorussischen „Oppositionsplattforum – Für das Leben“ nahe.
Basisdemokratisch und gewaltfrei ist Scharijs Partei nicht. Die Rufe nach Anatolij Scharij auf der Demonstration sprechen eher für einen Personenkult unter den Mitgliedern der Partei. Auch die einheitliche rote Farbe von Luftballons und die rot-weißen Fahnen im identischen Design legen nahe, dass die Demonstration zentral organisiert war.
Eingekesselt und geschlagen
In gerade einmal anderthalb Tagen habe man die landesweite Demonstration organisiert, berichtet Olga Scharij in ihrem Blog. Dies scheint angesichts der zahlreichen Busse und der vielen gebuchten Unterkünfte wenig wahrscheinlich.
Genüsslich kommentiert sie einen Videoclip, der zeigt, wie Scharij-Leute einen ukrainischen Nationalisten in der Kiewer U-Bahn einkesseln, auf diesen eintreten und mit Stangen so lange schlagen, bis der Mann sichtlich benommen und orientierungslos am Boden sitzt. Der Mann habe ihre Leute angreifen wollen und dabei „hat er eine in seine Scheiß-Fresse bekommen“, so Olga Scharij.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben