Gefangenentausch in der Ukraine: Bizarre Tauschgeschäfte
Schon am Montag wird sich die Frage nach der nächsten Übergabe stellen, die Suche nach neuem „Material“ geht weiter. Der Preis dafür ist hoch.

Ukrainische Bürger werden zu einem Checkpoint bei der Ortschaft Mayorsk transportiert Foto: reuters
Ein Tausch ist ein Geschäft ohne Geld. Und Geschäfte haben mit Menschlichkeit wenig zu tun. Das gilt auch für die russisch-ukrainischen Tauschgeschäfte. Bestimmte Gefangene haben bei derartigen Geschäften einen höheren Wert als andere. Was die Freilassung dieser „Tauschobjekte“ für die Ehefrauen und die Kinder bedeutet, interessiert auf politischer Ebene nicht. Bei diesem jüngsten Tauschgeschäft stellt sich die Frage, warum eigentlich Personen wie die Polizisten der ukrainischen Spezialeinheit Berkut, die verdächtigt werden, 48 Demonstranten getötet zu haben, plötzlich ausgetauscht werden.
Die Antwort liegt auf der Hand: Russland und die von ihr abhängigen Volksrepubliken sind an einer Aufklärung dieser Morde auf dem Maidan nicht interessiert. Doch vor dem Hintergrund, dass auch fünf Jahre danach keine Ergebnisse vorliegen, ist nicht auszuschließen, dass auch die Ukraine etwas zu verbergen hat. Schließlich sind neben den Demonstranten damals auch einige Polizisten erschossen worden.
Der Preis des Gefangenenaustausches ist hoch: Die jüngste Freilassung von Tatverdächtigen und Verurteilten in der Ukraine hat mit unabhängiger Rechtsprechung wenig zu tun. Sie war vielmehr nur möglich, weil sich die Regierung in die Rechtsprechung eingemischt hat. Besorgniserregend ist auch, dass kein einziger Bewohner der Krim freigekommen ist. Damit scheint man Russland entgegengekommen zu sein, das sich weigert, über die Krim auch nur zu reden. Von einem Tausch „alle gegen alle“ kann keine Rede sein. Beide Seiten sind unzufrieden mit der Unvollständigkeit der Listen.
Und so wird sich schon morgen wieder die Frage nach dem nächsten Gefangenenaustausch stellen. Und das heißt, die Jagd nach neuem Tauschmaterial geht weiter. Perspektivisch sollten die Forderungen somit eher in eine andere Richtung gehen: die Stärkung des Rechtsstaats. Wer schuldig ist, muss bestraft werden, und wer unschuldig ist, muss freigelassen werden: einseitig, sofort und ohne Tausch.
Gefangenentausch in der Ukraine: Bizarre Tauschgeschäfte
Schon am Montag wird sich die Frage nach der nächsten Übergabe stellen, die Suche nach neuem „Material“ geht weiter. Der Preis dafür ist hoch.
Ukrainische Bürger werden zu einem Checkpoint bei der Ortschaft Mayorsk transportiert Foto: reuters
Ein Tausch ist ein Geschäft ohne Geld. Und Geschäfte haben mit Menschlichkeit wenig zu tun. Das gilt auch für die russisch-ukrainischen Tauschgeschäfte. Bestimmte Gefangene haben bei derartigen Geschäften einen höheren Wert als andere. Was die Freilassung dieser „Tauschobjekte“ für die Ehefrauen und die Kinder bedeutet, interessiert auf politischer Ebene nicht. Bei diesem jüngsten Tauschgeschäft stellt sich die Frage, warum eigentlich Personen wie die Polizisten der ukrainischen Spezialeinheit Berkut, die verdächtigt werden, 48 Demonstranten getötet zu haben, plötzlich ausgetauscht werden.
Die Antwort liegt auf der Hand: Russland und die von ihr abhängigen Volksrepubliken sind an einer Aufklärung dieser Morde auf dem Maidan nicht interessiert. Doch vor dem Hintergrund, dass auch fünf Jahre danach keine Ergebnisse vorliegen, ist nicht auszuschließen, dass auch die Ukraine etwas zu verbergen hat. Schließlich sind neben den Demonstranten damals auch einige Polizisten erschossen worden.
Der Preis des Gefangenenaustausches ist hoch: Die jüngste Freilassung von Tatverdächtigen und Verurteilten in der Ukraine hat mit unabhängiger Rechtsprechung wenig zu tun. Sie war vielmehr nur möglich, weil sich die Regierung in die Rechtsprechung eingemischt hat. Besorgniserregend ist auch, dass kein einziger Bewohner der Krim freigekommen ist. Damit scheint man Russland entgegengekommen zu sein, das sich weigert, über die Krim auch nur zu reden. Von einem Tausch „alle gegen alle“ kann keine Rede sein. Beide Seiten sind unzufrieden mit der Unvollständigkeit der Listen.
Und so wird sich schon morgen wieder die Frage nach dem nächsten Gefangenenaustausch stellen. Und das heißt, die Jagd nach neuem Tauschmaterial geht weiter. Perspektivisch sollten die Forderungen somit eher in eine andere Richtung gehen: die Stärkung des Rechtsstaats. Wer schuldig ist, muss bestraft werden, und wer unschuldig ist, muss freigelassen werden: einseitig, sofort und ohne Tausch.
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Kommentar von
Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und Eurotopics.de. Er hat in Heidelberg Russisch studiert. Daneben gute Ukrainisch-Kenntnisse. Hat sich jahrelang in den Bereichen Frieden, Menschenrechte, Anti-AKW, Asyl engagiert. Zusammenarbeit mit Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen in der ehemaligen UdSSR und in Deutschland. Schreibt seit 1993 für die taz.
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