Gefahrengebiet Hamburg: Kein politisches Problem
Die Hamburgische Bürgerschaft versucht sich an der Aufarbeitung der Dezember-Krawalle – erfolglos. Und die Polizei muss ihre Darstellung korrigieren.
HAMBURG taz | Was war nun wirklich los, bei der Krawall-Demo im Dezember? Am Montagabend versuchte der Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft in einer Sondersitzung erstmals, die vorweihnachtliche Demonstration für den Erhalt des linken Kulturzentrums „Rote Flora“ politisch aufzuarbeiten. Insbesondere einer blieb dabei hart: Hamburgs SPD-Innensenator Michael Neumann. „Die Schuldfrage stellt sich überhaupt nicht“, sagte er.
Bei den Auseinandersetzungen am 21. Dezember während und nach der Demonstration hatte es nach Polizeiangaben 169 verletzte Beamte gegeben. Auf der anderen Seite kamen nach Angaben linker Organisationen rund 500 Demonstranten zu Schaden.
Seitdem werfen sich Polizei und Demonstranten gegenseitig vor, die Situation eskaliert zu haben. Inzwischen hat die Polizei in Hamburg ein großflächiges „Gefahrengebiet“ ausgerufen, in dem Beamte verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen dürfen.
Neumann hatte vor der Sitzung angekündigt, er wolle die Genese der Krawalle aufklären – was allerdings weitgehend misslang. Aussagen stehen weiterhin gegen Aussagen. Die Oppositionsfraktionen von Grünen und Linken warfen der Polizei „unverhältnismäßige Maßnahmen“ vor – die schwächste Form des Tadels. Neumann betonte am Montagabend, die Randalierer seien von Anfang an auf Gewalt aus gewesen.
Der polizeiliche Einsatzleiter Peter Born sagte vor dem Ausschuss, unter den mehr als 7.000 Demonstrierenden seien mehr als 3.000 gewaltbereite Personen gewesen. „Nach unserem Eindruck hatte die Demonstrationsleitung keinen Einfluss mehr auf die Aktionen.“ Die Demo sei gestoppt worden, weil die Beamten mit Steinen und Böllern beworfen wurden.
Im Hinblick auf die angespannte Situation sieht Hamburgs Senat weiterhin keinen Verhandlungsbedarf: „Wer nicht bereit ist, das staatliche Gewaltmonopol zu akzeptieren, kann kein Gesprächspartner des Staates sein“, sagte Neumann. Es gebe in Hamburg „kein einziges politisches Problem, das Gewalt rechtfertigt“, so der Innensenator weiter.
Hamburg, Göttingen, Frankfurt
Unterdessen hat die Lage in Hamburg auch bundesweit Konsequenzen. Am Wochenende hatten Unbekannte in Göttingen nach Polizeiangaben am SPD-Parteigebäude die Parole „Flora bleibt“ hinterlassen. In Frankfurt am Main versammelten sich am Montagabend nach Polizeiangaben rund 150 Demonstranten. Dabei sollen sie Fensterscheiben einer SPD-Geschäftsstelle eingeworfen, Feuerwerkskörper gezündet und Mülltonnen umgestoßen haben.
Dass bei Polizeiangaben Vorsicht geboten ist, zeigt Hamburg. Dort räumte ein Sprecher inzwischen ein, dass sich der Angriff auf einen Beamten am 28. Dezember anders zugetragen hat, als zunächst von der Polizei dargestellt. Ein Hamburger Szeneanwalt hatte deren Version bestritten, wonach direkt an der Davidwache ein Beamter gezielt attackiert worden sei.
Unter anderem damit hatte die Polizei die Errichtung des Gefahrengebiets begründet. Nun räumte die Polizei ein, dass es anders war. Demnach wurde der Beamte nicht an der Wache attackiert, sondern in 200 Meter Entfernung.
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