Gedenktag für Terroropfer: Die Geste war längst überfällig
Am 11. März soll in Deutschland künftig an Terroropfer erinnert werden. Ein wichtiger Schritt. Bislang wurden Angehörige der Opfer vernachlässigt.
T error ist meist laut, er ist sichtbar. Leise wird es später, wenn der erste Schrecken vorbei ist, wenn es um die Opfer und Hinterbliebenen geht. In Deutschland kümmert man sich um sie bisher wenig. Ab diesem Jahr soll der 11. März nationaler Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt werden, das entschied das Bundeskabinett diese Woche. Er werde ein Tag der Erinnerung, des Mitgefühls, aber auch der Mahnung sein, mit aller Entschlossenheit gegen terroristische Bedrohungen vorzugehen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Und: „Wir wollen, dass die Opfer nie vergessen werden.“
In der EU ist der 11. März schon lange Gedenktag. Er erinnert an die islamistischen Anschläge in Madrid 2004, bei denen 191 Menschen getötet wurden. In Deutschland hat der Tag bislang wenig Beachtung bekommen.
München, Berlin, Halle, Hanau und Dresden. Fünf Orte, die nicht nur eine Geschichte von Terror und Verlust erzählen, sondern auch von politischem Versagen. Bei der rechtsterroristischen Mordserie des NSU wurden Täter über Jahre im Umfeld der Angehörigen gesucht; sie kämpften gegen die falschen Verdächtigungen. Während Angehörige der Opfer vom Breitscheidplatz noch Krankenhäuser abklapperten auf der Suche nach ihren Kindern, Ehepartnern, Freunden, andere von Sicherheitsleuten an der Tür zur Gedächtniskirche abgewiesen wurden, saß Angela Merkel mit Politiker:innen und Prominenten beim Gedenkgottesdienst.
In Hanau kritisierten Angehörige, dass Beamte ihnen die Todesnachrichten empathielos überbrachten; später warteten sie lange auf die Freigabe der Leichen. Nach dem Anschlag in Halle konnte der Kiez-Döner nur durch Spenden überleben, von der Politik gab es zunächst nur leere Worte, Händeschütteln.
Es fehlen noch immer Opferfonds
„Terror richtet sich nicht nur gegen Einzelne, sondern gegen die gesamte Gesellschaft“, schreibt die Bundesregierung heute. Sie hat dazugelernt. In Reaktion auf den Anschlag vom Breitscheidplatz wurde 2018 Edgar Franke erster Opferbeauftragter des Bundes. Am Ende seiner Amtszeit präsentierte er seinen Abschlussbericht: Härteleistungen für Opfer wurden erhöht, auch rückwirkend und somit für Hinterbliebene des rechtsextremen NSU-Terrors. Ein wichtiger Schritt.
Doch bis heute gibt es nicht in allen Bundesländern einen Opferfonds. Immer noch müssen sich Betroffene mit bürokratischen Hürden herumschlagen, wie die 24-jährige Ella Paravyan kürzlich im Tagesspiegel schilderte. Paravyan überlebte den islamistischen Anschlag 2016 in Nizza. Sie ist seitdem schwer traumatisiert, muss um Unterstützung kämpfen. Weil das Attentat im Ausland stattfand, war der Opferbeauftragte nicht einmal für sie zuständig.
In die Uni musste sie sich einklagen, als Härtefall lehnte man sie ab. Dass Terror unterschiedliche Spuren hinterlassen kann, offensichtliche, durch körperliche Verletzungen, und unsichtbare, also psychische Verletzungen, wird im bürokratischen System übersehen. Paravyan sagt: „Wenn du nicht auf Medikamenten bist oder in der Klapse sitzt, nehmen die Leute das nicht ernst. Ja, ich habe äußerlich keinen Kratzer, aber wie sieht es in mir aus?“
Vor dem Terror am Breitscheidplatz warnten Sicherheitsbehörden bereits vor einem möglichen großen Anschlag in Deutschland. Auf die Opfer und Hinterbliebenen aber bereitete man sich nicht vor. Immerhin wurden Fehler zugegeben. Manche Fragen bleiben aber: Warum kennen wir oft die Namen der Täter, aber nicht die der Opfer? Warum tun sich Politiker schwer, ehrliche Gesten der Anteilnahme zu finden? Wo bleibt die Empathie?
Der 11. März ist ein wichtiger symbolischer Anfang, der nicht nur eine Erinnerung an die Verpflichtung sein sollte, angemessen mit Opfern und Hinterbliebenen von Terror umzugehen, sondern auch daran, diesen zu verhindern.
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