Gedenken an Atombombenabwurf auf Hiroshima: Spiel mit „geladener Waffe“
Vor 77 Jahren verwandelte eine Atombombe die japanische Stadt in ein Inferno. Angesichts von Russlands Angriffskrieg geht vom Gedenken ein dringender Appell aus.
Es war das erste Mal seit zwölf Jahren, dass ein UN-Chef an Hiroshimas jährlichem Gedenken teilnahm. Russland und sein Verbündeter Belarus waren nicht dazu eingeladen. Um 8.15 Uhr, dem Zeitpunkt, als der US-Bomber Enola Gay am 6. August 1945 die erste im Krieg eingesetzte Atombombe mit dem Namen „Little Boy“ über Hiroshima abgeworfen hatte, legten die Teilnehmer eine Schweigeminute ein. „Wir müssen sofort alle nuklearen Knöpfe bedeutungslos machen“, sagte der Bürgermeister von Hiroshima, Kazumi Matsui. Er erwähnte in seiner Rede vor Vertretern von 99 Nationen sowie der Europäischen Union ausdrücklich Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, dem unschuldige Zivilisten zum Opfer fielen.
Die atomare Abrüstung war schon vor Russlands Invasion ins Stocken geraten. Jetzt wird die Reduzierung der knapp 13. 000 Atomwaffen weltweit noch schwerer. „Wir müssen die Schrecken von Hiroshima jederzeit im Auge behalten und erkennen, dass es nur eine Lösung für die nukleare Bedrohung gibt: überhaupt keine Atomwaffen zu haben“, sagte Guterres, der für seine Rede in Hiroshima Applaus erhielt.
Russland hatte kürzlich bekräftigt, keinen Atomkrieg starten zu wollen. „Wir gehen davon aus, dass es in einem Atomkrieg keine Sieger geben kann und er niemals begonnen werden darf“, schrieb Präsident Wladimir Putin in einem Grußwort an die noch bis zum 26. August laufende Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York.
„Weltweit gewinnt die Vorstellung an Bedeutung, dass Frieden von nuklearer Abschreckung abhängt“, beklagte Hiroshimas Bürgermeister Matsui in seiner Gedenkrede. Japans Regierungschef Fumio Kishida sagte, sein Land werde daran arbeiten, die „Realität“ eines sich verschlechternden Sicherheitsumfelds mit dem „Ideal“ einer Welt ohne Atomwaffen zu verbinden. Kishida stammt selbst aus Hiroshima.
Japan richtet in der Millionen-Stadt im kommenden Jahr den Gipfel der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) aus. Zehntausende Bewohner waren an jenem 6. August 1945, als die USA die Atombombe abwarfen sofort ums Leben gekommen, insgesamt starben bis Ende 1945 schätzungsweise 140.000 Menschen. Drei Tage nach Hiroshima warfen die USA eine zweite Atombombe über Nagasaki ab. Kurz danach kapitulierte das japanische Kaiserreich. Heute sind die USA Japans Schutzmacht. Hiroshima wurde zu einem Symbol für Krieg – und Frieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen