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Gebrauch von Second Hand-KleidungIn meiner Kindheit ein Tabu

Im Damaskus der 1990er Jahren war es tabu, gebrauchte Kleidung zu tragen. Im Hamburg der Gegenwart ist es cool, weil die Reichen es cool finden.

Angesagtes Shopping für hippe Leute mit Geld: Second Hand-Laden in Stuttgart Foto: dpa | Bernd Weissbrod

E rst vor ein paar Jahren habe ich vom Vintage-Trend erfahren. Vintage, Second Hand, Pre-loved: Egal wie es auf Englisch genannt wird – gebrauchte Kleidung, Taschen, Schuhe und so weiter zu kaufen, ist bei vielen Menschen immer beliebter, egal ob sie aus reichen oder armen Verhältnissen kommen.

Für manche, so habe ich gelernt, geht es um Nachhaltigkeit. Für andere, vor allem Teenager, geht es um den Look und die Menge: Sie können sich viele Kleidungsstücke leisten. In manchen Geschäften zahlt man pro Kilogramm und kann sogar teure Marken finden. Die Stücke können ein paar Mal für Instagram oder Snapchat getragen werden, bevor sie über eine Plattform wie Vinted weiterverkauft werden.

In Hamburgs ältester Einkaufspassage, dem Hamburger Hof, gibt es seit zwei Jahren die „Vintage-Fabrik“, ein 450 Quadratmeter großes Geschäft. Laut dem Manager-Magazin (ich wollte mich auf diese Kolumne gut vorbereiten) wächst der Online-Handel mit Secondhand-Kleidung noch schneller. Es gibt sogar Online-Plattformen, die sich auf gebrauchte Luxusmode spezialisiert haben. Beim Anbieter Vestiaire kann man sogar die getragene Kleidung von Hollywood-Schauspielerinnen kaufen. Das Stigma gebrauchter Kleidung scheint zu verschwinden.

Ich komme aus einer großen Familie und habe viele Brüder und Schwestern. Im Syrien der 1990er-Jahre waren wir irgendwo in der wachsenden Mittelschicht platziert. Mein Vater hatte damals ein okayes Einkommen, aber Markenkleidung war für uns trotzdem ein seltener Traum. Für meine Familie und andere Familien aus meinem Stadtteil gab es Albala: Das war gebrauchte Kleidung, die illegal aus westlichen Ländern nach Syrien importiert wurde.

Warum heißt es für die einen Kleiderkammer und für die anderen Vintage-Fabrik?

Der Begriff „Albala“ kommt vom englischen Wort „bale“, was großes Bündel oder Ballen bedeutet. In diesem Fall bezieht es sich auf eine große Menge von Kleidungsstücken in verschiedenen Formen und Größen, die gesammelt und in einer bestimmten Straße verkauft wurden. Die Straße war im Zentrum von Damaskus, also bin ich mir unsicher, wie illegal es war. Denn ähnliche Straßen gab es auch in anderen syrischen Städten und bekanntlich hat der syrische Geheimdienst seine Augen überall. Sagen wir, es war illegal, aber ein funktionierendes Geschäft.

Als ich Kind war, hat meine Mutter einfach lokal produzierte Kinderkleidung für meine Geschwister und mich gekauft. Aber als wir alle älter wurden und zur Universität gingen, war diese Kleidung nicht mehr cool genug. Sie hat uns auch ein bisschen von den reichen Da­mas­ze­ne­r*in­nen unterschieden. Deshalb kam einer meiner älteren Brüder auf die Idee, bei Albala einzukaufen. Er ging öfters dorthin und kaufte Kleidung, nicht nur für sich, sondern für die ganze Familie.

Es waren Marken wie Adidas oder Marc O’Polo dabei. Er kaufte nicht zum Stückpreis, sondern pro Kilo. Damals war es ein Tabu, bei Albala einzukaufen, weil die Kleidung gebraucht war und als nicht sauber galt. Es galt als unangenehm, Kleidung von fremden Leuten zu tragen. Aber für uns war es einfach praktisch, da wir so viele „westliche“ Kleidungsstücke hatten, die wir oft tragen konnten. Und es kostete uns fast nichts. Wir haben natürlich niemandem gesagt, wo wir unsere Kleidung kauften.

Ich spreche hier von den frühen 2000er-Jahren. Heute ist alles anders. Ich habe gelesen, dass Albala Kleidung noch existiert, aber selbst diese für viele Sy­re­r*in­nen unbezahlbar geworden ist. Das macht mich traurig, wenn ich daran denke, dass es für mich als Jugendlicher früher die einzige Möglichkeit war, irgendwie „coole“ Kleidung zu kaufen.

Wenn ich jetzt an den Vintage-Trend in Deutschland denke, frage ich mich, wieso etwas als dreckig oder peinlich angesehen wird, bis es die Reichen machen. Warum heißt es für die einen Kleiderkammer und für die anderen Vintage-Fabrik? Oder stimmt das nicht? Albala ist heute überall in Hamburg, in anderen Großstädten und online verbreitet. Aber der entscheidende Unterschied sind die Preise: Ich hätte sie mir als Jugendlicher niemals leisten können.

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2 Kommentare

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  • In unserer Großfamilie war es üblich, Kleidung zu "erben". Der Schritt zu Kleiderstuben, Flohmärkten und Secondhand Läden war in den 80er und 90ern dann nicht groß.



    Für Menschen, die Punk, autonom oder wasauchimmer sein wollten, waren gebrauchte Klamotten stilbildend.



    Fast Fashion kommt für mich nicht infrage.



    Ich kaufe langlebige Kleidung, gerne fair, second hand, oder in Deutschland hergestellt.



    Das geht alles auch in bezahlbar. Keine Ahnung, was wer in HH gerade trägt, aber scheinbar liege ich da nicht so falsch ... .

  • in meiner kindheit (also 50er jahre) waren neugekaufte kleidungsstücke die absolute ausnahme. es wurde gru ndsätzlich errstmal versucht, aus abgelegten erwachsenen-sachen noch was zu machen. das ging b is in meine jugendzeit so weiter. an jedes neugekaufte stück kann ich mich prima erinnern: weil es es super-selten vorkam.



    während meins studiums (honnefer modell, dann bafög), war neugekaufte kleinung nicht möglich. vintage läden gabs noch nicht, dafür kamen flohmärkte auf, ich behalf mich mit einer alten singer +billigsten stoffen.



    da ich sehr jung mein studium beendete, bekam ich sehr wenig anfangsgehalt. da konnte ich mir gerade eben kleidung vom flohmarkt + selbst genähtes leisten (weiter billigste stoffe, schlußverkauf).



    es ging weiter mit abgelegten stücken aus der wenigen verwandschaft.



    als es mir ein wenig besser ging, bekam ich berufsverbot. das wars dann mal wieder mit 1-3 stücke neu kaufen.



    dann usa: dort gabs die heilsarmee-läden usw.



    dort eingedeckt mit dem nötigsten. in den usa während ca. 2 jahren keine stück neu kaufen können.



    auch in den zig jahren danach: kleidung vom flohmarkt, secon-händ-läden seltener, da teurer als flohmärkte.



    wenn ein neues stück, dann aus 1 kl. laden, der fast neue sachen sehr stark verbilligt anbietet (gibts immer noch).

    mittlerweile bin ich 75 + nähe noch immer (meine rente: 1250 euro/mo.),



    wenn ich den faden in die nadel von jemand eingefädelt kriege. da das selten vorkommt, gibts halt nix neues. wozu auch.