piwik no script img

GdP will wegen Corona Parks schließenVersuch der Selbstermächtigung

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Die Gewerkschaft der Polizei vertraut den eigenen Leuten nicht: Sie könnten Parks nicht kontrollieren. Hinter dem Parkverbot steckt etwas Anderes.

Die Polizeigewerkschaft glaubt, sie leide an Kontrollverlust: Gassigehen in einem Berliner Park Foto: dpa

D as Coronavirus hat längst auch gemäßigte Sicherheitspolitiker infiziert. Sie werfen mit kompromisslosen Forderungen um sich, und erschreckenderweise werden diese auch von vielen sonst (oder muss man sagen: früher?) liberal eingestellten Menschen für gut befunden. Bürgerrechte stehen in diesen Tagen hintenan. Hoffentlich wird irgendwann diskutiert, welchen Schaden sie in der Coronakrise genommen haben.

Auch die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP), sonst im Vergleich zur Law-and-Order-Truppe von der Deutschen Polizeigewerkschaft eher als empfänglich für Sachargumente eingestuft, trommelt nun gegen Freiheitsrechte. Sie fordert angesichts absehbar wärmer werdender Tage die Schließung der Parks und Plätze, da sich einige Menschen dort zuletzt nicht an das Kontaktverbot gehalten hätten. Irgendwann wären die Polizisten dort nicht mehr in der Lage, das Kontaktverbot durchzusetzen. Ein bisschen mehr Vertrauen dürfte die GdP in die Fähigkeiten der Polizei eigentlich haben.

Aber es geht ja offensichlich um etwa anderes. Die GdP bezeichnet diese Maßnahme als „alternativlos“ – ein Wort, das ebenfalls in diesen Zeiten Hochkonjunktur hat und mit dem allen, die anderer Meinung sind, die Kompetenz zu urteilen abgesprochen werden soll.

Und es wird noch ein bisschen perfider: Die Gewerkschaft argumentiert, dass die Parks geschlossen werden müssten, um weitergehende Ausgangssperren zu verhindern. Als Drohgebärde malt sie ein Schreckensszenario an die Wand mit Bundeswehrsoldaten an jeder Ecke wie in einerm Bürgerkriegsland. Die Bewegungsfreiheit einzuschränken sei also eigentlich eine gute Sache.

Argumentieren bis zum bitteren Ende

Diese Argumentation lässt sich immer wieder wiederholen mit neuen freiwilligen Beschränkungen; nach und nach würden so alle Freiheitsrechte klein geraspelt, bis am Ende nur noch ein Sicherheitsapparat übrig bliebe. Und das alles freiwillig und von den Bürgern so gewollt. Der große Traum der Polizei.

Wenn jemand von alternativlos schwafelt, sollte man genau hinschauen.

Selbst der Anlass ist konstruiert: Natürlich gab es Beanstandungen in den vergangenen Tagen, aber in überschaubarer Dimension, wie die polizeieigene Statistik zeigt. Innensenator Andreas Geisel (SPD) bescheinigte den BerlinerInnen am Donnerstag im Abgeordnetenhaus, sie hätten sich auch in Parks und Grünanlagen verantwortungsvoll verhalten.

Diesen Vorstoß nicht vergessen

Man sollte also die GdP-Forderung als das im Gedächtnis behalten, was sie ist (auch für die Zeit nach der Krise): ein billiger Versuch der Selbstermächtigung der Polizei.

Die Sportplätze sind schon zu, die Spielplätze auch, Straßen zu autofreien Spielstraßen will die Politik offenbar nicht. Doch Menschen in den dicht bebauten Innenstadtbezirken brauchen auch in dieser Zeit Freiräume und Platz für Sport, sonst werden sie krank und drehen durch. Und das kann selbst die Polizei nicht wollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Herr Schulz, vertreten Sie jetzt nach weiteren Corona-Monaten/-Toten/-Folgenleidenden immer noch Ihre abstruse These, es sei nur um machtgeile „Selbstermächtigung“ gegangen statt um die Gesundheit der Bevölkerung? Hoffentlich nicht.

  • Ich weiss nicht, warum die GdP das macht. Das ist verantwortungslos.

    Wir haben genug Lärm mit unsinnigen Forderungen und Meinungen. Wenn Otto Privatperson so etwas tut mag das noch angehen.

    Wenn ein grösserer Verein das tut, dann sollte es erst mal mit ExpertInnen reden. Das können wir wirklich nicht brauchen.

  • Es ist ja nicht nur die höhere Suizidrate, welche durch die Corona-Pandemie, die damit einhergehenden Freiheits-/ Kontaktbeschränkungen (z. B. alleinstehende Menschen), zu erwarten ist. Konkret wird in diesem Zusammenhang vor häuslicher Gewalt – insbesondere gegen Kinder – gewarnt. Eltern die sich mit dem Kind bzw. mit den Kindern im Park bewegen (Spazierengehen) sorgen für körperlichen und mentalen Ausgleich – diesbezüglich eine gute Prävention. Dies sollte sich die GdP vor Augen führen.

  • Bärendienst für die Volksgesundheit

    Zitat: „Sie fordert angesichts absehbar wärmer werdender Tage die Schließung der Parks und Plätze, da sich einige Menschen dort zuletzt nicht an das Kontaktverbot gehalten hätten.“

    Diese Forderung wäre nicht von größerer epidemiologischer Evidenz als diejenige nach kompletter Einstellung des ÖPNV, in welchen sich in Berlin tagtäglich immer noch 800 000 Menschen dicht an dicht drängeln, ohne daß die Polizei dort auch nur den Versuch unternähme, das Abstandsgebot durchzusetzen. Öffentliche Transportmittel gehören, ganz im Gegensatz zu weiträumigen Parkanlagen, zu den wirkmächtigsten Virus-Ventilatoren.

    Diese GdP-Forderung dürfte dann auch weniger epidemiologischer als polizeistaatlicher Natur sein, läuft sie doch aller medizinischen Rationalität zuwider: „Es ist absolut sinnvoll, Sport zu treiben. Menschen, die ausreichend schlafen, sich gesund ernähren, sich bewegen, haben ein stärkeres Immunsystem. Und im ersten Kampf gegen das Virus ist das Immunsystem extrem wichtig.“ So die Virologin Prof. Ulrike Protzer von der TUM München heute in der FAZ. Müßte daher nicht gerade umgekehrt die Aufforderung eher lauten: Leute, geht nach draußen in die Parks und umliegenden Wälder! Bewegt Euch! Treibt Sport! UV-Strahlen sind ein wirksamer Virus-Killer! Zerstreut Euch! Haltet Abstand, aber bleibt nicht in euren häuslichen vier Wänden hocken, einen der wirkmächtigsten Infektions-Hotspots! (vgl. s. Bundesdrucksache 17/12051 03. 01. 2013).

    Forderungen wie die der GdP mögen die Arbeit der Polizei erleichtern, ohne den Epidemie-Folgen entgegen zu wirken. Eher im Gegenteil. Die Liste der Erlaubnisgründe, seine Wohnung zu verlassen, müßte um den Punkt ergänzt werden: "Stärkung des Immun-Systems"

  • Bürgerrechte stehen zur Zeit hintenan? Nein, das Bürgerrecht auf Leben gebietet zur Zeit gewisse Einschränkungen im Alltag, weil es von einem hochansteckenden Virus gefährdet wird.

    Diese Einschränkungen müssen allerdings verhältnismäßig (!) sein, was auf diese neue Forderung der GdP sicherlich nicht zutrifft. Das ist die alles entscheidende Frage. Wenn sich mehr zu Hause eingesperrte Depressive umbringen als Menschen an Corona sterben, dann sind wir nämlich definitiv übers Ziel hinausgeschossen.

    Bürgerrechte als Abwehrrechte gegenüber dem Staat anzusehen, machte in den sich langsam liberalisierenden Monarchien des 18. und 19. Jahrhunderts Sinn; heute jedoch nicht mehr. Die Freiheit aller zu sichern, ist nämlich die einzige Existenzberechtigung des demokratischen Staates. Weil das Recht auf Leben aber die Grundlage individueller Freiheit ist, sind die derzeitigen Beschränkungen durchaus gerechtfertigt. Das Gleiche gilt für eine Schutzmaskenpflicht; nicht jedoch für das geforderte Absperren von Parks.



    (Siehe dazu auch: Karl Albrecht Schachtschneider, Freiheit in der Republik, Duncker & Humblot, Berlin 2007, Seite 351)

    Naja, und was das Wort "alternativlos" betrifft: Das sollte uns tatsächlich aufhorchen lassen. Denn zur Alternativlosigkeit gibt es immer eine Alternative: das eigenständige Nachdenken freier Bürger*innen.

    • @Smaragd:

      Zitat @SMARAGD: „Wenn sich mehr zu Hause eingesperrte Depressive umbringen als Menschen an Corona sterben, dann sind wir nämlich definitiv übers Ziel hinausgeschossen.“

      ...oder das falsche Ziel anvisiert.