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Gastprofessur für Documenta-KuratorenOffenbar keine Zweifel

Auf der Documenta stand das Kollektiv ruangrupa im Fokus des Antisemitismus-Skandals. Trotzdem treten zwei Mitglieder in Hamburg nun Professuren an.

Iswanto Hartono und Reza Afisina im November 2021 im Reinhardswald bei Kassel Foto: Peter Hartenfelser/imago

BERLIN taz/dpa | Am Mittwoch beginnt an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) das Wintersemester. Mit einem Vortrag über „Kunst und Governance“ wird es der Kulturwissenschaftler Tom Holert einleiten und damit seine temporäre Professur an der HFBK antreten. Auch Reza Afisina und Iswanto Hartono werden sich dann als Gastprofessoren vorstellen. Ihre Namen hat man in den letzten Monaten häufig gehört. Beide sind Mitglieder von ruan­grupa, dem Kuratorenkollektiv der von Antisemitismus-Vorwürfen belasteten documenta fifteen.

Als kürzlich die Gastdozentur der beiden ruangrupa-Mitglieder in Hamburg publik wurde, gab es viel Unverständnis. Jetzt äußerte auch Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) Kritik an der Personalie. Ruangrupa „stehen in der Verantwortung, die Antisemitismusvorwürfe aufzuklären“, betont Fegebank. Es dürften keine offenen Fragen im Raum stehen, wenn Afisina und Hartono in Hamburg lehren sollen. Die Wissenschaftsbehörde soll bereits Gespräche mit der HFBK führen.

Doch HFBK-Präsident Martin Köttering sowie die Vizepräsidentin Bettina Uppenkamp haben keinen Zweifel an der Gastprofessur von Afisina und Hartono, das stellen sie in einem kürzlich auf der Website der Hochschule veröffentlichten Interview klar. „Es wäre ein Fehler“, sagt Uppenkamp, „sie aufgrund des massiven medialen Drucks wieder auszuladen.“

Nachdem ruangrupa-Mitglieder im Oktober 2021 an der Hamburger Hochschule einen Gastauftritt hatten, stellte die HFBK im Januar beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) einen Antrag auf die Dozentur. „Wir bemühen uns bereits seit einigen Jahren darum, Positionen des Globalen Südens einzuladen“, begründet Köttering die Antragstellung. Im April 2022, als schon öffentlich über mögliche antisemitische Inhalte auf der documenta diskutiert wurde, stimmte eine Kommission des DAAD dem Antrag der HFBK zu. Auf taz-Anfrage, wer in dieser Kommission saß, verweist der DAAD auf eine mehrere hundert Namen lange Liste all seiner berufenen Experten.

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6 Kommentare

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  • Und da sind sie wieder: die "Positionen des Globalen Südens“. Die sich ja, wie uns die Dokumenta eindrücklich gezeigt hat, nicht wirklich von den Positionen, oder besser: den Ressentiments einschlägiger politischer Milieus in unseren Breitengraden unterscheiden.

  • „Es wäre ein Fehler“, sagt Uppenkamp, „sie aufgrund des massiven medialen Drucks wieder auszuladen.“



    Das ist genau die Haltung, die zu dem Desaster der Dokumenta geführt hat.



    Anstatt Antisemitismus zu thematisieren, weil es genau darum geht, geriert man sich als Held der (Kunst-)Freiheit, der "medialem Druck" widersteht.

  • Heutzutage zählt Antisemitismus im Kunst- und Universitätsbetrieb zu den soft skills, die Bewerber auszeichnen können.

    • @Jim Hawkins:

      Wie weit verbreitet ist der antisemitische BDS in der Gesellschaft verbreitet?

      • @Christoph Strebel:

        Nicht besonders weit würde ich mal sagen.

        Die Gruppe der BDS-Aktivisten ist nicht besonders groß, aber vergleichsweise wirkmächtig.

        Nicht in der Gesamtgesellschaft, aber eben im Kunst- und im geisteswissenschaftlichen Universitätsbetrieb. Nicht in dem Maße wie etwa in den USA, aber diese Ideologie ist auf dem Vormarsch.

        Die Documenta ist in diesem Zusammenhang ein Meilenstein und dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist, sieht man an diesen Gastprofessuren.

    • @Jim Hawkins:

      Vielleicht tut sich da noch etwas; zumindest hat die Kultursenatorin dort Bedenken geäußert.