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Gastkommentar vor dem SPD-ParteitagVerbeamtung löst nicht das Problem

Kommentar von Annika Klose

Am Wochenende will sich die SPD auf eine Linie zur Lehrerverbeamtung verständigen. Die Juso-Vorsitzende hält davon nichts.

Sollten Lehrerinnen und Lehrer wieder Beamte werden können? Darüber streitet die SPD Foto: dpa

D ie Not des Fachkräftemangels im Berliner Schulbetrieb ist groß – und guter Rat zur Linderung des Problems entsprechend teuer. Die Wiedereinführung der Verbeamtung wird die Personallücke in Berlin jedoch nicht schließen können. Zum einen herrscht auch in den 15 Bundesländern, die eine Verbeamtungsoption bieten, Fachkräftemangel.

Dies legt den Schluss nahe, dass die Verbeamtung eher nicht der gesuchte Schlüssel zur Lösung des Problems sein kann. Zum anderen würde Berlin mit der Wiedereinführung der Verbeamtung eine langfristig sehr teure Maßnahme ergreifen, obwohl nicht einmal belegt ist, dass die Lehrkräfte, die aus Berlin abwandern, aufgrund der fehlenden Verbeamtungsoption kündigen. Zudem würde die Verbeamtung zwar einer gewissen Gruppe zugutekommen, jedoch gleichzeitig mehrere Tausend Lehrkräfte ausschließen – nämlich jene, die aufgrund ihres Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder mangels deutscher Staatsbürger*innenschaft nicht verbeamtet werden können. Das ist ungerecht.

Um im bundesweiten Wettbewerb um Lehrkräfte bestehen zu können, muss Berlin als Arbeitgeber attraktiver werden. Dazu sind andere Maßnahmen sinnvoller und notwendiger. Da die übrigen Bundesländer ihre Lehrkräfte verbeamten, wäre die Wiedereinführung der Verbeamtung für Berlin kein Wettbewerbsvorteil. Eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Berlin für alle Lehrkräfte wäre dies jedoch schon.

Die Frage der Verbeamtung führt an einer Lösung der zentralen Herausforderungen und täglichen Probleme in unseren Schulen und Klassenzimmern vorbei. Das Kernproblem liegt in der Überlastung der Berliner Lehrer*innen. Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter*innen brauchen konkrete Entlastung, Wertschätzung und mehr Unterstützung. Dazu gehören beispielsweise die Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung, Arbeitsentlastungen für korrekturlastige Fächer, die Entlastung von bürokratischen Aufgaben, die Einführung von Lehrkraftassistent*innen, eine Wohnungsgarantie für Berliner Lehrer*innen in landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und der Ausbau von Leitungs- und Fachstellen.

Indem wir mit diesen Maßnahmen die Situation aller Lehrkräfte verbessern, bauen wir den Berliner Schuldienst so zum Leuchtturm für gute Arbeit und Bildung aus und können damit sogar zusätzliche Fachkräfte von Berlin überzeugen.

Annika Klose, Jahrgang 1992, ist seit Oktober 2015 Landesvorsitzende der Jusos Berlin.

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3 Kommentare

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  • Die Verbeamtung beseitigt nicht die Krise aber sie ist ein sinnvolles Mittel gegen Abwanderung relativ junger gut ausgebildeter Lehrkräfte. Wer hier Zahlen braucht der gebe „847 Lehrer“ in seine Lieblingssuchmaschine ein (und das ist nur ein Teil).



    Die angesprochene Ungerechtigkeit besteht übrigens schon seitdem Lehrer in Berlin nicht mehr verbeamtet werden und sie wird auch weiterhin bestehen, solange Quereinsteiger und PKB-Kräfte im jetzigen Umfang rekrutiert werden. Auch bundesweit kann es als ungerecht angesehen werden, dass nur in Berlin Lehrer nicht verbeamtet werden.



    Auch was die Kosten angeht gibt es Rechenmodelle die eine Wiederverbeamtung für ein „Gebot der wirtschaftlichen Vernunft“ halten (siehe: Fahlbusch, Volbracht, Harm Pörksen).



    Die anderen vorgeschlagenen Maßnahmen sind sinnvolle Projekte für die Zukunft, verhindern aber nicht die aktuelle Abwanderung.

  • Dass dieser Kommentar von der Landesvorsitzenden der Jusos kommt, macht mir Angst für die Zukunft.

    Es geht bei der Verbeamtung nicht um einen Wettbewerbsvorteil, sondern darum, einen Wettbewerbsnachteil abzuschaffen. Dass Berliner Tarifbeschäftigte und Beamt_innen sowieso weniger verdienen, kommt noch dazu.

    Und die Antwort darauf soll sein, nicht nur zweitklassige (ohne Pädagogikstudium), sondern nun auch noch drittklassige Lehrer als "Lehrkraftassintent_in" einzustellen? Wo sollen die herkommen? Genug Erzieher gibt es ja auch nicht-

    So funktioniert ein Arbeitsmarkt nun mal: wenn die geeigneten Arbeitnehmer knapp sind, muss der Arbeitgeber tiefer in die Tasche greifen. Das sollte eine Sozialdemokratin nicht schlimm finden.

    Die Verbeamtung wäre auch nicht ungerecht. Jemanden nicht zu verbeamten, der die Voraussetzungen nicht erfüllt, ist genauso wenig ungerecht wie jemandem keinen Führerschein zu geben, der keine Fahrprüfung bestanden hat. Dieses Argument ist schlicht falsch.

    Um die Unterrichtsverpflichtung zu reduzieren und Arbeitsentlastung zu schaffen, braucht man - noch mehr Lehrer! Da beisst sich Frau Kloses Katze in den Schwanz.

    Bei dem Leuchtturmgerede steigt in mir langsam die Panik hoch. Das letzte Mal, als die SPD mit den Linken Leuchtturmpolitik betreiben wollte, haben sie das Bildungssystem in den Abgrund gestürzt. Manches wurde wieder revidiert, aber die Lebensläufe der betroffenen Kinder sind verpfuscht. Manches blieb aber auch. So gibt es bis heute keine Vorschulen mehr.



    Bitte keine Leuchttürme mehr, den Kindern zuliebe.

    Die Krönung ist die Wohnungsgarantie. Alle prügeln sich in Berlin um Wohnungen, aber diejenigen, die ohnehin mit E 13 gut bezahlt werden, sollen privilegiert an günstige Wohnungen kommen. Und das nennt sich SOZIALdemokratie???

  • Nunja, mit einer möglichen Wiedereinführung der Verbeamtung hat Berlin möglicherweise keinen Vorteil, es wird jedoch ein erheblicher Nachteil ausgeglichen. Es ist schon sehr aussagekräftig, dass die berliner Bevölkerung stetig wächst, nur ausgerechnet bei den gut ausgebildeten Lehrern eine stetige Abwanderung festzustellen ist.

    Weiterer erheblicher Nachteil ist sicherlich die besondere "Berliner Mischung" bei den Schulkindern. Wie möchte Berlin dieses Problem angehen? Die Gentrifizierung beschläunigen?

    Letztlich dürfte auch ein ganz erheblicher Nachteil die berliner Politik, insbesondere der Schulsenat und die Schulverwaltung sein. Dieser Nachteil könnte wahrscheinlich nur behoben werden, indem Berlin unter direkte Bundesverwaltung gestellt wird.

    Bei alledem sollte man dann doch zunächst mal mit der Verbeamtung anfangen und hinsichtlich des verbleibenden Restes - beten.