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Gastkommentar EuGH-Urteil zu CetaDa können Investoren nur jubeln

Kommentar von Alessa Hartmann

Das Handelsabkommen enthält Klagemöglichkeiten für Konzerne, aber keine verbindlichen Pflichten zur Einhaltung der Menschenrechte.

Soll vom Ceta-Akommen profitieren: Das Container-Terminal in Bremerhaven Foto: dpa

6 ,1 Milliarden Euro Schadensersatz fordert Vattenfall vor einem internationalen Schiedsgericht von Deutschland. Der Atomausstieg habe die zukünftigen Gewinne des Konzerns zunichtegemacht, so das Argument des Energieversorgers. Das Handelsabkommen mit Kanada (Ceta) enthält ebensolche Klagerechte für Konzerne vor Schiedsgerichten. Der Europäische Gerichtshof hat sie Ende April für rechtens erklärt. Wenn die europäischen Mitgliedstaaten dem Abkommen zustimmen, dann könnten weitere Milliardenklagen nach dem Muster von Vattenfall folgen.

Der EuGH ist mit seinem Gutachten auf der Linie der EU-Kommission, die sich um eine Neugestaltung und Ausweitung von Konzernklagerechten bemüht. Dadurch werden die Rechte transnationaler Unternehmen weiter gestärkt, statt ihnen verbindliche Pflichten aufzuerlegen, um die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren. Umso ungerechter, da ArbeitnehmerInnen und VerbraucherInnen keine exklusiven Klagemöglichkeiten erhalten, wenn ihre Rechte verletzt werden.

Zudem können Staaten durch drohende Entschädigungszahlungen abgeschreckt werden, fortschrittliche Politik zu machen. Der EuGH erkennt die Möglichkeit einer solchen abschreckenden Wirkung durch Konzernklagerechte an. Gleichzeitig meint er, dass weitere Klauseln des Vertrags ausreichend davor schützten. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Investoren oft nur mit Klagen drohen müssen, damit der Staat Regulierungen abschwächt oder zurück nimmt.

Ceta enthält keine klaren Regeln, nach denen Investoren Schadensersatz zugesprochen wird. Die Richter*innen am Ceta-Schiedsgericht können sehr frei auslegen, wann „offenkundige Willkür“ vorliegt und der Investor entschädigt werden muss. Kanadische Bergbauunternehmen bejubeln Ceta deswegen als „bahnbrechend“. „Herausragend“ finden sie die Investor-Staat-Klagerechte in Ceta.

Alessa Hartmann

ist Expertin für Handels-und Investitionspolitik bei PowerShift e. V. und Mitglied im Koordinierungskreis des Netzwerkes Gerechter Welthandel.

Ceta ist kein gutes Muster für zukünftige Handelsabkommen. Auch die Reformen ändern nichts am Kern dieses Systems, das zutiefst ungerecht ist.

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16 Kommentare

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  • Schiedsklauseln sehe ich aus eigener Erfahrung ebenfalls kritisch.



    Massgeblich ist aber, was materiell vereinbart wurde. Wird Vattanfall ein Entschaedigungsrecht zugebilligt, dann dann wuerde das auch vor einem ordentlichen Gericht bestaetigt werden, und umgekehrt aehnlich.



    Die Bundesregierung und wohl auch Herr Trittin haben aber auch versagt, indem sie im Zuge des Entsorgungsgeschenks an die Atomwirtschaft nicht saemtliche weiteren Ansprueche ausgeschlissen haben.

    • @meerwind7:

      Was hat Trittin damit zu tun?

  • Die Politik ist käuflich, mehr ist dazu nicht zu sagen!

  • 9G
    93350 (Profil gelöscht)

    Es geht in diesem Teil der EU Politik NUR um Konzerninteressen, so dass die Möglichkeiten der Gemeinschaften weiter abgeschwächt werden. Wir bewegen uns weiter in Richtung EKU (Europäische Kotz(Konzern) Union). Die Börse der Gierigen, greift mit CETA und TTIP demnächst nach allen Ressourcen, die Menschen zum Leben benötigen, und kann es auch noch einklagen.

  • CETA, TTIP, alles Nonsens und für Menschen und Umwelt viel zu gefährlich. Weiter dagegen protestieren!

    • 6G
      64984 (Profil gelöscht)
      @Gerhard Krause:

      Vor allem keine Partei mehr wählen, die dem zugestimmt haben. Und zwar solange nicht mehr, solange CETA, JEFTA etc. Gelten, also mindestens die nächsten 25 Jahre.

  • Was hat das jetzt spezifisch mit CETA zu tun?



    E-on klagt doch auch. Unabhängig vom Urteil. Auch wegen der Brennelementesteuer.



    Und wie sollen Konzerne die Menschenrecht einhalten (?)... wenn der jeweilige Staat das nicht kontrolliert oder durchgesetzt bekommt.



    Und auch sonst: Auch in DE gibts Verträge die von Schiedsgerichten überprüft werden anstatt Gerichten.



    Sogar das EEG und die Eneuerbare Stromeinspeisung wird von der Clearingstelle entschieden, nicht vor einem ordentlichen Gericht... usw.

    Oft wenn das Nordamerikanische Ausland ins Spiel kommt wird verkappt-nationalistisch argumentiert.

    • @Tom Farmer:

      Und was hat das spezifisch nicht mit CETA zu tun?

      Ich persönlich verbitte mir solch "ungesetzliche" "Richter".

      • @Gerhard Krause:

        Zunächst mein Hinweis: Sätze des anderen nachzuäffen bringt kein Argument.

        Und dann noch: Das sind keine ungesetzlichen Richter sondern man einigt sich im Vollbesitz seiner gesitigen Kräfte (also hoffentlich) bereits bei Vertragsunterschrift darauf, keine ordentlichen Gerichte anzurufen sondern ein Schiedsgericht weil man im Sinne des Vertrags sich beidseitig Vorteile verspricht; und man das Schiedsgericht sogar gegenseitig vorab vereinbaren kann.



        Also wo ist das Problem? Und überhaupt: Haben Sie den Eindruck, das Rechtssprechuchung bei Gerichten immer so eindeutig und richtig ist, dass das stets anerkannt wird?

        • @Tom Farmer:

          Nur mal so: Gerhard Krause äfft nicht etwa Ihren Satz nach, er stellt eine Gegenfrage, indem er sich auf Ihre einleitende Frage bezieht.



          Nebenbei hat er völlig recht.

        • @Tom Farmer:

          Zunächst mein Hinweis: Ich bin ein total süßer Affe.

          Im Übrigen... wenn sich zwei Perlen menschlichen Daseins, also zwei Fürsten, Verzeihung, Unternehmer oder (befugte) Unternehmensvertreter, darauf einigen - ob Einigkeit ein zwingender Beleg für geistige Gesundheit ist, stelle ich streitig - sich ohne richterlichen Spruch gegenseitig auf die Lippen zu boxen, dann mag das noch zumindest vertretbar sein. Wenn das Öffentliche, hier behaupte ich, dass ich dazugehörig bin, ausgeprügelt werden soll, verlange ich von meiner Regierung, das habe ich mir zB über Campact, bitte nicht mit Compact verwechseln, erlaubt, dass die staatlichen Gerichte mit der Streitsache befasst werden. Eine Regelung zur nachgewiesenen Förderung der Gesundheit kann vor einem staatlichen Gericht, hier meine ich Deutschland, nicht zu einem Schadensersatzanspruch führen. Da hat auch noch der Unternehmer das, woraus er seine Überlegenheit ableitet, Risiko.

          Vereinbarungen mit gemeinhin Privaten, die den Staat zu Schadensersatz ihnen gegenüber, insbesondere in Milliardenhöhe, verpflichten können, sind Raubrittertum wie zB CumEx pp., "[...] basta [...]" (frei nach dem "Äffchen" Dr. G. Schröder).

          • @Gerhard Krause:

            Und was hat jetzt ein illegales Steuerbetrugsgeschäft wo derzeit juristische Verfahren und Anklagen vorbereitet werden mit Ceta oder Schiedsgerichtsbarkeit zu tun?



            Nix, gell, aber mal so als ARgument hingeworfen. Wieso eigentlich?

  • Wie viele Schiedsgerichtsabkommen hat Deutschland mit den verschiedensten Staaten geschlossen? ich glaube es sind so an die 100. Aber mal im Ernst, wer würde sonst in Pakistan oder Bangladesh investieren......

    • @Bernhard Hellweg:

      auch da braucht man keine Schiedsgerichte...Man könnte vertraglich einfach festlegen: Ich investiere in deinem Land, dafür erkennst du an das der Gerichtsstand an Ort X gemäß Gesetzeswerk Y ist. Dann hat man aber ein ordentliches Gericht und nicht ein paar Anwälte mit Gewinnbeteiligung.

      • @danny schneider:

        Danke, richtig.

    • @Bernhard Hellweg:

      Warum sollte es die übrigen Menschen jucken, denn argumentieren Unternehmen nicht immer mit ihrem (angeblichen) Risiko, wenn Sie die Machtlosen über den Tisch ziehen? ;-)