Gaslieferungen aus Russland: Putins Rubel-Trick mit Schlupfloch
Wie von Moskau angedroht, muss jetzt russisches Gas in Rubel bezahlt werden. Die Umsetzung kommt aber der EU zugute – vorerst.
Die Drohung ist nicht neu, aber es gibt nun ein Schlupfloch: Die importierenden Unternehmen können während der voraussichtlich einmonatigen Übergangsfrist ein Konto bei der Gazprombank eröffnen, die zum gleichnamigen russischen Staatskonzern gehört. Wenn sie dort in Euro oder Dollar einzahlen, wie in ihren Verträgen mit Gazprom vorgesehen, tauscht die Bank die Währung in Rubel um. Die Rubel kauft sie an der russischen Börse. An den Zahlungen ändert sich also nichts, der Umtausch findet auf russischer Seite statt.
Dass den Importeuren dieser Umweg erlaubt wurde, ist wohl ein Versuch der Gesichtswahrung Putins. Die G7-Staaten hatten sich geweigert, ihr Gas direkt in Rubel zu bezahlen, weil sie diese bei der Russischen Zentralbank hätten kaufen müssen. Damit würden sie ihre Sanktionen unterlaufen, aber vor allem der Zentralbank die Macht verleihen, den Umtauschkurs festzulegen. Die Gazprombank ist dagegen von den Sanktionen ausgenommen, weil sie die Gaslieferungen mit abwickelt. Ohnehin musste Gazprom 80 Prozent der eingehenden Euro- oder Dollar-Zahlungen in Rubel umtauschen. Dass es jetzt 100 Prozent sind, wird sich daher nicht maßgeblich auf die Stabilität des Rubel auswirken.
Unklar bleibt, wie die Gebühren der Kontoeröffnung und -führung und der genaue Wechselkurs ausgestaltet sind. Die Ökonomin Hella Engerer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hält es für eher unwahrscheinlich, dass die russische Zentralbank der Gazprombank den Wechselkurs vorschreibt. Denn genau das war ja der Streitpunkt, der nun dem Vernehmen nach – sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hatten von einer Einigung berichtet – ausgeräumt ist.
Wirtschaftsministerium denkt über Enteignungen nach
Während der sich ständig ändernden Bedingungen für den Gaseinkauf arbeitet das Bundeswirtschaftsministerium an Plänen, ob und wie eine Enteignung deutscher Tochterfirmen russischer Energiekonzerne umzusetzen ist. Das berichten Handelsblatt und Bloomberg unter Berufung auf Insiderkreise. Die Gazprom-Tochter Wingas hat Bloomberg zufolge Probleme, neue Verträge zu schließen. Außerdem schieben einige Banken Überweisungen an das Unternehmen auf. Im Falle einer Zahlungsunfähigkeit will das Ministerium sicherstellen, dass die Versorgung gesichert ist: Wingas beliefert 20 Prozent des deutschen Gasmarkts.
Ökonomin Engerer weist darauf hin, dass Gazprom und Rosneft aufgrund ihrer großen Marktmacht die Möglichkeit hätten, den Energiemarkt noch weiter zu destabilisieren. Darauf bereite sich die Bundesregierung nun vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?
Argentiniens Präsident Javier Milei
Schnell zum Italiener gemacht
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?