GSG 9 im Mehringhof

■ Bei einer Großrazzia mit 1.000 Beamten nimmt die Bundesanwaltschaft zwei Mitarbeiter des Kreuzberger Szeneprojekts fest. Sie sollen Mitglieder der „Revolutionären Zellen“ sein

Zum ersten mal in seiner 20jährigen Geschichte erhielt der Kreuzberger Mehringhof gestern morgen Besuch von der GSG 9. In einem großangelegten Polizeieinsatz durchsuchten die schwarzvermummte Spezialeinheit sowie weitere Polizeieinheiten das Szeneprojekt in der Gneisenaustraße nach Waffen und Sprengstoff. Gleichzeitig nahmen Beamte der Bundesanwaltschaft (BAW) zwei Mitarbeiter von Projekten des Mehringhofs in ihren Wohnungen fest. Eine weitere Festnahme fand in Frankfurt am Main statt.

Die Berliner Axel H. (49) und Harald G. (51) sowie die 53-jährige Frankfurterin Sabine Barbara E. werden verdächtigt, Mitglieder der Revolutionären Zellen/Rote Zora (RZ) und damit Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein. Sabine Barbara E. und Harald G. wird zudem ein Sprengstoffsanschlagzur Last gelegt. Sie sollen im Februar 1987 an einem Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber in Berlin beteilgt gewesen sein.

Nach BAW-Angaben soll es Hinweise gegeben haben, dass Axel H. im Mehringhof ein Sprengstoffdepot der RZ betreuen soll. Sprengstoff sei aber nicht gefunden worden, musste die Sprecherin des Generalbundesanwalts, Eva Schübel, einräumen. Insgesamt waren bei den Einsätzen 1.000 Beamte von BAW, Bundeskriminalamt (BKA), BGS und der Berliner Polizei im Einsatz.

Die Beamten waren gegen sechs Uhr morgens in den Mehringhof eingerückt, in dem rund 35 alternative Projekte arbeiten. Bei der Durchsuchung sind nach Angaben der Projekte Schäden von weit über 100.000 Mark entstanden. „Die haben diverse Verkleidungen abgerissen, um an Hohlräume ranzukommen“, berichtete ein Augenzeugin. In diesen Räumen vermuteten die Ermittler offenbar Verstecke für Sprengstoff und Waffen.

Vor dem Mehringhof versammelten sich im Laufe des Nachmittag rund hundert Demonstranten. Immer wieder kam es zu Rangeleien mit der Berliner Polizei. Die Beamten gingen dabei mit Fäusten auf die Protestierenden los. Mindestens zwei Frauen wurden festgenommen.

Als die Durchsuchung am frühen Morgen begonnen hatte, feierte eine Gruppe Latinos eine Party. Die Gäste sahen sich plötzlich einer Einheit vermummter Beamter gegenüber. „Bei der Aktion haben wir rund 20 angetrunkene Personen angetroffen“, bestätigte ein BKA-Sprecher. Diese hätten aber mit den RZ-Ermittlungen nichts zu tun gehabt und seien nach der Personalienfeststellung freigelassen worden. Augenzeugen hingegen berichteten, mehrere Partygäste seien stundenlang festgehalten und in Polizeifahrzeugen abtransportiert worden.

Sabine Barbara E. soll nach Angaben der BAW an zwei, Harald G. an einem weiteren Anschlag beteiligt gewesen sein. Gemeinsam sollen sie im September 1987 an einem Anschlag auf den damaligen Vorsitzenden Richter des Bundesverwaltungsgerichts, Günter Korbmacher, in Lichterfelde beteiligt gewesen sein. Korbmacher war damals durch Schüsse am Bein verletzt worden.

Sabine Barbara E. soll außerdem an einem Anschlag auf den ehemaligen Leiter der Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, mitgewirkt haben, dem im Oktober 1986 in Zehlendorf in die Beine geschossen worden war. Beide Taten sind als Körperverletzungsdelikte aber bereits verjährt.

An diesen Anschlägen soll auch Rudolf Schindler beteiligt gewesen sein. Schindler wurde bereits im Oktober festgenommen und sitzt derzeit in U-Haft. Er soll gemeinsam mit Hans-Joachim Klein wegen des Anschlages auf die Opec-Konferenz in Wien im Jahr 1975 vor Gericht gestellt werden.

Die gestrigen Festnahmen sind die dritte Aktion der BAW innerhalb weniger Wochen gegen mutmaßliche Mitglieder der RZ. Im November wurde der 40-jährige Berliner Tarek M. festgenommen.Sabine am Orde,
Richard Rother