GEW zur Wissenschaftlerförderung: „#IchBinHanna wird weitergehen“

Das Forschungsministerium plant bessere Verträge für Wissenschaftler:innen. Die Vorschläge aber seien viel zu schwach, sagt GEW-Vize Andreas Keller.

Demonstrant:innen mit einem Plakat auf dem steht "12 Überstunden dauerhaft befristet?"

2019 demonstrierten Wis­sen­schaft­le­r:in­nen gegen den Befristungswahn. Daran ändert sich wohl wenig Foto: Björn Kitzmann

taz: Herr Keller, fast alle Wissenschaftler:innen, die keine Professur haben, arbeiten auf befristeten Stellen. Die Ampel hat Vorschläge vorgelegt, um das zu ändern. Kommt nun die Trendwende?

Andreas Keller: Nein. Die Ampelkoalition will zwar die Höchstbefristungsdauer für Qualifizierungen von derzeit 12 auf 9 Jahre reduzieren. Aber es gibt keinerlei Vorgaben für Hochschulen und Forschungseinrichtungen, danach Dauerstellen anzubieten oder zumindest Entfristungszusagen zu machen.

ist stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Schon 2010 legte die GEW mit dem „Templiner Manifest“ Forderungen für bessere Arbeit in der Wissenschaft vor. Keller ist der Kopf dieser Kampagne, die Dauerstellen für Daueraufgaben fordert.

Aber immerhin soll Dok­to­ran­d:in­nen nun eine Mindestvertragslaufzeit von 3 Jahren angeboten werden. Das ist doch was, oder?

Das ist ein erster Schritt. Bislang steht im Gesetz nur „angemessene Laufzeit“. Jetzt haben wir immerhin eine konkrete Zahl, die allerdings zu niedrig ist. Die durchschnittliche Promotionszeit liegt bei 5,7 Jahren.

Die soll so ins Gesetz?

Wir fordern eine Laufzeit von mindestens 4 Jahren und zwar verpflichtend

Was spricht dagegen?

Die Lage: Über 190.000 Wissenschaftler:innen und Künstler:innen arbeiten laut aktuellem BUWIN hauptberuflich im Mittelbau der Hochschulen, 85 Prozent von ihnen auf befristeten Stellen. Kettenbefristungen sind die Regel. Das erlaubt das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Die Ampel verspricht mehr „Planbarkeit, Verlässlichkeit und Transparenz“ und hat Vorschläge zur Reform vorgelegt.

Die Reform: Erstverträge für Doktorand:innen sollen eine Laufzeit von mindestens drei Jahren haben, promovierte Beschäftigte maximal drei Jahre befristet beschäftigt werden können. Studentische Beschäftigte sollen für mindestens ein Jahr angestellt werden. (ale)

Der Wunsch der Arbeitgeber flexibel mit ihren Beschäftigten umzugehen. Also sie dauerhaft in Probezeit anzustellen. Hinzu kommt, dass die Hochschulen und Forschungseinrichtungen weiterhin gar nicht verpflichtet sind, eine Qualifizierung im Sinne einer Promotion anzubieten. Dafür wäre es erforderlich gewesen, den Qualifizierungsbegriff im Gesetz genauer zu definieren.

Wer die Promotion abgeschlossen hat, darf nun maximal drei statt bislang sechs Jahren befristet beschäftigt werden. Und danach – Dauerstelle oder Kündigung?

Ich fürchte, für die allermeisten wird es nicht weitergehen. Die Erfahrung zeigt, dass die Hochschulen freiwillig keine Dauerstellen anbieten, sofern sie dazu nicht rechtlich verpflichtet sind. Die Hochschulen könnten dazu übergehen verstärkt Lehrbeauftragte zu rekrutieren oder Personal über Drittmittel zu beschäftigen. Stellen, die nicht aus Haushaltsmitteln finanziert werden, dürfen weiterhin befristet ausgeschrieben werden.

Aber es gibt doch die Möglichkeit über befristete Juniorprofessuren verlässlich auf eine ordentliche Professur zu gelangen?

Im Rahmen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ist das nicht zulässig. Für die Juniorprofessuren sind die Länder zuständig. Es gibt allerdings nur sehr wenige solcher Juniorprofessuren, und die meisten haben keinen Tenure Track, führen also allenfalls zufällig zur Dauerstelle.

Aber die Aufgaben sind ja da, die Unis brauchen die wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen. Wieso lassen die sich das alles gefallen. Gibt es einfach zu viele, die in die Wissenschaft wollen?

Nein. Einige Fächer, etwa im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) oder in den Bildungswissenschaften haben jetzt schon Probleme, Leute für die vielen Kurzzeitverträge zu bekommen. Auch die Hochschulen spüren mittlerweile den Fachkräftemangel. Der wird sich verschärfen, denn in der Industrie verdient man deutlich besser und kann verlässlicher planen. Die Hochschulen müssen umdenken, und der Gesetzgeber muss sie dazu zwingen.

Die Gewerkschaftsforderung Zeitverträge nach der Promotion ganz abzuschaffen, wollte die Ampel dennoch nicht aufgreifen. Warum nicht?

Wir fordern lediglich für Postdocs keine Verträge ohne Entfristungszusage abzuschließen, also die Möglichkeit entfristet zu werden, wenn man bestimmte Ziele erreicht. So ist es auch in Berlin geregelt. Es wurde behauptet, das ginge auf Bundesebene nicht. Das sehen wir anders: Der Bund ist für das Arbeitsrecht zuständig. Es fehlte einfach der politische Wille.

Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft behauptet, zu viele Dauerstellen würden den wissenschaftlichen Austausch behindern und talentierten Nachwuchs in andere Länder treiben. Hat er recht?

Die Arbeitgeber wollen am liebsten unbegrenzte Befristungsmöglichkeiten haben. Tatsache ist, im Ausland sind wissenschaftliche Karrieren deutlich früher und besser planbar als bei uns. Im britischen Modell hat man sehr viel früher eine Dauerstelle und kann dann aufsteigen. Wir gehen in Deutschland einen Sonderweg, den wir überwinden müssten.

Der Regierungsentwurf soll voraussichtlich noch vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden. Was plant die GEW bis dahin?

Wir laden am 29. März alle Betroffenen zu einem öffentlichen Townhall-Meeting ein, wo wir den Gesetzentwurf bewerten und eine Strategie diskutieren, damit es doch noch zu einer echten Reform kommt.

#IchBinHanna, die Bewegung, welche Betroffene in sozialen Medien gegründet haben, lebt weiter?

Auf jeden Fall. Ich habe der Ampel immer gesagt, wenn es keine echte Reform gibt, dann wird es eine zweite #IchBinHanna-Bewegung geben. Und die scheint gerade schon anzulaufen. Die Ampelkoalition wollte sich nicht mit den Hoch­schul­rek­to­r:in­nen anlegen. Dafür legt sich jetzt mit hunderttausenden Beschäftigten im Hochschul- und Forschungsbereich an.

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