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G8-Gipfel in HeiligendammSpitzeleinsatz war rechtswidrig

Der Klimaaktivist Jason Kirkpatrick wurde 2007 vor dem G8-Gipfel von einem Polizeispitzel ausgespäht. Nun erklärt ein Gericht: Das war illegal.

Wurde unrechtmäßig bespitzelt: Jason Kirkpatrick vor dem Verwaltungsgericht in Schwerin im Januar Foto: Ulrich Perrey/dpa

Berlin taz | Fünf Jahre hatte der Klimaaktivist Jason Kirkpatrick einen Freund an seiner Seite, der in Wahrheit ein Spitzel war: Mark Kennedy, Teil der britischen Polizei. Zusammen beteiligten sie sich an Umweltprotesten, besprachen Gegenaktionen zu den G8-Gipfeln in Gleaneagles 2005 und Heiligendamm 2007. Bis Kennedy 2010 von Ak­ti­vis­t:in­nen enttarnt wurde. Nun erklärte das Verwaltungsgericht Schwerin: Zumindest der Spitzeleinsatz in Heiligendamm war rechtswidrig.

Kirkpatrick, ein 53-jähriger Deutschamerikaner, hatte bereits vor sechs Jahren eine Klage gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern eingereicht, um feststellen zu lassen, dass der Einsatz des Polizeispitzels illegal war. Am Montagnachmittag ging das Verfahren mit einem Vergleich zu Ende. Das Gericht stellte dabei laut einer Sprecherin „die objektive Rechtswidrigkeit des Einsatzes“ fest, da es für Kennedys Aktivitäten damals keinen richterlichen Beschluss gegeben habe.

Gleichzeitig verwies das Gericht auf offene Rechtsfragen und die schwierige Beweislage in dem Fall – weshalb sich Kirkpatrick und das Land auf den Vergleich einigten.

Ministerium veweigerte Akten aus Geheimschutz

Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern gab an, über Kirkpatrick keine Daten mehr gespeichert zu haben. Laut Gericht konnte nicht mal geklärt werden, ob dort überhaupt Daten über ihn gespeichert wurden. Bei anderen Aktenbestandteilen weigerte sich das Land aus Geheimschutzgründen, diese dem Gericht vorzulegen. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte das in einer Zwischenentscheidung für im Wesentlichen rechtmäßig erachtet. Der genaue Auftrag des Polizeispitzels Kennedy sei so aber nicht mehr zu rekonstruieren gewesen, befand das Gericht.

Auch das Ansinnen, Kennedy selbst vorzuladen, scheiterte – hier wiederum an einer verweigerten Aussagegenehmigung der britischen Polizeibehörde. Gleiches galt für Kennedys Führungspersonen für seine Einsätze in Deutschland.

Kirkpatrick zeigte sich mit dem Ergebnis der Verhandlung dennoch zufrieden. „Wir haben unser Ziel erreicht“, sagte er der taz. „Ich bin sehr froh, dass dieser Einsatz für rechtswidrig erklärt wurde.“ Die Botschaft sei damit klar, so Kirkpatrick: „Der Staat darf nicht so einfach Aktivisten ausspionieren, wie er es damals getan hat.“

„Ein großer Erfolg“

Auch seine Anwältin Anna Luczak sprach von einem „großen Erfolg“. Es sei zwar bedauerlich, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern mit „vorgeschobenen Geheimhaltungsgründen“ eine Aufklärung des Spitzeleinsatzes verhindert habe, sagt sie der taz. „Dass der Einsatz aber gerichtlich als rechtswidrig erklärt wurde, ist ein wichtiger Schritt.“

Kirkpatrick hatte beteuert, bei seinen Protestteilnahmen nichts Illegales getan zu haben, auch in Heiligendamm nicht. Er habe dort damals lediglich die Pressearbeit koordiniert. „Alles, was ich gemacht habe, war öffentlich. Ich wurde auch sonst nie für irgendetwas verurteilt.“ Umso skandalöser sei, dass der Polizeispitzel Kennedy auch auf ihn angesetzt worden sei.

Ausgespäht wurde damals auch eine Freundin von Kirkpatrick, mit der Kennedy zwischenzeitlich sogar liiert war – sowie weitere linke Ak­ti­vis­t:in­nen europaweit. 2011 hatte der damalige BKA-Chef Jörg Ziercke eingeräumt, dass Kennedy auch in Deutschland und beim Heiligendamm-Gipfel eingesetzt war. Warum der Spitzel auch Kirkpatrick ins Visier nahm, ist bis heute ungeklärt. In einer britischen Akte zum Fall Kennedy taucht der 53-Jährige aber mit gleich mehreren Vermerken auf.

Kirkpatrick, der heute in Berlin wohnt, kämpft seit Jahren um eine Aufklärung der Spitzelaffäre. Auch nach der Verhandlung in Schwerin ist die Sache für ihn nicht erledigt. Denn auch in England läuft noch eine aufwändige Untersuchung wegen Kennedys Spitzeleinsatz und der einer Vielzahl weiterer Undercover-Polizist:innen. Kirkpatrick ist dort als Zeuge geladen – für das Jahr 2024.

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3 Kommentare

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  • Es wurde also nach 15 Jahren rechtlicher Auseinandersetzung festgestellt, dass die Überwachung illegal war. Konsequenzen: keine. Ein Rechtsstaat der ohne reale Folgen eigenes Recht immer wieder nach Belieben brechen kann wird ein Glaubwürdigkeits- und Akzeptanzproblem bekommen.



    Andererseits könnte man diesen Ansatz natürlich auch ganz allgemein auf nicht-staatliche Täter übertragen, immerhin ließe sich so jede Menge Geld im ohnehin fragwürdigen Strafvollzug einsparen.

  • taz-Zitat: "(...) Bei anderen Aktenbestandteilen weigerte sich das Land aus Geheimschutzgründen, diese dem Gericht vorzulegen. (...)"

    Das Problembundesland Hessen ist diesbezüglich überall!

    • @Thomas Brunst:

      Zumindest Richter müssten völlig ungehinderten Zugang zu ALLEN prozeßrelevanten Akten bekommen.

      Sonst wird die Gewaltenteilung (noch weiter!) ausgehebelt.