G7-Gipfel ist umweltschädlich: Helikopter über dem Horst
Pinkelnde Demonstranten, Militärhubschrauber, Auerhahnküken, die am Maschendraht scheitern: Auch die Natur kämpft gegen G 7.
Es war ein kleiner Meilenstein der bayerischen Protestgeschichte: konservative Bauern, die sich per Bürgerentscheid erfolgreich gegen die Großveranstaltung stemmten. Jetzt aber haben sie den Salat. Am Sonntag beginnt der G-7-Gipfel. Den Kampf dagegen haben sie verloren. Es geht um Schreiadler, Buckelwiesen und um die Auerhahnküken.
Axel Doering hat genau genommen zwei Probleme: Auf der einen Seite steht ein politisches Großereignis, das er ablehnt. Auf der anderen Seite aber stehen möglicherweise Tausende Demonstranten. Er will ja, dass sie gegen diesen Gipfel demonstrieren dürfen. Aber wenn es nach ihm ginge, dann auf geteerten Straßen. Doering fürchtet: Sie werden ihm in die Wälder pissen. Sie werden die Buckelwiesen niedertrampeln. Sie werden die Rehkitze verscheuchen. Und dann noch die Polizisten. 20.000 Beamte sollen den Gipfel abriegeln. Seit Wochen hinterlassen die Sicherheitsmaßnahmen ihre Spuren im bayerischen Naturerholungsgebiet.
40 Jahre lang war Doering Förster in der Region. Er kennt all die steinernen Schluchten, die sattgrünen Buckelwiesen, die verlassenen Waldwege. Vieles von dem, was er kannte, hat sich in den vergangenen Monaten verändert. Zuerst kamen die Funkmasten in die Wälder. Sie sollen sicherstellen, dass die Polizei in den Stunden rund um den Gipfel zuverlässig funken kann. Dann folgte der Rest.
„Wir werden eine Dauerpräsenz mitten im Wald haben“, sagt Doering. Er meint: Wenn all die Menschen bei ihren politischen Scharmützeln durch die Wälder hetzen, dann sollten dort wenigstens genügend Dixi-Klos stehen. Der Sicherheitszaun, der Demonstranten abhalten soll, sagt Doering, hindere die Rehe darin, sich wie gewohnt zu bewegen. Doering fürchtet, dass der Menschenauflauf Tiere aufscheucht, dass Muttertiere von ihren Jungen getrennt werden. Etwa die Auerhahnküken, die gerade geschlüpft sind. „Alle Viecher“, sagt Doering, „haben in dieser Zeit Junge. Es ist eine der empfindlichsten Zeiten des Jahres.“
Die Fremden trampeln das Futter nieder
Auch die Grünen im Deutschen Bundestag warnen. Über dem eigens asphaltierten Landeplatz, auf dem am Wochenende die Militärhubschrauber der Staatschefs landen würden, drehten für gewöhnlich heimische Adler ihre Runden. Grünen-Politikerin Claudia Roth kritisiert: „Der Naturschutz wird hier mit Füßen getreten.“
Willkommen in Elmau
Der örtliche Bauernverband berät bereits über mögliche Entschädigungsforderungen für seine Mitglieder. Die Wiesen, auf denen neben dem Enzian rund 200 Pflanzenarten wachsen, sind Haupternährungsquelle der Kühe und für Landwirte eine wichtige Wirtschaftsgrundlage. Die Bauern fürchten, dass all die Fremden das Futter ihrer Tiere niedertrampeln.
Die Polizei betont unterdessen, besonders umsichtig auf die Anforderungen in Sachen Umweltschutz reagiert zu haben, etwa am nächtlich beleuchteten Sicherheitszaun rund um das Schloss. „Damit die Motte nicht zugrunde geht, sind besondere Leuchtkörper in den Lampen verbaut worden, die Motten nicht anziehen“, sagt ein Polizeisprecher.
Und dann gibt es natürlich noch die ökologischen Eingriffe der kuriosen Art: blecherne Tretminen, Marke Gulaschsuppe. Im Mai berichtete der Münchner Merkur von einem kuriosen Dosenfund. Eine Anwohnerin hatte beobachtet, wie Unbekannte auf einer Wiese Konservendosen verbuddelten – offenbar als Proviantlager. Wenigstens in diesem Fall gab es Entwarnung: Die Frau entfernte die Fremdkörper umgehend aus der Natur.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt