piwik no script img

G20 und der rot-grüne SenatHamburger Grüne auf Tauchstation

Sie waren angetreten, die Bürgerrechte zu verteidigen. Jetzt sagen die Grünen, die in Hamburg mit der SPD eine Koalition bilden, lieber gar nichts mehr.

Die grünen PolitikerInnen Katharina Fegebank und Anjes Tjarks auf der Demo am Samstag Foto: dpa

Hamburg taz | Hamburgs Grüne zeigen sich nach dem G20-Gipfel nicht sprechfähig. Fragen zu Fehleinschätzungen im Vorfeld, zur Verletzung von Grundrechten, zu den Folgen für den rot-grünen Senat unter dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wollte keiner der führenden Köpfe aus Fraktion, Partei und Senat beantworten. Alle befanden sich dem Vernehmen nach durchgehend in Sitzungen.

Die rot-grüne Koalition in Hamburg war am Montag offenbar vollauf damit beschäftigt, den politischen Schaden der aus dem Ruder gelaufenen Proteste gegen den G20-Gipfel zu begrenzen.

Das Problem der Grünen ist, dass sie sich zwischen Baum und Borke befinden. Als Teil der Regierungskoalition hatten sie den Gipfel mitgetragen und lediglich an den Details der Durchführung herumgemäkelt. Fraktionschef Anjes Tjarks und die Landesvorsitzende Anna Gallina setzten sich öffentlich für die Protestcamps ein, die Innensenator Andy Grote (SPD) zu unterbinden versuchte.

Außerdem befanden die Grünen die Messe, die direkte neben den Szenequartieren Schanze und Karoviertel liegt, als ungeeignet für den G20-Gipfel. Justizsenator Till Steffen versprach vor dem Gipfel einmal sogar, es werde keine Demon­stra­tions­verbotszone geben. Am Ende war sie 38 Quadratkilometer groß.

Doch nach den Krawall-Tagen sahen sich die Grünen plötzliche nicht mehr genötigt, die Bürgerrechte zu verteidigen, sondern dem Eindruck zu begegnen, sie wären für die Gewalt­eskalation aufseiten der Randalierer mitverantwortlich.

Zweite Bürgermeisterin geht auf Distanz

Schon nach den ersten Auseinandersetzungen vom Donnerstag auf Freitag ging die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fege­bank auf Distanz: „Der G20-Gipfel ist so groß, dass er selbst in eine Großstadt wie Hamburg nicht mehr passt“, schrieb sie auf Facebook. „Das bewahrheitet sich jetzt, und wir verstehen, wie viele Hamburgerinnen und Hamburger genervt, wütend und auch erschrocken von den Ereignissen sind.“

Am Samstag, nachdem Randalierer sich zuvor stundenlang im Schanzenviertel hatten austoben können, erklärten Tjarks und Gallina, die Gewaltexzesse machten sie fassungslos, um zugleich den PolizistInnen zu danken. Die Zweite Bürgermeisterin Fegebank ging am nächsten Tag auf Abstand zur linken Szene. „Wer sich unsolidarisch mit seinem eigenen Stadtteil verhält, der kann nicht immer wieder die Solidarität der Stadt und der Bürgerinnen und Bürger einfordern“, sagte sie der Welt.

Die Grünen auf Bundesebene haben unterdessen vor übereilten Beschlüssen in der Sicherheitspolitik gewarnt. „Populistische Schnellschüsse sind in keinster Weise angebracht“, sagte Parteichefin Simone Peter mit Blick auf die Forderung nach einer europäischen Extremismusdatei. Der Informationsaustausch müsse vorangehen, aber es gebe dafür mit dem Schengener Informationssystem bereits eine „sehr gute“ Gesetzesgrundlage. Nun müsse ermittelt werden, warum sie nicht gegriffen habe.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Also: Die Grünen (die hoffentlich noch einen Arsch in der Hose haben) und sich darauf besinnen, daß sie einst antraten als Bürgerechtspartei, zeigen dem Ersten Bürgermeister und seinem Innensenator die Rote Karte, indem ihre Senatoren zurücktreten, die Koalition platzen lassen, Neuwahlen herbeizwingen, um dann den Wähler über das Desaster, das angerichtet wurde, entscheiden zu lassen.

    So würde man politischer Verantwortung und - nebenbei - den eigenen Idealen gerecht.

    Einer Verantwortung, der die SPD offenkundig nicht nachkommen will.

     

    Anders als der Regierende Bürgermeister von Berlin, Albertz, SPD, der vor 50 Jahren nach dem Mord an Benno Ohnesorg anlässlich des völlig verunglückten Polizeieinsatzes anlässlich der Demo gegen den Schah von Persien, zurücktrat.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Albertz

     

    Weil er anständig war und wusste, dass politische Vwerantwortung nicht gekoppelt ist an persönliche Schuld.

     

    Die Grünen können - noch - halbwegs hocherhobenen Hauptes raus aus der Chose. Oder sie verprellen ihre Stammwählerschaft, zu der ich auch mich zähle.

     

    Hier gehts ganz klar ums Prinzip vs. Machterhalt. Ich hoffe, das wurde verstanden bei den Grünen in Hamburg.

  • Wer nichts sagt, kann nichts falsches sagen. Und wer nichts verspricht, kenn keine Versprechen brechen. Ich sag nur Elbvertiefung. Aber egal Hauptsache Madame Fegebank hat nen schönen weichen Sessel unterm Poppes und ne fette Abgeordnetenrente in Aussicht. Und wenn in 15 Jahren sich keiner mehr an sie erinneren kann, hat sich der ganze Aufwand ja gelohnt.

  • Also die Überraschung verstehe wer will. Die Grünen HH sind nun so lange schon die Parteo des bürgerlich liberalen Establishments mit getrennter Müllsammlung. Mich wundert eher, dass sie jetzt so rumeiern und abtauchen. Kretsch und Palmer hätten da längst dem 'gesunden Volksempfinden' ihre Stimme geliehen. Aber das schaffen die in Hamburg auch noch.....

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Das kann und muss der Wendepunkt für die Grünen in der Wählergunst werden. So selbstverliebt, an ihren Sesseln klebend und dabei sprach- und hilflos, das hätte ich nie für möglich gehalten. Kein Restanstand mehr, kein Fünkchen Verantwortungsgefühl, kein Gespür für demokratische Verantwortung. Opposition als Regierungspartei, dafür und dann dagegen, und sich, als es absehbar schief lief und die Stadt brannte, so peinlich vom Acker machen, statt Verantwortung zu übernehmen.

    Unfassbar.

    Es ist schlechterdings unhaltbar, dass Demokratieverächter wie Dudde noch im Amt sind. Es ist unfassbar, dass der Bürgermeister weiter faselt, der Gipfel sei richtig gewesen, im Amt bleibt und kein Wort der Entschuldigung findet.

    Wer so versagt hat, muss Konsequenzen ziehen. Und die Grünen hängen voll mit drin. Da gibt es weder Vertun noch Entschuldigung.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Leider beschränkt sich die Verweigerungshaltung nicht nur auf die Hamburger Grünen.

     

    Wer der Bundespartei dieser Tage eine Mail mit der Frage "Warum grün wählen?" schreibt, bekommt keine Antwort. Erstaunlich für eine Partei im Wahlkampf. Kein einziges Argument, warum mensch diese Partei wählen soll!

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    "Jetzt sagen die Grünen, die in Hamburg mit der SPD eine Koalition bilden, lieber gar nichts mehr."

     

    Soll ja niemand mehr behaupten der Gipfel habe nichts gebracht!

  • Wofür brauchen wir in Deutschland noch diese Partei?

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Schön, das sie jetzt in Schwitzen kommen...

    Auch wenn sie sich in den vergangen Jahren nicht überwiegend taktisch verhalten hätten, wäre die Aufarbeitung des G20-WE sicherlich eine Herausforderung.

    Darüberhinaus gehören sie aber politisch nirgendwo mehr hin.

    Bei den Bürgerlichen & Rechten gelten sie (komischerweise) immer noch als "links", bei den Linken, den ehemaligen Stammwählern, wird man sich an Ihr tönernes Schweigen, Lavieren und Wegducken erinnern, das in den vergangenen Wochen nochmal einen Höhepunkt (oder "Tiefpunkt, je nachdem wie man es sieht) erreicht hat.