G20-Treffen auf Bali: Mehrheit verurteilt Russland
In dem finalen Entwurf zur Abschlusserklärung kritisieren die G20 Moskau überraschend deutlich. Selenski skizziert einen Plan für ein Ende des Krieges.
In dem als final geltenden Entwurf hieß es am Dienstag: „Die meisten Mitglieder verurteilen den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste und betonen, dass er immenses menschliches Leid verursacht und bestehende Schwachstellen in der Weltwirtschaft verschärft, indem er Wachstum beschränkt, die Inflation antreibt, die Versorgungsketten unterbricht, Energie- und Ernährungssicherheit verstärkt und die Risiken für die Finanzstabilität erhöht.“
Betont wird darin ausdrücklich, dass es auch andere Bewertungen gab, sowohl hinsichtlich der Ausgangslage als auch hinsichtlich der Sanktionen. Auch wird anerkannt, dass die G20 kein Forum zur Lösung von Sicherheitsfragen seien, weshalb auf die Vereinten Nationen in Form des Sicherheitsrates und der Generalversammlung verwiesen wird.
Dabei wird aus der UN-Resolution vom 2. März zitiert, in der ein „vollständiger und bedingungsloser Rückzug“ Russlands aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine gefordert wird. Die Resolution war von der Generalversammlung mit 141 Jastimmen, 5 Neinstimmen und 35 Enthaltungen bei 12 Abwesenden verabschiedet worden.
Lawrow reist vorzeitig ab
Der Bezug zur UNO, der Hinweis auf die wirtschaftlichen Kriegsfolgen sowie die Formulierung einer quantitativ undefinierten Mehrheitsposition samt Hinweis auf ungenannte abweichende Meinungen sind die diplomatischen Hilfskonstruktionen, um die russlandkritischen Aussagen in den Erklärungsentwurf aufnehmen zu können. Darin heißt es zugleich: „Der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen ist unzulässig.“
Das entspricht Aussagen des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping, die dieser bei seinem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz sowie am Montag gegenüber US-Präsident Joe Biden getätigt haben soll. In Pekings offizieller Darstellung der beiden Treffen tauchten diese Aussagen aber bislang nicht auf.
Nach den Plänen des Gastgebers Indonesien sollte der Krieg ursprünglich gar kein offizielles Thema des jährlichen Gipfels sein. Nach dem Wunsch Moskaus sollte er auch in keiner Erklärung des Gipfels, der sich traditionell vor allem mit Wirtschafts- und Finanzfragen beschäftigt, auftauchen. Doch offenbar hat Russland seinen anfänglichen Widerstand aufgegeben.
Russlands Präsident Wladimir Putin, der laut seinem Sprecher aus Termingründen nicht anreiste, ließ sich in Bali von Außenminister Sergei Lawrow vertreten. Der reiste aber schon am Dienstagabend vorzeitig ab. Er hatte zuvor auch nicht am gemeinsamen Mittagessen teilgenommen. Lawrow warf dem Westen vor, die Abschlusserklärung „politisieren“ zu wollen und Formulierungen reinzuschmuggeln, welche die Russische Föderation verurteilten. Doch enthalte der Entwurf sowohl die westliche als auch die russische Sichtweise, so Lawrow zur amtlichen russischen Agentur Tass.
Selenski fordert Fortsetzung von Getreideabkommen
Lawrow hatte sich im balinesischen Nusa Dua mit Chinas Außenminister Wang Yi getroffen und betonte anschließend, Russland und China pflegten „eine allumfassende und strategische Partnerschaft“. Doch war auffällig, dass China in Bali nicht explizit für Moskau Position ergriff.
Lawrow war auch bei der per Video übertragenen Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski anwesend, den Indonesien als Gast geladen hatte. Selenski verurteilte Moskaus „verrückte Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen“. Er sagte, dass „jetzt der Zeitpunkt gekommen“ sei, den „zerstörerischen russischen Krieg“ zu stoppen.
Er forderte zugleich zur Verlängerung des Getreideabkommens auf, das der Ukraine den Export von Getreide über das Schwarze Meer ermöglicht. Dieses „lebensrettende Abkommen“ sei ein „Lichtblick für die Menschen in den ärmsten Ländern der Welt“, so Selenski.
Er verwies auf die massive Umweltzerstörung durch den Krieg, geißelte Russlands Versuch, mittels Zerstörung der Energieinfrastruktur „Kälte als Waffe gegen Millionen Menschen“ einzusetzen. Zugleich warf er Moskau vor, mehr als 11.000 ukrainische Kinder von ihren Eltern getrennt und nach Russland verschleppt zu haben.
Selenski skizzierte in seiner Rede auch einen Plan samt Forderungen für ein Ende des Krieges: Voraussetzung sei ein Abzug der russischen Truppen und die Wiederherstellung der territorialen Integrität seines Landes. Für dieses seien danach „effektive Sicherheitsgarantien“ notwendig. Beschlossen werden könnte diese internationale Sicherheitsarchitektur mit einem Kiewer Abkommen auf einer Nachkriegskonferenz.
In Bali gab es auch Forderungen nach Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau. Beide werfen sich seit Längerem vor, nicht ernsthaft an Verhandlungen interessiert zu sein. So erklärte Lawrow in Bali, die Ukraine stelle „unrealistische Bedingungen“
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