G20-Konzert in der Elbphilharmonie: Applaus für die Leaderin
US-Präsident Donald Trump übersteht ein Sinfoniekonzert weitgehend unfallfrei – und erlebt, wie das Hamburger Publikum Angela Merkel bejubelt.
Es ist das erste Konzert in der Elbphilharmonie, in dem weder der Saal der Star ist noch die Musiker. Und auch wenn die Herzen des Publikums aus Hamburger Lokalprominenz, ausgewählten Schülern und Partnern von Polizisten der Bundeskanzlerin gehören – die Neugier richtet sich ganz auf den US-Präsidenten. Wann immer aus dem Getuschel in den lückenhaft gefüllten Reihen das Personalpronomen „er“ zu verstehen ist, geht es um den Mann mit der Tolle, der in der ersten Reihe sitzt.
So schreibt es das Protokoll vor: Ganz vorne sitzen die zum G20-Gipfel angereisten Staatsoberhäupter. Und so viele sind das gar nicht: Der saudische König ist gar nicht erst nach Hamburg gekommen, der türkische Ex-und-nun-wieder-Präsident Recep Tayyip Erdoğan schwänzt das Konzert unentschuldigt, der russische Ex-und-nun-wieder-Präsident Wladimir Putin kommt viel zu spät und lümmelt sich breitbeinig in einen Sessel am Rand.
Also sitzen die Trumps neben den Macrons. Ausgerechnet Macron, der Mann mit der Eisenfaust und dem Blick aus Stahl, neben dem Trump noch linkischer wirkt als ohnehin schon. Es sieht aus, als müsse der US-Präsident das halbe Konzert hindurch mit dem Schlaf ringen. Er schließt die Augen und legt den Kopf schief, wechselt alle paar Sekunden die Seite. Nur wenn Beethoven die Kavallerie schickt, klopft er mit den Fingerspitzen so was ähnliches wie den Takt mit. Man hört förmlich, wie er dabei innerlich „Pam, pam pam“ macht.
Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.
Und am Satzende, wo sich das distinguierte Bürgertum gewöhnlich von den Parvenüs absetzt? Die Marcrons, die Trudeaus halten weiter Händchen und setzen einen entrückten Blick auf. Trump klatscht. Dreimal, dann schaut er sich um, rutscht auf seinem Sessel hin und her, und klatscht weiter.
Man muss dazu sagen, dass er damit ein gutes Gespür für den Ort beweist, denn in dem neuen Konzerthaus, das Hamburger aller Schichten anzieht, hat es sich eingebürgert, der Begeisterung über das schlichte Dort-Sein auch zwischen den Sätzen Ausdruck zu verleihen.
Und: Anders als mancher andere (Staats-)Gast lässt der US-Präsident sein Smartphone artig in der Tasche, linst höchstens mal verstohlen nach der Uhrzeit. Zu Beethoven fällt ihm wohl einfach kein Tweet ein.
Als die Streicher das weltberühmte Final-Thema der Neunten Sinfonie zart andeuten, stupst Emmanuel Macron Trump an und beginnt, ihm etwas zu erklären. Immer wieder sticht er dabei mit dem Zeigefinger in die Luft. Ob es um den Kernsatz geht, „alle Menschen werden Brüder“? Oder sagt er ihm nur, dass jetzt die Europahymne kommt? Trump jedenfalls nickt aufmerksam.
Stimmt, Musik gibt es ja auch noch. Angela Merkel persönlich hatte Beethovens Neunte, diese Hymne des Universalismus, ausgewählt. Und sie hatte sich Hamburgs Philharmonisches Staatsorchester unter Kent Nagano gewünscht. Der Dirigent lässt sich im Programm als „gebürtiger Kalifornier“ ankündigen. Das kann man als Distanzierung von einem Präsidenten lesen, der nicht seiner ist. Nagano bleibt an diesem Abend unterkühlt. Statt sich, wie sonst, vom Dirigentenpult zum Publikum zu verneigen, stellt er sich mitten ins Orchester, um den Applaus entgegenzunehmen. Vielleicht ein Geste der Bescheidenheit. Oder eine klitzekleine Protestnote mit dem Taktstock.
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