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Fußgängerlobbyist über Berlins Straßen„Wir sind verliebt in Zebrastreifen“

Viele Kommunen entfernen ihre Zebrastreifen, warnt Stefan Lieb. Wegen der neuen Vorschriften koste der Umbau der Überwege zuviel.

Oftmals schlecht beleuchtet: Zebrastreifen in der Stadt Foto: dpa
Interview von Hanna Gersmann

taz: Herr Lieb, Sie warnen vor dem Sterben der Zebrastreifen – wieso?

Stefan Lieb: Seit drei Jahren gilt für Fußgängerüberwege bereits eine neue Richtlinie. Sie müssen besser beleuchtet, ausgeschildert und damit sicherer werden.

Das ist doch eine gute Sache?

Im Grunde ja, für die ohnehin schon klammen Städte und Gemeinden kostet der Umbau aber viel Geld. Sie müssen pro Zebrastreifen allein für die Beleuchtung mit bis zu 10.000 Euro rechnen. Darum haben sie sich zunächst nicht groß um die neuen Vorschriften gekümmert. Nun werden sie von den vorgesetzten Behörden gedrängt, dies zu tun. Vor allem müssen sie fürchten, für einen Unfall an einem veralteten Zebrastreifen verantwortlich gemacht zu werden.

Im Interview: Stefan Lieb

Der Name: Der Zebrastreifen kam Anfang der 50er Jahre auf die deutschen Straßen. Im Amtsdeutsch hieß er damals noch Dickstrichkette, heute ist es der Fußgängerüberweg, kurz FGÜ. Berühmt wurde er auf dem Plattencover „Abbey Road“ der Beatles. Am 1. September im Jahr ist immer der bundesweite Tag des Zebrastreifens.

Die Bedeutung: Autofahrer, die Fußgänger nicht über den Zebrastreifen lassen, mit überhöhter Geschwindigkeit heranfahren oder an einem Fußgängerweg überholen, müssen mindestens mit 80 Euro Bußgeld und einem Punkt in Flensburg rechnen. Fußgänger sind nicht verpflichtet, einen Zebrastreifen zu nutzen.

Stefan Lieb: 57, ist Geschäftsführer des Vereins Fuss e. V.

Was heißt verantwortlich?

Zum Beispiel könnte sich der Haftpflichtversicherer eines Autofahrers, der einen Passanten angefahren hat, an die Gemeinde wenden und Schadenersatz fordern. Das kann teuer werden. Darum entscheiden sich manche Planer jetzt gern dafür, den alten Zebrastreifen einfach zu entfernen.

Wie viele Zebrastreifen sind schon weg?

Das ist von Stadt zu Stadt verschieden. Berlin hat wie keine andere Stadt in Deutschland die meisten seiner 400 Zebrastreifen in den letzten Jahren erneuert. Das sind für eine Hauptstadt allerdings wenige Fußgängerüberwege. Die viel kleinere rheinland-pfälzische Stadt Trier hat genauso viele und ist damit pro Einwohner gesehen Zebrastreifen-Hauptstadt. Doch dort ist das Gros veraltet. Viele davon sollen jetzt wegfallen. Fußgänger bringt das in große Gefahr.

Wie sicher sind denn Zebrastreifen?

Wir sind verliebt in sie, weil sie der einzige Weg über die Straßen sind, wo Fußgänger Vorrang haben. Und an ihnen passiert weniger als an Ampeln, wo die Situation zum Beispiel durch Rechtsabbieger unübersichtlich sein kann. Aber natürlich können Zebrastreifen nicht immer Ampeln ersetzen. Um Unfälle zu vermeiden, muss es jedenfalls viele Zebrastreifen geben. Sonst haben die Autofahrer dafür kein Auge und ignorieren den seltenen Überweg leicht, was gefährlich ist.

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3 Kommentare

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  • Leider steckt hinter der Abschaffung der Zebrastreifen System. Fussgänger_innen vor den Autofahrer_innen Vorrang zu geben, gefällt der Autolobby nicht. Daher wurden zunächst Zebrastreifen für stärker befahrene Strassen abgeschafft. Nun folgt der nächste Schritt in dem Zebrastreifen mit Auflagen versehen werden, damit die Kommunen sie auch dort abschaffen, wo wenig Verkehr ist.

    Das Bild trügt zudem: Fahrradfahrer_innen haben auf dem Zebrastreifen nur Vorrang, wenn sie absteigen. Vorschläge, dies zu ändern oder gar ein Zeichen für kombinierte Fussgänger- und Fahrradquerungen zu gestalten, wurden abgelehnt.

    Das Rechtsabbiegeproblem wird wohl auf gleiche Weise gelöst. An immer mehr Stellen wird den Radfahrer_innen ihre Vorfahrt genommen, so dass sie bei Unfällen selbst schuld sind. Der Verkehrsfluss beim Radfahren stockt dadurch enorm. Gleichzeitig gewöhnen sich Autofahrer_innen daran, dass sie nicht schauen müssen und es passiert im Endeffekt mehr statt weniger. Das wird dann aber als Grund genommen, an noch mehr Stellen den Radfahrer_innen von Amts wegen ihre Vorfahrt zu nehmen.

    "Verkehrspolitik" ist "Politik" - in diesem Fall ganz klar "verkehrte Politik".

    • @Velofisch:

      So etwas nennt man, glaube ich, eine Kriegslist. Eine ganz, ganz alte. Eine, die nie unmodern werden wird. Sie ist einfach zu gut.

       

      Wer etwas oder jemanden dringend los werden möchte, ohne sich dabei sein Image zu ruinieren, der setzt sich so lange mit all seiner Macht ein für dieses Etwas oder diesen Jemand, bis jeder sein Protegé dafür hasst, dass es so viele Scherereien verursacht.

       

      Von dem Moment an, in dem alle aufgebracht sind gegen den oder das, der oder was weg soll, wird die Sache oft zum sogenannten Selbstläufer. der Patron kann sich auf seinem Thron zurücklehnen und das beginnende Schauspiel in aller Ruhe genießen. Am Ende, dann, wenn die Scherben zusammengefegt und die Pfützen weggewischt werden, wird sich kaum jemand auch nur daran erinnern, dass da mal was war...

  • Lustiges Bild.

    Wo uns der Artikel die Vorteile eines Zebrastreifen näher bringt, wirkt das Bild mit dem Fahrradfahrer wie die Gegenrede dazu.

    Leider schon viel zu häufig erlebt wie von rechts oder links plötzlich ein Fahrradfahrer auf den Zebrastreifen eingefahren kommt, den man vorher noch nichtmal erahnen konnte. Vorrang haben Fahrradfahrer auch nicht. Der Zebrastreifen scheint ihnen das aber zu suggerieren.