Fußball-WM 2015 in Kanada: Kein bisschen Weltklasse

Was der Weltranglistenerste im Spiel gegen Thailand zeigt, ist grotesk. Am Ende gewinnen die Deutschen dann trotzdem.

Dzsenifer Marozsan und Waraporn Boonsing

Hält souverän alle Bälle fest, die auf ihren Körper gedroschen werden: die thailändische Torfrau Waraporn Boonsing Foto: dpa

WINNIPEG taz | Die Ausgangssituation: Die letzte Runde der Gruppenphase beginnt. Das Spiel Deutschland-Thailand macht den Anfang. Die Deutschen sind nach dem 10:0-Sieg gegen WM-Neuling Elfenbeinküste und dem 1:1-Unentschieden gegen Norwegen Gruppenerster. Allerdings punktgleich mit den Norwegerinnen, die gegen Thailand 4:0 gewannen. Thailand, ebenfalls WM-Neuling, liegt durch den 3:2-Sieg über die Elfenbeinküste auf dem dritten Platz. Auf dem Papier ist also für alle noch alles drin.

Das Spiel: Bundestrainerin Silvia Neid stellt ein fast komplett anderes Team als in den ersten beiden Spielen der Deutschen auf. Für die bisherigen Stammspielerinnen Kemme, Bartusiak, Maier, Gößling, Popp, Laudehr und Mittag spielen Schmidt, Peter, Cramer, Behringer, Leupolz, Lotzen und Däbritz. In der ersten Halbzeit sieht das Spiel allerdings tatsächlich so aus wie das einer B-Elf. Die wild in der Gegend rumhüpfenden Thailänderinnen sollten eigentlich kein Hindernis für die Weltranglistenersten sein. Aus den zwei Thai-Kontern der ersten Halbzeit wird nichts, weil die Stürmerin Kanjana Sung-Ngoen so langsam ist, dass selbst die Linienrichterin, wäre sie mitgerannt, vor ihr das Tor erreicht hätte.

Das Spiel findet bis auf die beiden Ausreißer komplett in der Hälfte der Thailänderinnen statt. Was der Weltranglistenerste da allerdings zeigt, ist grotesk. Technisch und physisch sind die Thailänderinnen heillos unterlegen. Aber die Deutschen kommen überhaupt nicht zusammen, lassen sich sogar in Zweikämpfen den Ball abnehmen. Zu zählen, wie viele deutliche Torchancen durch unkontrolliertes und nervöses Draufballern vergeben werden, wird zu viel. Das Kombinationsspiel, wenn es denn stattfindet, bleibt immer wieder fahrlässig an den eher zufällig im Weg stehenden Füßchen der Thailänderinnen hängen. Nicht mal das 1:0 in der 24. Minute durch Melanie Leupolz erlöst das deutsche Team aus seiner Verkrampftheit.

Der entscheidende Moment: Die Spitzenwechsel in der Halbzeitpause. Lena Petermann und Anja Mittag kommen für die desolaten Torjägerinnen Célia Sasic und Dszenifer Maroszan ins Spiel. Die Deutschen brauchen zwar noch ein paar Minuten. Die WM-Debütantin Lena Petermann macht das Ding dann aber zu ihrem Spiel und köpft innerhalb von drei Minuten zwei Mal ins Tor.

Wer sich in Sachen Frauenfußball und Fifa nicht hinters Licht führen lassen will, sollte vom 6. Juni bis zum 5. Juli 2015 unbedingt die taz lesen. Wir berichten täglich auf ein bis zwei Seiten nicht nur übers Geschehen auf dem Platz, sondern auch über Hintergründiges, Politisches, Schrilles und Schräges.

Gerade wegen des aktuellen Fifa-Skandals wollen wir genau auf diese WM schauen. Vor Ort macht das taz-Redakteurin Doris Akrap, in Berlin kümmern sich Johannes Kopp (Sportredakteur), Martin Krauss (Pauschalist), Ronny Müller (Volontär), Richard Noebel (Layout), Sebastian Raviol (Praktikant), Andreas Rüttenauer (Chefredakteur) und Markus Völker (Sportredakteur) um die Fußball-WM.

Besonders schön oder eindrucksvoll sind die Tore nicht und gegen die durchschnittlich 1,60 Meter kleinen Thailänderinnen eigentlich auch keine Kunst. Ein Spiel, in dem wenigstens ein bisschen Weltklasse zu sehen ist, hatte man aber sowieso nicht mehr erwartet. Die Tore Petermanns lösen immerhin ein paar angezogene Handbremsen beim Rest des Teams. Die Partie endet schließlich mit dem 4:0 durch Sara Daebritz, ebenfalls WM-Debütantin.

Wuschig wuseln

Die Spielerinnen des Spiels: Die thailändische Abwehr, einschließlich der kleinen Torfrau Waraporn Boonsing, die souverän alle Bälle, die auf ihren Körper gedroschen werden, festhält. Ein Bollwerk kann man die Abwehr nicht nennen. Aber in der ersten Halbzeit wuseln sie so sehr um jede deutsche Spielerin herum, dass diese ganz wuschig werden.

Die Pfeife des Spiels: Dzsenifer Maroszan. In der 44. Minute angelt sie sich den Ball sehr elegant aus der Luft auf den Fuß und haut ihn dann aber, frei vorm Tor stehend, direkt auf die Torfrau. Wie viele Torchancen die als große junge Hoffnung gehandelte Spielerin in diesem Turnier bereits auf dem Fuß hatte, kann man kaum noch zählen.

Die besondere Szene: Nach Abpfiff laufen die Thailänderinnen vor die Tribüne, klatschen und verneigen sich thailändisch vor dem Publikum.

Schlussfolgerung: Deutschland steht im Achtelfinale. Gegen wen, entscheidet sich am Mittwoch. Als Gruppenerster spielen sie gegen einen der vier besten Drittplatzierten.

Und sonst: Norwegen besiegt die Elfenbeinküste 3:1. Damit ist Norwegen ebenfalls weiter. Thailand aber muss bis Mittwoch warten, um zu wissen, ob sie als Drittplatzierte weiterkommen. In diesem Turnier hat mit den beiden Toren Neuseelands gegen China (2:2) jedes Team ein Tor geschossen. In der Gruppe A sind China und Kanada (1:1 gegen die Niederlande) weiter. Die Niederlande wissen ebenfalls erst am Mittwoch, ob sie nach Hause fahren müssen.

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