Fußball-Champions-League der Frauen: In der Breite Spitze
Erstmals seit acht Jahren wird kein deutsches Frauenteam im Finale der Champions League stehen. Beim DFB ist man jedoch unbesorgt.
Der leere Blick war bezeichnend. Uli Hoeneß kann halt jede Form der Niederlage seines Herzensklubs nur schwer ertragen. Und dass der Präsident des FC Bayern im Pariser Prinzenpark auf der Ehrentribüne auch noch neben Nasser Al-Khelaifi, den schwerreichen katarischen Boss von Paris St.-Germain hockte, den der 65-Jährige nicht gerade zu seinen Gesinnungsgenossen der globalisierten Fußballwelt zählt, machte das Leiden nicht gerade erträglicher.
Mit 4:0 fertigten die PSG-Frauen im Viertelfinale der Champions League vor den Augen der Vereinsoberhäupter die FCB-Fußballerinnen ab – nach zwölf Minuten stand es bereits 2:0 für ein entfesselt aufspielendes Pariser Team. „Das war Anschauungsunterricht und tut natürlich weh. Es muss sich viel verändern im Verein, so können wir nicht weitermachen“, erklärte Trainer Thomas Wörle in einem TV-Interview. „Wir sind gegen einen übermächtigen Gegner ausgeschieden, der finanziell und sportlich in einer anderen Liga spielt.“ Das Statement passte irgendwie nicht ganz zu den Bestrebungen, die Hoeneß zuletzt öffentlich machte: Melanie Behringer, Leonie Maier, Sara Däbritz und Co. aus ihrem Nischendasein zu befreien.
Nicht nur für den deutschen Meister endete am Mittwochabend im internationalen Wettbewerb die Saison. Der Pokalsieger VfL Wolfsburg scheiterte trotz eines 1:0 bei Olympique Lyon wegen des mit 0:2 verlorenen Hinspiels ebenfalls. In der Neuauflage des Vorjahresfinals reichte das Elfmetertor von Caroline Hansen (82.) nicht. Die Warnung von VfL-Trainer Ralf Kellermann klang eindeutig: „Wir müssen aufpassen, dass wir international weiterhin mithalten können.“
Seit zehn Jahren stand immer ein deutscher Vertreter im Endspiel des Uefa Women’s Cup oder der 2009 geschaffenen Women’s Champions League. Nicht nur die Topklubs aus Frankreich, die aus Kellermanns Sicht bei den Gehältern „eine ganze andere Welt“ sind, sondern auch der FC Barcelona (bezwang im Viertelfinale zweimal den FC Rosengård) oder ambitionierte englische Vereine wie Manchester City, die einen Teil ihres üppigen Investments neuerdings zu den Frauen umleiten, rütteln nun kräftig an den alten Hierarchien.
DFB-Direktorin Heike Ullrich bemüht sich, die Gemengelage differenziert zu betrachten. „Um die Situation seriös zu bewerten, muss man das Gesamtpaket im Vergleich betrachten: Wir haben eine ausgeglichene Liga. In Frankreich gibt es dagegen im Grunde nur zwei Teams – Paris und Lyon – mit einem sehr hohen Etat. Unser Ziel ist, nicht nur einzelne Vereine, sondern das gesamte Thema Frauenfußball – also die Ligen und Nationalmannschaften – im Markt in eine Gewinnzone zu bringen. Auf dieser breiten Grundlage kann Deutschland weiterhin die Nummer eins bleiben.“ Das bedürfe eines starken Engagements. Ganz sicher auch monetärer Natur.
FC Bayern-Trainer Thomas Wörle
Siegfried Dietrich, Manager des 1. FFC Frankfurt und auch Sprecher der Frauen-Bundesliga, der kürzlich an der Säbener Straße mit Hoeneß eine intensive Unterredung über das Thema hatte, verweist darauf, dass Lyon unter seinem Präsidenten Jean-Michel Aulas seit Längerem stark auf Frauenfußball setze: „Er hat erkannt, dass sich dort im Vergleich zum Männerfußball mit überschaubaren Summen beachtliche Erfolge erzielen lassen, die helfen, einen Klub auch gesellschaftlich zu positionieren.“
Nationalmannschaftskapitänin Dzsenifer Marozsan soll in Lyon 300.000 Euro Jahresverdienst einstreichen – in Frankfurt waren es 3.500 Euro im Monat. Vom Wehklagen hält der Frankfurter Strippenzieher nichts. „Klar hätte ich gerne eine deutsche Mannschaft im Halbfinale gesehen, aber das Problem zeichnete sich schon mit der Auslosung ab: Wolfsburg gegen Lyon war das vorweggenommene Finale.“ Nun läuft alles auf einen innerfranzösischen Showdown am 1. Juni in Cardiff hinaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin