Fünfkampf ohne Springreiten: Nicht auf dem Rücken der Pferde
Das Streben nach Medaillen liegt nicht in der Natur der Vierbeiner. Tiere gehören nicht auf die Bühne des Leistungssports.
D as Pferd war von Anfang an nur Mittel zum Zweck. Der ideale Athlet sollte durch den Modernen Fünfkampf ermittelt werden. Das hatte Pierre de Coubertin, der Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, vor Augen, als er dieser sehr diversen Kombinationssportart aus den soldatischen Disziplinen Fechten, Schießen, Reiten, Schwimmen und Laufen 1912 ihr olympisches Debüt verschaffte.
Bis zuletzt wurde die recht altbacken anmutende Suche nach den vielseitigsten Athlet:innen auf manchem geschundenen Pferderücken ausgetragen. Der Weltverband will nun plötzlich das Springreiten streichen und die Athlet:innen nicht mehr auf Pferde, sondern auf Sporträder setzen. Anlass waren die Schreckensbilder von den Olympischen Spielen aus Tokio, als die in Tränen aufgelöste Deutsche Annika Schleu auf das ihr zugeloste Pferd einschlug, weil es höchst verängstigt vor den Hindernissen bockte.
Das Losverfahren, bei dem überehrgeizige Sportler:innen mit ihnen unvertrauten Pferden zusammengeführt wurden, war wegen des unsportlichen Zufallsfaktors eh schon umstritten. Reichlich spät kommt allerdings die Einsicht, dass sich bei diesem Wettbewerb Tiere nicht als Instrument für erfolgsgetriebene Leistungssportler:innen eignen. Das Tänzeln und Springen mag in der Natur der Pferde liegen, das Streben nach Gold, Silber und Bronze eher nicht.
Diesem Problem müssen sich auch die Dressur- und Springreiter stellen, auch wenn sie eine stabilere Bindung zu ihrem Pferd pflegen. Tiere sollten nicht auf die Bühne des Sports gezerrt werden, wo extreme Leistungen erwartet werden. Der Moderne Fünfkampf, der sich von seinem soldatischen Ursprung längst entfernt hat, muss sich auch deshalb reformieren, weil der Leistungssport insgesamt zunehmend in Haftung genommen wird für das Wohlergehen seiner Akteure.
Der Verweis auf alte Traditionen und Gepflogenheiten genügt nicht mehr. Diese Entwicklung geht zum Glück weit über das Tierwohl hinaus. So kann der organisierte Sport auch die psychische, physische und sexuelle Gewalt in seinen Reihen nicht mehr länger ignorieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels