piwik no script img

Füchse für die Jagdhund-AusbildungAllein im Käfig, angebellt

Ein Tierschützer hat in Niedersachsen gefilmt, wie in Schliefanlagen Jagdhunde an Füchsen trainiert werden. Das verstoße gegen das Tierschutzgesetz.

Wird gefangen und zum Training eingesetzt: Rotfuchs Foto: Peter Lloyd/unsplash

Hildesheim taz | Vogelzwitschern, dann ein Schlag – Holz auf Holz. Rechts taucht ein Mann in Cargohose und Pulli auf. Er öffnet Klappen im Boden, stochert mit einem Stock hinein, sein ganzer Arm verschwindet im Boden. Er läuft, stochert, läuft. „Sehr schön.“ Es ist das erste Video einer sogenannten Schliefanlage in Deutschland, das den Betrieb dort von außen zeigt. Die Männer hat Thomas Mitschke vom Verein Wildtierschutz, Sektion Niedersachsen gefilmt.

Terrier und Dackel üben in solchen Anlagen, wie sie Füchse anbellen, um sie aus ihren Erdbauten zu scheuchen. Am Ende kriegen sie eine Urkunde: zertifizierter Bauhund. Sie lernen am echten Tier – meist jungen Füchsen, die extra dafür gezüchtet werden.

Damit es den Hunden und Füchsen möglichst wie in freier Wildbahn vorkommt, bauen die Be­trei­be­r*in­nen Tunnel in die Erde – mit Klappen darauf, um den Fuchs mit einem Stock weiter durch die etwa 15 Zentimeter breiten Gänge scheuchen zu können. Am Ende der Tunnel befindet sich ein etwa zwei Qua­dratmeter großer Käfig. „Barbarei und Quälerei“, nennt das Mitsch­ke. Schliefanlagen seien ein „wichtiger Baustein zur Ausbildung von Jagdhunden“, sagt dagegen der Landesjägerverband Niedersachsen.

Am Zaun eingegraben

In Uetze in der Region Hannover liegt die Schliefanlage, die Thomas Mitschke heimlich gefilmt hat. Dazu hat er sich neben dem Zaun eingegraben, sich unter einem Busch versteckt und gewartet. „Als ich da gelegen habe, stand ich natürlich unter Adrenalin wie ein Boxer“, sagt Mitschke.

Das unerträgliche Gekläffe und das Verhalten der Be­trei­be­r*in­nen haben ihn mitgenommen, sagt er, und auch die Haltung der Füchse, als die Menschen wieder verschwunden waren. „Die sitzen in ihren Käfigen mitten im Wald und hören alle Geräusche, aber können nicht daran teilhaben.“

Thomas Mitschke hat die Be­trei­be­r*in­nen Mitte Juni angezeigt – wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Die Staatsanwaltschaft Hildesheim hat die Ermittlungen aufgenommen.

In Niedersachsen gibt es 14 Schliefanlagen, in ganz Deutschland etwa 120. Genaue Zahlen seien schwer herauszufinden, sagt Edmund Haferbeck von Peta. Die Schliefanlagen lägen oft versteckt, seien nicht auf Karten zu finden. Peta hat eine Klageaktion gegen die Be­trei­be­r*in­nen von Schliefanlagen gestartet. Seit September des vergangenen Jahres haben sie alle angezeigt, die sie finden konnten.

Dabei war Peta oft auf Hinweise von Menschen angewiesen, die zufällig im Wald auf die Tunnelsysteme und Käfige gestoßen sind. „Die Bevölkerung wusste teilweise nicht einmal, was Schliefanlagen sind und dass sie da sogar in der Nachbarschaft von einer leben“, sagt Haferbeck.

Es gibt Regeln für Schliefanlagen, aber die sind alt – so alt, dass sie entstanden sind, bevor Tierschutz im Grundgesetz landete

Auch Peta klagt im Namen des Tierschutzgesetzes, genauer Paragraf 18 Abs. 1 Nr. 4. Dort steht: „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einem Wirbeltier, das er hält, betreut oder zu betreuen hat, ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt.“

Die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutz bestätigt in einem Gutachten, dass es nicht mit dem Tierschutz vereinbar ist, wenn Füchse allein in Käfigen harren und ab und zu herausgeholt werden, um von Hunden angebellt zu werden – auch wenn Hunde und Füchse durch Gitter getrennt sind.

„Rechtsprechung zu diesem Thema existiert sämtlich aus den 1990er-Jahren wie aus den frühen 2000er-Jahren und berücksichtigt das Staatsziel Tierschutz folglich nicht“, steht in ihrem Gutachten. Das heißt: Es gibt Regeln für Schliefanlagen, aber die sind alt – so alt, dass sie entstanden sind, bevor Tierschutz im Grundgesetz landete.

Die letzten Entscheidungen für die Schliefanlagen trafen 1997 in Köln und 2022 in Gießen die Verwaltungsgerichte. Auch in Niedersachsen, dort wo Thomas Mitschke gefilmt hat, einigten sich zuletzt 1999 das Landwirtschaftsministerium, die Landesjägerschaft und die niedersächsischen Hundevereine auf Richtlinien für die Anlagen.

Jagd im Fuchsbau

In Schliefanlagen werden Hunde zu Bauhunden ausgebildet. Solche Zertifikate nutzen auch Hundezüchter*innen, um die Nachkommen der Jagdhunde teurer zu verkaufen.

Ab November machen sich Jäger*innen und ihre Hunde im Wald auf die Suche nach Fuchsbauten. Oft legen sie selbst Betonröhren in die Erde, um sie anzulocken. Hat er einen Fuchs gefunden, rennt der Hund in die Tunnel, bellt den Fuchs an und scheucht ihn aus der Erde. Draußen schießen die Jäger*innen ihn ab.

Die Baujagd ist genauso wie Schliefanlagen umstritten: Zum einen, weil fragwürdig ist, ob es einem ökologischen Zweck dient, die Füchse zu töten. Und zum anderen verletzten sich auch die Hunde oft sehr schwer, wenn sie zum Beispiel statt auf einen Fuchs auf einen Dachs treffen.

Darin stehen Haltungsbedingungen wie zum Beispiel ausreichend Platz, viel Essen, etwas Sonne, aber nicht zu viel. Die Bedingungen werden regelmäßig überprüft, schreibt Pressesprecherin Alexandra Schönfeld auf Anfrage der taz, und zwar von der Veterinärbehörde.

Ähnlich antwortet auch Florian Rölfing vom Landesjägerverband Niedersachsen: „Da die Aspekte des Tierschutzes in diesen Anlagen höchste Priorität genießen, besteht aus unserer Sicht keinerlei Grund, diese bewährte Ausbildungsmethode infrage zu stellen oder gar zu verbieten.“ Dabei gibt es auch andere Möglichkeiten, die Hunde auszubilden: mit Geruchsstoffen oder indem junge Hunde ältere auf der Jagd begleiten.

Eigentlich ist nichts auf dem Video zu sehen, nur ein paar Brennnesseln und Eichenlaub auf dem Boden. Aber der unsichtbare Hund kläfft und kläfft einen ebenso versteckten Fuchs in einem Metallkäfig an. Ein Mensch steckt seinen Stock durch den Draht und versucht den Fuchs dazu zu bringen, in die Transportbox zu gehen. Es dauert. Er will nicht, bleibt liegen. Dann huscht er nur ganz kurz vorbei, ein Blitz aus orangefarbigem Fell.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • „Jagd ist eine Nebenform menschlicher Geisteskrankheit" - Professor Dr. Theodor Heuss (1. Bundespräsident der BRD)