Frühjahrszutat Mönchsbart: Das nächste grüne Ding
Die Verkostung bisher unbekannter Pflanzen ist stets ein kleines Abenteuer. Unser Autor hat Mönchsbart für sich entdeckt – und ist begeistert.
E s ist Ende März, und das ist Tulpenzeit, Ostereierzeit, Zeitumstellungszeit und – Mönchsbartzeit. Genau, Mönchsbart. Kennen Sie nicht? Noch nicht, sage ich.
Mönchsbart wächst auf salzigen Böden im Mittelmeerraum, wo er früher zur Seifengewinnung angebaut wurde. Optisch ähnelt er Schnittlauch, ist aber fester und knackiger. Er ist ein Frühjahrsgemüse der italienischen Küche und klingt dort sogar noch schöner: barba di frate, wahlweise auch ballerina oder agretti.
Entdeckt hat ihn meine Freundin letztes Jahr bei ihrem Stammbiomarkt, und seitdem essen wir ihn mit Kapern, Olivenöl, Knoblauch, Zitrone, Sardellen und Spaghettini. Das schmeckt, als hätte man eine Meeresbrise im Mund, aber nicht so penetrant wie Algen. Sehr lecker, aber das ist nicht das einzige Schöne daran.
Denn es ist ja so: Während im Bereich der processed foods jeden Tag Dutzende neue Produkte in die Regale fluten, ist die Verkostung unbekannter Pflanzen noch immer ein Ereignis. Neues Obst und Gemüse ist auch nicht einfach von heute auf morgen da, es wird nicht mit großen Aufstellern im Kassenbereich beworben. Es sickert langsam ein, beginnt seine Reise in Feinkostläden, Asiamärkten, Ottolenghi-Kochbüchern, Hipster-Foodblogs, arbeitet sich hoch zur Medienentdeckung, bis es irgendwann auf jeder Pizza liegt. Anfangs ist es wie ein kleiner Schatz, bei dem jeder Kunde das Gefühl haben kann, den jetzt selbst gehoben, ja eigentlich wie ein Biologe aus dem 18. Jahrhundert diese Pflanzengattung zum ersten Mal überhaupt gefunden und beschrieben zu haben.
Und während die Produktinnovationen bei Fertignahrung meist im Nach-Komma-Stellen-Bereich geschehen – Rahmpudding jetzt mit Zwischenzweidrittelhalbfettstufe, das Inside-out-Überraschungsei mit weißer Schoki außen, Hafer-Erbsenmilch Barista-Edition glutenfrei –, ist eine neue Pflanze eben ein komplett eigenständiges Ding, mit dem man sich auseinandersetzen muss, besser: darf. Mönchsbart, habe ich beim Schreiben dieser Kolumne gelernt, eignet sich auch roh für Salate, als Ergänzung zu Omelett oder Eggs Benedict oder als Bett für ein Stück Fisch.
Sein Siegeszug wird nicht aufzuhalten sein. Dafür sorgen sein klangvoller Name und dass er gut an den Großtrend „salzige Pflanzen“ andockt. Man muss ihn auch nicht zwingend importieren, in Deutschland wird er unter anderem in Papenburg angebaut.
Es gibt auf dieser Welt noch viele weitere Kräuter, Früchte, Gräser, Samen, Nüsse, die es bisher nicht in den limitierten Raum unserer Obst-und-Gemüse-Abteilungen geschafft haben. Ein Kollege schrieb mir: „… zum Thema Mittelmeergemüse, die in Deutschland nicht genug Anerkennung erfahren, gehören für mich übrigens noch Puntarelle (Vulkanspargel) & Cima di Rapa (Stängelkohl)“.
Vulkanspargel! Ich werde berichten.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott