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Frühjahrszutat MönchsbartDas nächste grüne Ding

Die Verkostung bisher unbekannter Pflanzen ist stets ein kleines Abenteuer. Unser Autor hat Mönchsbart für sich entdeckt – und ist begeistert.

Mönchsbart, wie eine Meeresbrise im Mund Foto: Paolo Gallo/PantherMedia/imago

E s ist Ende März, und das ist Tulpenzeit, Ostereierzeit, Zeitumstellungszeit und – Mönchsbartzeit. Genau, Mönchsbart. Kennen Sie nicht? Noch nicht, sage ich.

Mönchsbart wächst auf salzigen Böden im Mittelmeerraum, wo er früher zur Seifengewinnung angebaut wurde. Optisch ähnelt er Schnittlauch, ist aber fester und knackiger. Er ist ein Frühjahrsgemüse der italienischen Küche und klingt dort sogar noch schöner: barba di frate, wahlweise auch ballerina oder agretti.

Entdeckt hat ihn meine Freundin letztes Jahr bei ihrem Stammbiomarkt, und seitdem essen wir ihn mit Kapern, Olivenöl, Knoblauch, Zitrone, Sardellen und Spaghettini. Das schmeckt, als hätte man eine Meeresbrise im Mund, aber nicht so penetrant wie Algen. Sehr lecker, aber das ist nicht das einzige Schöne daran.

Denn es ist ja so: Während im Bereich der processed foods jeden Tag Dutzende neue Produkte in die Regale fluten, ist die Verkostung unbekannter Pflanzen noch immer ein Ereignis. Neues Obst und Gemüse ist auch nicht einfach von heute auf morgen da, es wird nicht mit großen Aufstellern im Kassenbereich beworben. Es sickert langsam ein, beginnt seine Reise in Feinkostläden, Asiamärkten, Ottolenghi-Kochbüchern, Hipster-Foodblogs, arbeitet sich hoch zur Medienentdeckung, bis es irgendwann auf jeder Pizza liegt. Anfangs ist es wie ein kleiner Schatz, bei dem jeder Kunde das Gefühl haben kann, den jetzt selbst gehoben, ja eigentlich wie ein Biologe aus dem 18. Jahrhundert diese Pflanzengattung zum ersten Mal überhaupt gefunden und beschrieben zu haben.

Und während die Produktinnovationen bei Fertignahrung meist im Nach-Komma-Stellen-Bereich geschehen – Rahmpudding jetzt mit Zwischenzweidrittelhalbfettstufe, das Inside-out-Überraschungsei mit weißer Schoki außen, Hafer-Erbsenmilch Barista-Edition glutenfrei –, ist eine neue Pflanze eben ein komplett eigenständiges Ding, mit dem man sich auseinandersetzen muss, besser: darf. Mönchsbart, habe ich beim Schreiben dieser Kolumne gelernt, eignet sich auch roh für Salate, als Ergänzung zu Omelett oder Eggs Benedict oder als Bett für ein Stück Fisch.

Sein Siegeszug wird nicht aufzuhalten sein. Dafür sorgen sein klangvoller Name und dass er gut an den Großtrend „salzige Pflanzen“ andockt. Man muss ihn auch nicht zwingend importieren, in Deutschland wird er unter anderem in Papenburg angebaut.

Es gibt auf dieser Welt noch viele weitere Kräuter, Früchte, Gräser, Samen, Nüsse, die es bisher nicht in den limitierten Raum unserer Obst-und-Gemüse-Abteilungen geschafft haben. Ein Kollege schrieb mir: „… zum Thema Mittelmeergemüse, die in Deutschland nicht genug Anerkennung erfahren, gehören für mich übrigens noch Puntarelle (Vulkanspargel) & Cima di Rapa (Stängelkohl)“.

Vulkanspargel! Ich werde berichten.

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Michael Brake
wochentaz
Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.
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3 Kommentare

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  • Klasse. Schmatzi!

    flickr.com/search/?text=m%C3%B6nchsbart



    flickr.com/search/?text=puntarelle



    .... Einzig, dass er innen hohl ist, finde ich irgendwie merkwürdig. ..@BIRDMAN



    Da liege ich natürlich wieder flach!

  • Vulkanspargel gibt’s bei der LPG schon ein paar Jahre. Sieht auf jeden Fall toll aus und schmeckt auch so. Einzig, dass er innen hohl ist, finde ich irgendwie merkwürdig. Deshalb ist mir der Löwenzahn lieber.

  • Klingt ziemlich genau so wie das Profil des einheimischen Quellers. Der ist auch essbar und lecker.