Variationen der Sättigung: Beilage mit Beilage und Beilage
Das ägyptische Gericht Kuschari besteht aus Nudeln mit Reis und Linsen, dazu Kichererbsen. Warum nicht? Anderswo wird Brot mit Brot serviert.
E ine deutsch-ägyptische Hochzeit schweißt zusammen. Im Herbst waren wir zu elft aus Berlin nach Fayoum zur Feier von S. und F. gereist. Seitdem haben wir uns mehrmals wiedergetroffen, zuletzt passenderweise im Meya Meya, einem der wenigen ägyptischen Restaurants in Berlin.
Dabei sind viele der ägyptischen Speisen Variationen von Levante-Dauerbrennern, etwa Hummus, Schawarma oder der Bulgur-Petersilie-Salat Tabbouleh. Schon deutlich landesspezifischer ist Foul, ein Mus aus zerquetschten und ganzen Saubohnen und vielen Kräutern und Gewürzen, das man vor allem zum Frühstück isst – das Sau in Saubohne steht hier übrigens für saulecker. Das ägyptischste Gericht des Abends ist allerdings Kuschari, ein Essen, das mich schon vor Ort nachhaltig beeindruckt hat. Es handelt sich hierbei um Nudeln. Mit Reis. Und Linsen. Dazu Kichererbsen. Also Sättigungsbeilage mit Sättigungsbeilage und Sättigungsbeilage, dazu eine Art (ja ja, man kann drüber streiten) Sättigungsbeilage. Okay!
Michael Brake blickt alle vier Wochen auf neue und alte Trends in Restaurants, Küchen und Supermarktregalen.
Damit das Ganze nicht trocken und fade schmeckt, kommen obendrauf eine Tomaten- und eine Art Essigsauce, geröstete Zwiebeln als kleiner geiler Extrakick, diverse Gewürze und scharf nach Bedarf, jedes Restaurant – es gibt Läden, die sich komplett auf Kuschari spezialisiert haben – hat seine eigene Variation. Auch die Optik ist besser, als man meinen mag, denn die Schichtung der diversen granularen Bestandteile ergibt im besten Fall ein ornamentales, geradezu mosaikhaftes Muster.
Aber trotzdem, was für ein Move, einfach Nudeln mit Reis und Linsen zu servieren! Er hat mich nicht losgelassen, und so startete ich neulich eine nicht repräsentative Umfrage auf Twitter nach weiteren „Gerichten aus mehreren Sättigungsbeilagen“. Dabei kam einiges aus vielen Teilen der Welt zusammen: weiße Pizza mit Kartoffelscheiben etwa und das peruanische Lomo saltado, bestehend aus mariniertem Fleisch, Pommes und Reis. Oder die K.u.K.-küchliche Bratkartoffel-Nudel-Pfanne Grenadiermarsch sowie das Sennengericht Älplermagronen, also quasi Mac’n’Cheese’n’Potatoes auf Schweizer Art. Natürlich wurden auch mit Kartoffeln gefüllte Teigtaschen wie Wareniki und Piroggen genannt und indisches Aloo-Curry mit Kartoffel und Reis.
Aufmerksame Leser:innen haben es gemerkt, alle diese Gerichte setzen auf Kartoffeln plus X. Die Nudel-Reis-Kombination scheint hingegen deutlich seltener, im vorderasiatischen Foodraum findet sie sich aber durchaus, etwa in Form vom türkischen Reisnudel-Pilaw. Komplett einzigartig ist aber ein Rezept, das erstmals 1861 im britischen „Mrs. Beeton’s Book of Household Management“ beschrieben wurde: Toastsandwich, also ungetoastetes Brot, belegt mit Butter und getoastetem Brot, dazu ein wenig Salz und Pfeffer.
Wer mag, reicht dazu ein wenig Brot.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“