Früherer Präsident Georgiens: Saakaschwili ist jetzt ein Papierloser
Der ukrainische Präsident entzieht dem Exgouverneur von Odessa und früheren georgischen Staatschef die ukrainische Staatsbürgerschaft.
Nach vierzig Minuten machten sie sich auf den Weg zur Präsidialadministration. Doch dort wurde ihnen von Polizisten ein weiteres Vordringen verwehrt. Es kam zu einem Handgemenge. Schließlich wurden sieben Demonstranten vorgelassen
Am Mittwoch hatte Poroschenko per Erlass dem ehemaligen Präsidenten Georgiens und früheren Gouverneur des Gebietes Odessa, Michail Saakaschwili, die ukrainische Staatsbürgerschaft aberkannt. Saakaschwili habe in seinem Antrag auf Gewährung der ukrainischen Staatsbürgerschaft falsche Angaben gemacht, begründete der ukrainische Migrationsdienst die Entscheidung. Saakaschwili habe verschwiegen, dass gegen ihn in Georgien ermittelt werde
Der 50-jährige Saakaschwili hatte 2003 mit einer „Rosenrevolution“ den damaligen georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadse gestürzt und bis 2013 Georgien regiert. Im Februar 2015 hatte ihn sein Studienfreund Petro Poroschenko als Präsidentenberater in die Ukraine berufen, ihm die ukrainische Staatsbürgerschaft verliehen und ihn zum Gouverneur des Gebietes Odessa ernannt.
Saakaschwili will zurück in die Ukraine
Doch bald war es mit der Freundschaft vorbei. Im November 2016 reichte Saakaschwili seinen Rücktritt als Gouverneur ein. In der Folgezeit kritisierte er ständig Poroschenko und dessen Regierung. Für den Präsidenten war der ehemalige Freund „Mischa“ zunehmend zu einer Bedrohung geworden.
Durch den Entzug der ukrainischen Staatsbürgerschaft ist Saakaschwili nun staatenlos, hatte er doch seine georgische Staatsbürgerschaft mit dem Erwerb der ukrainischen Staatsbürgerschaft vor 26 Monaten automatisch verloren.
Mustafa Najem, Abgeordneter
Sofort nach Bekanntwerden der Entscheidung des ukrainischen Präsidenten wandte sich Saakaschwili, der sich derzeit in den USA aufhält, per Video an seine Anhänger. Mit seiner Entscheidung habe der Präsident eine rote Linie überschritten. Gleichzeitig kündigte Saakaschwili seine Rückkehr in die Ukraine an.
Dies wird allerdings kaum möglich sein, glaubt der ukrainische Parlamentsabgeordnete Sergej Leschtschenko vom Block Petro Poroschenko. Sollte Saakaschwili mit einem annullierten Pass einreisen, werde man ihn sofort am Flughafen in Gewahrsam nehmen. Und von dort, so Leschtschenko, könnte er mit dem nächsten Flieger nach Georgien ausgeliefert werden.
Ermittlungen in Georgien
In Georgien wartet man auf den ehemaligen Präsidenten. Bereits zwei Auslieferungsgesuche der georgischen Behörden gegen Saakaschwili hatten die ukrainischen Behörden verweigert. In Georgien wirft man dem Expräsidenten nicht nur Amtsmissbrauch vor. So soll er auch fünf Millionen Euro aus dem Staatshaushalt für private Zwecke ausgegeben haben. 2014 beschuldigte ihn die georgische Staatsanwaltschaft gar der Beteiligung an einem Mord.
In der Ukraine findet Präsident Poroschenko mit seiner Entscheidung gegen seinem Widersacher Saakaschwili kaum Unterstützung. Lediglich Oleg Ljaschko, Parteichef der Radikalen Partei, begrüßt den Schritt.
„Der Entzug der ukrainischen Staatsbürgerschaft von Michail Saakaschwili ist das Dümmste, was man in dieser Situation hat machen können“ meinte hingegen der ukrainische Parlamentsabgeordnete Mustafa Najem vom Block Petro Poroschenko. „Poroschenko führt sich auf wie ein Zar“, kritisierte die Abgeordnete Nadija Savchenko den Präsidialentscheid. Diese Entscheidung, so Savchenko, sei verfassungswidrig und ungesetzlich.
Und für Julia Timoschenko, Exregierungschefin und Vorsitzende der Vaterlandspartei, markiere der Poroschenko-Erlass gar „den Beginn einer Diktatur“. Vorerst wird Saakaschwili wohl in den USA bleiben, dort möglicherweise gar einen Status als Flüchtling beantragen müssen. Ausliefern werden die USA ihn kaum. Saakaschwili ist einer der wenigen ukrainische Politiker, die auf Donald Trump und nicht Hillary Clinton gesetzt hatten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass