Frisuren schwarzer Frauen: Mein Date, meine Haare und ich
Weaves, Afro, Braids oder Kente-Tuch? Die Wahl der richtigen Frisur ist für schwarze Frauen kompliziert – vor allem bei Tinder-Dates.
V or nicht allzu langer Zeit habe ich ja schon mal angedeutet, wie schwierig es ist, geeignete Profilbilder für Tinder auszuwählen. Soll ich lieber das Bild mit Afro nehmen oder sehe ich dann zu radikal aus? Oder eines, auf dem ich einen langen glatten Weave, also Haarverlängerungen, trage? Nein, dann heißt es wieder, ich würde nicht zu meinen schönen „krausen“ Locken stehen. Vielleicht ein Bild mit einem Kente-Tuch in den Haaren? Hmm, irgendwie sind diese Tücher zur inoffiziellen Uniform von weißen Ethnologiestudentinnen geworden. Braids vielleicht?
Die Möglichkeiten sind endlos. Es gibt nichts, was so vielfältig ist wie die Frisuren schwarzer Frauen. In meinem Fall habe ich mich dann letztendlich für eine kompakte Bildergalerie entschieden, bestehend aus Bild mit Braids, mit einem Tuch in den Haaren und mit Afro.
„Wie das nun mal bei Tinder ist, irgendwann matchte ich mit jemandem: R. wirkte nicht wie ein Serienmörder, Fascho oder Fetisch-Holger, und wir verstanden uns ganz gut. Also verabredeten wir uns. Ich schminkte mich im Büro nach und beschloss meine Haare zu einem Dutt zusammenzubinden.
Denn mein Afro war durch die mystische Berliner Luftqualität von Shrinkage betroffen und sah – sagen wir mal – anders aus. Shrinkage ist, wenn der Afro innerhalb weniger Stunden an Volumen verliert und so von Solange-Größe zu Issa Rae schrumpft. Also entschied ich mich für einen Notfalldutt und ging los.
Irgendwas stimmt nicht
Als ich ankam, ging ich zielstrebig auf ihn zu, räusperte mich und gab mein dynamischstes Hallo zum Besten. Er schaute hoch. „Anna?“, stammelte er und streckte mir seine Hand entgegen. Ich wollte ihn umarmen und war deshalb maximal verwirrt. Nach diesem großartigen Start konnte es eigentlich nicht komischer werden, dachte ich und war plötzlich tiefenentspannt. Wir plauderten los, und ich bemerkte, wie er mich ab und zu komisch anschaute. Ich konnte seinen Blick nicht richtig deuten und beschloss einfach, viel zu trinken (gute Idee!).
Sein Blick war eine Mischung aus Überraschung und Irritation. So schaut man, glaube ich, wenn man gecatfished wurde. Also nahm ich meine Brille ab. Schließlich trug ich auf keinem meiner Profilbilder eine Brille. Ich putzte die Gläser mit einem Eifer, den man nur an Tag legt, wenn man seine Brille aus totaler Verlegenheit putzt. Er zeigte überhaupt keine Reaktion. Hmm, die Brille war es nicht. Wir tauschten langweilige Dating-Standardsätze aus:
„Ja, das ist eine Shopware und SEO-Agentur. Ich kümmer mich im Grunde um die ganze Abwicklung zzzzz“ oder „Ich hatte totales Glück mit der Wohnung. Es ist ja so schwierig geworden, was Brauchbares zu finden. Das war ganz anders, als ich 2009 aus Kassel zzzzzzz.“
Nach dem zweiten oder dritten Drink war die Stimmung entspannter. Er schaute mich lange an und sagte: „Darf ich dich was fragen?“ Noch bevor ich „klar“ antworten konnte, schoss es aus ihm heraus: „Wo sind denn deine Haare hin?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Wirtschaft im Wahlkampf
Friedrich Merz und die Quadratur des Kuchens
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko