Ein Bild sagt alles: Tindermatches aus der Hölle
Kosmopoliten, White Saviour und der coole Homie: Diese weißen Männer, die immer nur schwarze Frauen daten wollen. Ich will keinen von ihnen.
M onate nach meiner Trennung saß ich mit meinen Freunden P. und K. auf meiner grünen Couch, die mein Ex-Freund hässlich (stimmt nicht) und ungemütlich (stimmt) fand. Sie „überredeten“ mich, dass ich mich bei Tinder anmelde und ins Datingleben stürze. Die schwierigste Aufgabe war, Profilbilder auszuwählen. Das erste Bild war eins, auf dem ich meinen Afro offen trug, das nächste mit Braids und dann noch eins mit einem Tuch in den Haaren. Ich machte mir natürlich auch Gedanken über die Typen, die ich damit anziehen (oder eher ausziehen – höhö, sorry) wollte. Die Wahl der Profilbilder hat nämlich Einfluss auf deine Matches, duh.
Ich wusste zumindest schon mal, wen ich nicht ansprechen wollte: Auf keinen Fall diese *einen* weißen Typen. Jede schwarze Frau weiß, welche ich meine. Es gibt nämlich ein paar Kategorien von weißen Typen, die nur schwarze Frauen daten wollen. Here goes:
1. Holger, 48, war mit seiner mittelständischen Firma (Hidden Champion, Zulieferer von Schrauben) schon ein paar Mal in New York („Brooklyn hat sich stark verändert, aber dort passiert einfach am meisten“) und mit seiner ersten Ehefrau Julia zweimal in Kenia und in Namibia auf Safariurlaub. Er ist ein gottverdammter Kosmopolit und hat schon einiges von der Welt gesehen. Profilbild(er): ein schwarz-weißes Porträtbild, das er auch auf Xing benutzt, sowie ein Bild von ihm im Urlaub mit kurzen Peek-&-Cloppenburg-Cargohosen, aus dem seine Ex-Frau Sabine ganz schlecht rausgeschnitten ist. Im Hintergrund sind Zebras zu sehen und ein schwarzer Ranger.
2. Flo, 27, kommt ursprünglich aus Herford, trägt Dreadlocks und hat in Münster Philosophie und Ethnologie studiert. Er kann über Work and Travel in Australien nur lachen, denn er hat ein Waisenhaus in Uganda aufgebaut. Also mitgeholfen. Irgendwie. Also seine Eltern haben das Dach finanziert. Es hat ihn unfassbar mitgenommen, wie wenig die Menschen dort haben, aber wie glücklich sie dennoch zu sein scheinen. Davon können wir uns im konsumgeilen Deutschland eine Scheibe abschneiden, findet er. Sein Profilbild – ihr ahnt es – zeigt ihn umgeben von schwarzen (und sehr, sehr glücklichen) Kindern.
3. Ben, 31 Jahre alter HipHop-Head. Kommt aus Mülheim an der Ruhr („Ja, da kommt auch Manuellsen her. Ist ein guter Homie von mir“) und ist immer „lit“. Er veranstaltet Events und sprach vor drei Jahren noch von „Black Music“. Er hat fast nur schwarze Freunde (die er Homies nennt) und wird dir nach dem dritten Date erklären wollen, warum er das N-Wort sagen kann, weil er wirklich Teil der Community ist. Profilbilder: er im Auto mit einer verspiegelten Sonnenbrille; er im Urlaub in Antalya mit seinen „Homies“. Das letzte Bild ist ein Screenshot von dem Mos-Def-Album „Black on Both Sides“ (O-Ton: „Hat mich so unfassbar geprägt“).
Jetzt ratet mal, wer mein erster Match war? 1, 2 oder 3?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?