„Friedensplan“ für die Ukraine: Auch Worte aus Washington töten
Täglich bombardiert Russland die ukrainische Bevölkerung. Das attackierte Land fühlt sich zunehmend als Spielball zwischen Trump und Putin.

Es sind Szenen, die Studentinnen im westukrainischen Luzk auf ihren Smartphones zeigen. Sie sind zu einem Treffen mit Dmytro Kuleba, dem ehemaligen ukrainischen Außenminister, nach Luzk gekommen. Das Video zeigt Gleichaltrige, die durch einen russischen Angriff einen Freund verloren haben. Und man kann hören, wie die Mädchen schluchzen und dann flüstern: „Solang Trump, Vance und Rubio uns bedrohen, solang wird Putin mit Raketen um sich schießen. So sehen die Vermittlungsbemühungen der USA aus.“
Nach Trumps Amtsantritt und der Wiederaufnahme des sogenannten Dialogs mit Putin werden die USA in der Ukraine als sehr aggressiv wahrgenommen. In Luzk wird auch Kuleba gefragt, wie man jetzt mit den Amerikanern umgehen solle. „Es musste so kommen“, sagt er. „Denn wenn man sich ausschließlich auf die Unterstützung seiner Partner verlässt, steht man am Ende auf verlorenem Posten. Jetzt lernen sowohl wir als auch der Rest von Europa, dass wir uns nur auf uns selbst verlassen können“, so Kuleba. In seiner Zeit als Außenminister hatte er erfolgreich mit den USA zusammengearbeitet.
Jede Nacht werden Charkiw, Odessa und Dnipro von der russischen Armee angegriffen, nicht vergessen sind die terroristischen Anschläge auf Krywyj Rih und in Sumy. Es sind die Russen, die töten. Aber die Ukrainer sehen auch die Schuld bei den Amerikanern. Viele Ukrainer denken, dass sie den Aggressor unterstützen und ihm bei den Friedensvorschlägen freie Hand lassen.
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Trump und Co tragen mit Putin die Verantwortung
Es ist nicht verwunderlich, dass der nächtliche Angriff auf Kyjiw vielen Aussagen zur Rolle der USA einen hasserfüllten Unterton verleiht. Seit dem Treffen von Wolodymyr Selenskyj mit Trump und Vance Ende Februar im Oval Office gab es keine derart heftigen Reaktionen mehr auf Trumps Forderungen, die Ukraine möge sich ergeben. Der Publizist Juri Bohdanow konstatierte: „Trump und Co. tragen gemeinsam mit Putin die Verantwortung für die jüngsten Angriffe auf ukrainische Städte.“
Serhij Sydorenko, Chefredakteur des Onlinemediums European Pravda fasste den sogenannten Deal aus Trumps Sicht so zusammen: Die Ukraine stimmt zu, dass Russland den Krieg gewonnen hat. Europa findet, dass Trump die Welt gerettet hat. Die USA sind einverstanden, mit Putin Geld zu verdienen. Dafür werden die Ukrainer von Trump großzügig belohnt: Sie bekommen das Recht, den USA die Hälfte der Gewinne aus fossilen Rohstoffen zu überlassen. „Natürlich nicht umsonst, sondern für die Ehre, Trumps Partner zu sein. Und vergessen wir nicht eine wichtige Verpflichtung: Trump aufrichtig zu danken.
Sollte er den Verdacht haben, dass wir unaufrichtig sind, wird das Konsequenzen haben. Sehen Sie, Putin war aufrichtig – jetzt bekommt er dafür zum Dank eine Schokoglasur“, schrieb Sydorenko. Die meisten Menschen hätten das Gefühl, dass zwei mächtige Staaten versuchen würden, ein überflüssiges kleines drittes Land von der Landkarte zu löschen.
Auch die Friedensnobelpreisträgerin und Menschenrechtsaktivistin Oleksandra Matwijtschuk kann sich keine Videos aus Kyjiw ansehen, ohne zu weinen. In einem der Videos sagt ein Retter zu einer Frau, die aus den Trümmern eines Hauses gezogen wird: „Janotschka, bitte hab Geduld, Liebes.“ Man hört die Wärme und Fürsorge in seiner Stimme. „Ich sehe dieses Video und ich denke, dass wir abends nicht wissen, ob wir am nächsten Morgen wieder aufwachen. Krieg ist wie eine Lotterie. Ich denke an Russlands Psychoterror, der uns zermürben und dazu bringen soll, einen langsamen Tod zu akzeptieren. Und ich spüre, wie die Wut in mir hochkocht“, schreibt Matwijtschuk. „F*ckt euch. Aber nicht unsere Zukunft. Unsere Zukunft wird ohne euch stattfinden.“
Die Studentinnen verlassen Kulebas Vortrag in Luzk, weit weg von der Front mit mehr Zuversicht. Sie gehen ohne Tränen in den Augen.
Aus dem Ukrainischen Gaby Coldewey
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