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Friedensmarsch nach AleppoJeder zweite Syrer ist ausgestiegen

Es gibt Streit um die politische Neutralität beim „Civil March“ nach Aleppo. Die Hälfte der Syrer macht nicht mehr mit.

Der Beginn des „Marsches für Aleppo“ am Tempelhof Feld in Berlin Foto: dpa

Die Teilnehmer des „Civil March“ nach Aleppo zerstreiten sich über die Frage nach der politischen Neutralität des Protestzugs. Am Mittwoch warfen Teilnehmer den Organisatoren in einem offenen Brief „undemokratisches Verhalten“ und eine „Depolitisierung der Bewegung“ vor. Man habe deshalb „schweren Herzens“ beschlossen, sich dem Protestzug nicht länger anzuschließen. Der Marsch war am Montag vom ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof gestartet, die 400 Teilnehmer wollen bis ins syrische Aleppo laufen.

Unterzeichnet haben das „Statement“ lediglich zwei Teilnehmer – allerdings folgten ihnen allein die Hälfte der derzeit 18 syrischen Mitmarschierer, wie Organisatorin Anna Alboth bestätigt. Konkret geht es um die Frage, ob auf der Demo die Flagge der syrischen Rebellen im Bürgerkrieg gegen Machthaber Assad gezeigt werden soll – oder ob nur weiße Fahnen erlaubt sind, wie die Organisatoren zuvor klare Order gegeben hatten: „Wir demonstrieren nicht gegen jemanden, sondern dafür, dass es Frieden gibt.“

Etwa 120 Teilnehmer hätten sich am Montagabend zu einer „gewinnbringenden Diskussion“ zusammengefunden, heißt es in dem Brief. An deren Ende muss es dann Missverständnisse gegeben haben.

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taz-Reportage: Laufen für den Frieden – der Marsch nach Aleppo

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So wollen die Unterzeichner einer „Abstimmung“ beigewohnt haben, nach der „noch drei Personen“ gegen das Zeigen der syrischen Rebellenfahne waren. Alboth sagt am Mittwoch, das sei nur ein „Stimmungsbild“ gewesen. „Wir haben aber den Fehler gemacht, am Dienstagmorgen keine tatsächliche Abstimmung über die Fahnenfrage zu machen.“

Die Verfasser des Briefs werfen Alboth nun „kolonialistisches Gebaren“ vor, weil insbesondere die anwesenden SyrerInnen für das Zeigen der Rebellenflagge seien: „Wenn man im Namen anderer Leute für etwas marschiert, kann man sie nicht ignorieren.“ „Wenn wir die Rebellenflagge zulassen, verlassen uns genauso viele SyrerInnen“, hält Alboth dagegen. Insgesamt liefen am Mittwoch noch 80 Teilnehmer Richtung Syrien.

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23 Kommentare

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  • keine hundert schritte gemeinsam gelaufen und schon taten sich gräben auf.

     

    was für ein geniales abbild der großen politik im kleinen.

     

    und genau darum:

    darum gibt es kriege und menschenschlachtungen.

    weil dann einer will und will und will.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...vielleicht wollten die auch nur Stunk machen?! Hat anscheinend ausgezeichnet funktioniert ; )

  • ähnlich war es bei einem Kölner Schweigemarsch. Geschwiegen wurde kaum, sondern laut Parolen gebrüllt. Ein Gastredner durfte gar nicht reden, weil politisch nicht genehm, (Navid Kermani)

    http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/koelner-aleppo-demonstrationen-freitag-19-30-uhr-auf-der-domplatte-es-geht-los/14984220-2.html

  • Einfach nur weiße Flaggen zeigen finde ich eine super Idee.

     

    Ich verstehe nicht, wie man überhaupt auf die Idee kommt, das jetzt zu politisieren und da diese oder jende Rebellenflagge führen will.

     

    Es ist eben kein Kriegsmarsch, sondern ein Friedensmarsch.

     

    Die Kriegsparteien haben allesamt schon genug Schaden angerichtet.

  • Im Artikel gestern waren es noch 500 Leute die losgelaufen sind. http://taz.de/Kommentar-zum-Marsch-nach-Aleppo/!5365463/

     

    und das von 400 oder 500 Leuten 9 Syrer nicht mehr mitlaufen wollen scheint mir nicht so wichtig wie die Information das nur noch 80 "Mitmarschierer" unterwegs sind. Aber das ist nur meine Meinung, und "Jeder zweite Syrer ist ausgestiegen" hört sich natürlich viel besser an.

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Schade. Ein ehrenwerte und sinnvole Sache wird durch kleine politische Zankereien zeredet und kaputtgemacht.

  • Meine Ohren frieren mir ab, wenn ich Texte über sogenannte gemäßigte oder gar moderate Rebellen lese.

    Es ist nicht zum Aushalten.

    Und im JEMEN verhungern die Kindern dort, wo man früher Krankenstationen zu sagte. Die Ärmchen sind dünn. Die Unfusionsschläuche sind dünn und LEER. Weil es keine Nahrung mehr gibt. Frohes Neues 2017

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Pink:

      Das Wort "moderat" haben Sie sich jetzt dazu gedacht, um sich beschweren zu können. Steht so nicht im Text! ;)

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Der Begriff "moderate Rebellen" ist so alt wie B-Wald. Heute morgen in meiner Printausgabe der taz ein formidabler Dreckfühler ähem Druckfehler. Wurde auch sofort (!) reklamiert :-)

        • 7G
          74450 (Profil gelöscht)
          @Pink:

          Lesen Sie den Text und überprüfen Sie ob Sie sich irren... ;)

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Hm. Werden die syrischen Rebellen nicht immer als "moderate Islamisten" bezeichnet - oder irre ich mich da?

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Jürgen Matoni:

          Erinnert an die "gemäßigten Taliban" Afghanistans, mit denen Steinmeier so gern verhandelt hätte, ...

        • @Jürgen Matoni:

          Kommt auf die Position beim Kucken an ...

          • 7G
            74450 (Profil gelöscht)
            @Pink:

            Richtig! Vergleicht mensch die Brutalität einiger Rebellen mit der des IS oder des Regimes, dann bleibt nur der Begriff gemäßigt.

  • Nur wenn die Leute absolut neutral marschieren - weder für westliche/Golfstaaten-Söldner-Terroristen noch Assad/Russland- macht es Sinn.

  • Was für ein Sinnbild für die ganze Situation.

     

    Wenn sich nicht mal der "Friedensmarsch" zusammenreißen kann, sondern sich nach wenigen Tagen zerstreitet, wie soll dann das Land je den Weg zurück in den Frieden finden?

     

    P.S.: Der Kolonialismusvorwurf im letzten Absatz ist ja großartig. Selten, dass ich bei einem so schrecklichen Thema so laut lachen musste.

    • @Yoven:

      Da haben Sie vollkommen recht. Man muß sich doch fragen, wie diese edlen Muslime auf den Gedanken kommen, in einem abrundtief bösen Kolonialistenstaat wie Deutschland vor den muslimischen Brüdern und Schwestern Zuflucht zu suchen.

      • 7G
        74450 (Profil gelöscht)
        @Jürgen Matoni:

        "an muß sich doch fragen, wie diese edlen Muslime auf den Gedanken kommen, in einem abrundtief bösen Kolonialistenstaat wie Deutschland vor den muslimischen Brüdern und Schwestern Zuflucht zu suchen."

         

        Und was ist Ihre Antwort? Die würde mich jetzt brennend interessieren!

  • Da hat wohl jemand versucht, eine gute Idee für seine Parteiinteressen zu kapern...

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Also, 400 sind in Berlin gestartet. Heute waren es dann noch 80. Das ist irgendwie ein Schwund von 80% und damit wohl sehr viel mehr als "die Hälfte der Syrer". Oder wie jetzt?

  • Was gab es da zu streiten? Es soll ein Civil March sein! Die SFA war und ist für den bewaffneten Kampf, also so falsch am Platz wie nur irgend möglich. Sie hat die Eskalation selbst seit 2012 maßgeblich vorangetrieben.

    Sind jetzt wirklich alle von humaner und moralischer Orientierungslosigkeit befallen?

  • Wenn sie Partei für eine Seite ergreifen, werden die anderen sie aufreiben, bevor sie überhaupt angekommen sind. Man kann nicht gegen Krieg demonstrieren, indem man Partei für eine beteiligte Seite ergreift, das verschärft ihn nur.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Kaum unterwegs, schon zerbröselt die eigentlich gute Idee und scheitert an Partikularinteressen. Gut, dass die Differenzen nicht erst nach Wochen zutage treten...