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Friedensmahnwache in BerlinEndlich mal naiv sein dürfen

Am Montag nahmen an der Friedensmahnwache in Berlin auch linke Aktivisten teil. Teils standen sie auf dem Podium, teils traten sie als Störer auf.

... und da gingen die Herrschenden in sich und ließen ab von ihrem verwerflichen Tun: Wahnmache in Berlin. Bild: imago / ipon

BERLIN taz | Die Frage, ob es eine Gegenkundgebung zur Friedensmahnwache gebe, verdutzte den Polizisten am Montagabend vor dem Brandenburger Tor. „Dann wäre man ja gegen den Weltfrieden“, war sich der Ordnungshüter sicher.

Etwa ein Dutzend junger Aktivisten aus dem antideutschen Spektrum sah die Sache anders. Zwar ohne offizielle Kundgebung, aber mit israelischen und US-amerikanischen Fahnen machten sie im Verlauf der achten Berliner Montagskundgebung auf sich aufmerksam und wetterten gegen antisemitische Klischees, der sich die neue Bewegung bediene. Einige Ordner und Polizisten drängten die Störer ohne viel Aufsehen zur Seite.

Auf dem Podium sprach derweil ein anderer sich als „links“ begreifender Aktivist zu den mindestens 1.500 Versammelten. Pedram Shahyar, ehemals Mitglied im Koordinierungskreis von Attac, war gekommen, um die Notwendigkeit einer großen Bewegung heraufzubeschören.

„Am Freitag hat in Odessa ein schreckliches Massaker stattgefunden. Nach übereinstimmenden Berichten haben faschistische Banden, die von der Regierung in Kiew gestützt werden, ein Gewerkschaftshaus angezündet“, begann Shahyar. In der Ukraine drohe eine „neues Syrien“, das müsse unbedingt verhindert werden. Dass der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk die Polizeiführung von Odessa wegen des Anschlages entließ, sagte er nicht.

Das „ganze Scheißsystem“

Shahyar wollte den Vorwurf der Naivität an die Bewegung nicht gelten lassen: „Wenn der Mut zur Tat naiv ist, will ich mit euch naiv sein“, sagte der Aktivist, der sich als erster profilierter Vertreter des linken politischen Spektrums den Montagsdemos angeschlossen hat.

„Wir als Bewegung definieren uns nicht im Links-rechts-Schema“, sagte Shahyar. Ein Problem hatte er lediglich mit organisierten Neonazis. Diese hätten auf den Mahnwachen nichts zu suchen, so Shahyar. Doch solange sich die Bewegung nicht in Gänze nach Rechtsaußen abgrenzt, werden sich weiterhin Neonazis im Publikum befinden.

So war es auch an diesem Montagabend. An ihre eigene Rhetorik erinnert durften sie sich fühlen, als sich Lars Mährholz, Initiator der Bewegung, in seiner Eröffnungsrede von allen politischen Parteien und dem „ganzen Scheißsystem“ abgrenzte.

Umjubelter Höhepunkt des Abends war für viele dann der erneute Auftritt des ehemaligen Radio-Moderators Ken Jebsen, der von geheimen Truppenverschiebungen in die Ukraine berichtete. Die Menge nickte zustimmend.

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6 Kommentare

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  • Die Friedensmahnwachen sind ein nicht mehr überschaubares KOnglomerat unterschiedlichster gesellschaftlicher Strömungen, neben denen sich auch Gruppierungen wie die NPD und die AFD tummeln.

     

    Zur Ergänzung des o.g. Beitrages hier ein Beitrag aus haGalil: http://www.hagalil.com/2016/06/bilderberger/

  • Achso... ja. Gemeint ist übrigens folgender Beitrag von mir (denke ich):

     

    http://benschreibt.wordpress.com/2014/04/23/friedensbewegung-2014-identitatskontroverse/

  • Hej.

     

    Lieben Dank für die Werbung. Wundere mich schon seit geraumer Zeit warum ich von Taz.de Aufrufe kriege.

     

    Also... Gruß und Besten Dank,

    Ben

  • Naiv und kindhaft ist z.B. die Erklärung von "ben Nie" oder Ben schreibt auf seinem Blog

    http://benschreibt.wordpress.com/

     

    ein 28jähriger der denkt und erklärt wie ein Kind.

  • "„Am Freitag hat in Odessa ein schreckliches Massaker stattgefunden. Nach übereinstimmenden Berichten haben faschistische Banden, die von der Regierung in Kiew gestützt werden, ein Gewerkschaftshaus angezündet“, begann Shahyar. [...] Dass der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk die Polizeiführung von Odessa wegen des Anschlages entließ, sagte er nicht."

     

    Nein. Warum sollte er? "Yats" und seine Putsch-Regierung behaupten ja immer noch, die Opfer im Gewerkschaftshaus hätten sich selbst angezündet.

     

    Aber "man weiß ja so wenig". Zum Beispiel, dass ganz zufällig am Tag des Massakers Andrei Parubiy, Chef von Ukraines "Nationalem Verteidigungs- und Sicherheitsrat" und Mitbegründer der "Sozial Nationalen Partei" mit Wolfsangel aka Svoboda extra nach Odessa gereist war... Crucial investigation into the role of the junta in the Odessa massacre http://vineyardsaker.blogspot.de/2014/05/crucial-investigation-into-role-of.html

     

    "Endlich mal naiv sein dürfen". :D

  • Das sich zu Versammlungen auf der Straße auch immer ein paar ich nenne sie mal seltsame geltungsbedürftige Gestalten zu profilieren versuchen, ist ganz normal und sollte sicher auch erwähnt werden. Sich aber grundsätzlich spöttisch über Menschen zu äußern, die ihren Hintern hochbekommen, um gegen einen sich androhenden Krieg zu demonstrieren, ist dumm, arrogant und der Taz einfach nicht würdig.

    Wenn ich es nicht schon getan hätte, würde ich euch heute kündigen.

    Gruß an Frau Pohl und ihre Anti Rußlands, Anti Friedens Fraktion!

    Geifert schön weiter im Chor der anderen"Qualitätsmedien"

    Und zensiert mich :)