Friedensbewegung in Afghanistan: Plauschen mit den Taliban
Die deutschen Kriegsgegner von Pax Christi und Ialana fordern einen Nato-Abzug aus Afghanistan. Vor Ort erlebe man die Nato-Besatzung als Unrechtsregime.
BERLIN taz | „Die Afghanen sind zutiefst müde vom Krieg, sind abgrundtief enttäuscht vom Westen, und daraus resultiert Wut.“ Das ist das Fazit von Rainer Braun, dem Generalsekretär der Organisation Ialana (JuristInnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen), nach seiner Rückkehr aus der afghanischen Hauptstadt Kabul.
Braun gehört zu einer siebenköpfigen Delegation der deutschen Friedensbewegung, die sich eine Woche lang erstmals vor Ort ein Bild vom Konflikt am Hindukusch gemacht hat.
„Alle unsere afghanischen Gesprächspartner habe die Situation im Land als Besatzung bezeichnet“, berichtet Christine Hoffmann, Generalsekretärin von Pax Christi, am Dienstag vor der Presse in Berlin. „Sie erleben die Besatzung durch Nato-Truppen als Unrechtsregime, in dem sie nichts zu sagen haben.“ Die Delegation habe vor allem Vertreter der Zivilgesellschaft aus den Bereichen Frauen, Medizin und Wissenschaft getroffen, aber auch Diplomaten, Politiker sowie Extaliban.
„Unsere afghanischen Gesprächspartner halten einen nach 2014 drohenden Bürgerkrieg für unwahrscheinlich“, sagt Hoffmann. Bis Ende 2014 will die Nato ihre Kampftruppen vom Hindukusch abziehen. Die Vertreter der Friedensbewegung trauen der Ankündigung nicht, die ihrer langjährigen Forderung entsprechen würde, und kündigen schon Proteste gegen einen unvollständigen Abzug an.
Hoffmann kritisiert internationale Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die den Verbleib der Nato in Afghanistan befürworteten. „Diese NGOs leben von dem Konflikt und profitieren von der Situation im Land, weshalb sie nicht wollen, dass das westliche Militär abzieht.“
„Nato stärkt die Kriegsverbrecher“
Braun sieht erst durch einen vollständigen Nato-Abzug Chancen auf eine Koalitionsregierung aller relevanten afghanischen Kräfte. „Wenn es nicht zum Abzug kommt, gibt es höchstwahrscheinlich einen Aufstand der Bevölkerung gegen die Besatzer“, heißt es in der nach der Reise veröffentlichten Erklärung. „Immer wieder haben wir den Satz gehört: Die Nato stärkt die Kriegsverbrecher.“
Überraschend waren für Hoffmann die Treffen mit früheren Taliban. „Die haben sogar Fehler eingeräumt und sagen jetzt selbst, Frauenbildung ist wichtig.“ Das würden die Taliban auch in der von ihnen kontrollierten Südprovinz Helmand mit Schulen für Jungen und Mädchen zeigen, wie Taliban-Gegner bestätigt hätten. Doch verstünden die Taliban nicht, wieso der Westen eine enge Sicherheitspartnerschaft samt Waffenlieferungen mit ihren ideologischen Verbündeten, den Saudis, habe, die Taliban aber schneide.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos