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Fridays for FutureGreta und die #Rezoluzzer

Kommentar von Konrad Götz

Die Klimabewegung argumentiert mit Fakten und Vernunft. Sie will nicht belehren, sondern fordert dazu auf, Beschlüsse umzusetzen.

20. September 2019, globaler Streiktag für das Klima, in München Foto: Michael Dalder/reuters

W as ist da eigentlich passiert im letzten Jahr? Im März folgen weltweit über eine Million junge Leute dem Vorbild Greta Thunbergs und streiken für den Klimaschutz. Im Mai geht in Deutschland das Video von Rezo ­viral. Dann die Ergebnisse der Europawahl: Schock in den ­Volksparteien. Nach der Ansprache von Greta ­Thunberg vor den UN schreibt der ­Guardian über die ­16-Jährige: „Sie zeigt der Welt, was ­Führung heißt.“ Fridays for Future (FFF) wird für den Friedens­nobelpreis ­gehandelt.

Im ­September treten dann nicht mehr nur die Jungen, sondern ganz unterschiedliche ­Altersgruppen demonstrierend in den ­Kli­mastreik. 27.000 Wis­senschaftle­r*in­nen erklären sich in einem ­Aufruf von „Scientists for Future“ mit den Zielen von Fridays for Future solidarisch. Die ersten Reaktionen sind patriarchalisch-autoritär. „Geht zurück in die Schule, Kinder!“, „Überlasst die Klimaforschung den Profis!“ Oder auch zu Rezo: „Das darf der gar nicht!“, „Kann man das vielleicht gesetzlich in den Griff kriegen?“

Die zweite Reaktionswelle, nach der Europawahl: „O Gott, wir verlieren die Jugend!“, „Wir haben keine Netzkompetenz.“ Und dann: „Bitte lasst uns wieder miteinander reden.“ Die dritte Reaktionswelle: In den Parteien und im politischen Apparat entsteht nackte Angst vor Wahlstimmenentzug und Machtverlust. Das Thema wird schlagartig auf die Tagesordnung gesetzt, um an der Macht bleiben zu können. Das Klimapaket wird geschnürt.

Der eigentliche Erfolg der Bewegung ist, dass sie einen überraschenden neuen Diskurs über das Thema Klimaschutz in Gang bringt. Es wird neu durchdacht. Das Problem, das seit dem Bericht des Club of Rome 1972, also seit 45 Jahren bekannt ist, erfährt eine neue, verblüffende Dringlichkeit. Der unmittelbare Bezug auf die Menschheit, auf die junge Generation selbst ist neu. Und das ist die Quelle ihrer Wucht. In der „How dare you“-Rede, „Wie könnt Ihr es wagen“, sagt Greta Thunberg:

FFF brachte überraschenden neuen Diskus in Gang

„Menschen leiden, Menschen sterben, ganze Ökosysteme brechen zusammen, wir stehen am Beginn eines Massensterbens.“ FFF schreibt: „$(L­B3616987:„­Sci­en­tists for Future“|_blank)$.“ Und bei Rezo heißt es schlicht: „Wenn wir nicht krass was ändern, (ist) die Zukunft von der jungen Generation und von allen folgenden Generationen im Arsch.“

Die Klimakrise wird damit auf die eigenen Chancen, ein gutes Leben zu führen, bezogen: Ihr macht unsere Zukunft kaputt! Das ist eine neue Dringlichkeit. Es geht um uns selbst. Nicht so sehr um eine „Um-welt“ da draußen, um irgendetwas Externes, das wir freiwillig, weil wir gute Menschen sind, pfleglich behandeln sollten. Weil wir Bienen lieben, Bäume umarmen, Eisbären süß finden.

Was die neue Bewegung inhaltlich stark macht, ist die Verankerung in der Wissenschaft

Nein, hier wird ein direkter Bezug des Handelns und des Nichthandelns auf die Lebenschancen der heute lebenden jungen Menschen hergestellt. Diese dringlichen Botschaften werden mit einer unerwarteten Haltung vorgetragen. Die Jungen rennen nicht gegen die Herrschenden an, sondern sie beobachten sie. Rezo sagt: „Ihr haltet eure eigenen Ziele nicht ein.“ Luisa Neubauer erklärte im taz-Interview: „Wir sagen nicht, wie es anders und besser geht.

Wir sagen: Freunde, könntet ihr mal bitte schleunigst durchsetzen, was ihr schon 1992 in Rio und 2002, 2006 und 2015 alles beschlossen habt?“ Es sei, „als würden wir unsere Eltern und unseren Staat ein bisschen […] erziehen.“ Tatsächlich schlüpfe man „in so eine ganz merkwürdige Lehrer-und-Lehrerinnen-Rolle“. Redakteur Peter Unfried bringt es auf den Punkt: „Die ‚Mündigkeitszuständigkeit‘ hat sich umgedreht.“

Ein Grundkonsens braucht mehr als Fakten

Was die neue Bewegung inhaltlich stark macht, ist die Verankerung in der Wissenschaft. Greta Thunberg: „Ihr müsst uns Kindern nicht zuhören, niemand muss kommen, wenn ich rede. Okay. Aber was wir erwarten, ist: Nehmt die Wissenschaft zur Kenntnis“, die sagt, dass „unser CO2-Budget noch für acht Jahre reicht. „Viele glauben, es sei unsere Meinung, die wir hier vertreten. Uns wird gesagt: ‚Wir sind nicht deiner Meinung!‘ Aber schaut euch doch einfach den letzten Bericht des Weltklimarats an.

Hier findet ihr alle unsere ‚Meinungen‘ zusammengefasst.“ Der Gültigkeitsanspruch der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Klimakrise wird von Einstellungen und Meinungen entkoppelt. Ähnlich Luisa Neubauer: „Das Spannende an der Klimakrise ist ja, dass es eine geophysikalische Wahrheit gibt, an der nicht zu rütteln ist, plus minus Abweichung. Wissenschaftliche Tatsachen haben eine andere Stellung als kulturelle Wahrheiten.“

Sie stellt damit „harte“ naturwissenschaftliche gegen „weiche“ kulturelle Wahrheiten bzw. Meinungen. Das ist eine geschickte Argumentationsstrategie, greift aber zu kurz. Die neue Bewegung, sollte genau hier, bei den „weichen Faktoren“, ihre Argumentationen und Handlungsstrategien noch schärfen. Denn aus den objektiven Daten der ­Klimaforschung ergibt sich nicht automatisch, wie der gesamte gesellschaftliche Trans­formationsprozess – einschließlich der Frage subjektiver Akzeptanz – fortgesetzt werden kann.

Wie auch jene Gruppen einbezogen werden können, die sich bisher mit ihren Einstellungen gegen die Erkenntnisse der Klimaforschung abschotten. Denn um eine wirksame Klimaschutzpolitik wirklich praktizieren zu können, benötigen wir einen gesellschaftlichen Grundkonsens.

Dieser entsteht nicht automatisch auf Basis „geophysikalischer Wahrheiten“, sondern es braucht gleichzeitig ein ­kritisches, sozialökologisches Trans­formationswissen, das auch die weichen Faktoren der Meinungen und Grundeinstellungen ­unterschiedlicher sozialer Gruppen berücksichtigt.

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9 Kommentare

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  • Fakt ist, dass 2019 - laut Agora-Energiewende - 50.000.000 Tonnen CO2 im Sektor Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen eingespart wurden.



    Obwohl viele Parteien den Emissionshandel nach Kräften bekämpften, ist der gestiegene Preis der CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandel die alleinige Ursache für die Ersparnis.



    So klappt das!



    Nun muss noch Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft in den Emissionshandel eingebunden werden, dann wird auch dort, wie oben schon bewiesen, CO2 in bedeutendem Maße eingespart...es fehlen jetzt nur noch 5% zur Erzielung der Klimazieles des Jahres 2020.Vielleicht schaffen wir´s ja sogar noch! Wäre echt zu wünschen!



    All das klappt ganz ohne Umbau des "Systems" und ganz ohne Befolgung irgendwelcher ideologisch basierter Theorien!



    So zieht auch die Mehrheit der Bevölkerung, von manchem AfD-Wähler mal abgesehen, mit!



    Überzeugende, tatsächliche Beweise (50 Millionen Tonnen CO2-Einsparung) sind immer schlagkräftiger als die wohlklingenste Theorie.



    Ach ja, hier der Link zum Nachlesen:



    www.agora-energiew...9-auf-rekordtiefs/



    Hier hat übrigens die FDP seit Jahren Weitsicht bewiesen, obwohl sie von allen Seiten wegen ihrer unbeirrten Befürwortung des Emissionshandels von Anfang an angefeindet wurde! Sie hatte damit recht und nun den Erfolg auf ihrer Seite!

  • 0G
    07324 (Profil gelöscht)

    Alleine der Umbau der globalen Transportschiffswirtschaft soll ~1Billion kosten. Solche Aussagen wie diese erzeugen das Gefühl der Unmöglichkeit einer Lösung. Weil wer soll es denn bezahlen?



    Wir haben also 2 grundsätzliche Probleme. Einmal wie im Artikel steht, die einfach Zusage, dass die Entscheider sich an die Zusagen halten müssen. Damit einhergehend kommt die Frage nach Alternativen in der Umsetzung. Es ist ja nicht nur eine technische. Es ist eine finanzielle und vor allen Dingen eine zeitliche.

    Ich will nicht zu pessimistisch sein, aber weder sehe ich, dass die Zusagen eingehalten werden, geschweige denn, dass die Regierungsparteien (global) in der Lage sind Alternativen auszuarbeiten.

    Was bleibt? Totaler Boykott des Systems?

  • Ich müsste etwas widerstehen. Die Aussage dass uns das CO2 nur noch acht Jahre reicht bezieht sich auf das schlimmstmögliche Modell. Ich habe mich in die Arbeiten zum Klimawandel ein wenig eingelesen und weis daher dass es eine größe in den Modellen gibt, die nicht genau bekannt ist. Diese sogenannte CO2-Sensitivität der Erde gibt an um wie viel Grad Celsius pro ausgestoßenem CO2 sich die Erde erwärmt. Wir kennen nur ein Intervall in dem diese Größe liegt, weswegen die Modelle für den Klimawandel varieren. Aber klar ist es wäre sinnvoll etwas zu tun wobei wir mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Zeit haben als diese 8 Jahre. Das Hauptproblem besteht aber unabhängig von der Frage welche Simulation zutrifft, darin das die EU Zone nur ca 12% am weltweiten Auststoß beteiligt ist.



    Wir müssen etwas tun, aber da unser Einfluss bezogen auf die Welt sehr klein ist, steckt viel Symbolpolitik darin. Aus diesem Grund sollten wir die Energiewende so umsetzen dass wir einsparen aber gleichzeitig gut Industrialisert bleiben können um anderen Ländern aufzuzeigen dass dies möglich ist. Und wir müssen dringend an wirklich guten Energiequellen forschen. Letztlich müssen wir auch China, Russland und die USA überzeugen, wenn die nichts machen ist die Sache sowieso verloren. Aus diesem Grund sollten Technologien erforscht werden die es ermöglichen mit den Folgen des Klimawandels leben zu können oder diesen zu verlangsamen bzw. umzukehren.



    Ich denke der Hauptfokus sollte in unserem Land auf Gespräche mit den anderen Ländern und der Erforschung neuer Technologien liegen. Möglichst schnell möglichst viel CO2 einzusparen hat in unserem Fall keinen so großen Effekt, weswegen Maßnahmen zur CO2 Reduktion zwar umgesetzt werden sollen aber nicht das wichtigste ist was wir weltweit beitragen können.

    • @Micheal Kohlhaas:

      ein wirklich beachtenswerter, kluger und zukunftsweisender Beitrag... und ohne ideologischen Beigeschmack!! Sehr gut!

  • Es wird unglaublich viel mit apokalyptisch getränkten Emotionen gearbeitet. Und das Ziel scheint v.a. eins zu sein - so viel CO2-Bepreisung wie es nur geht den (westlichen) Ländern abzuknöpfen. Würde mich nicht wundern, wenn dieser massiven Verbrauchssteuer eine ESt-Senkung folgt

  • Guter Kommentar zu den Forderungen von FFF an die Politik. Aber "wie auch jene Gruppen einbezogen werden können, die sich bisher mit ihren Einstellungen gegen die Erkenntnisse der Klimaforschung abschotten," muss FFF jetzt nicht auch noch angehen. Es ist ja bislang die Politik die vollkommen irrational auf radikale Minderheiten hört nur weil diese viel Geld haben und weiter mit der CO2 Überproduktion viel Geld verdienen wollen und Jahrzehntelang ihren Kund:innen vorlogen dass nur ihre Produkte Freiheit und ein gutes Leben ermöglichten.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Auf jeden Fall ist FFF eine erfrischende Bereicherung.



    Hat man sich in meinem Alter z.B. vielleicht schon damit abgefunden, das jeder Verkehrsminister das Auto bevorzugen wird, ist diese Gewissheit nun ernstlich in Gefahr.

    Mit dem heutigen Wirtschaftssystem wird es allerdings keine Lösung geben.



    Der Kommunismus, auch der chinesische, wird uns eher tiefer hineinreiten. Was wir brauchen ist Spaß beim Schrumpfen und alle müssen mitmachen, sonst wird es eklig.

  • Alles richtig. Es muss endlich gehandelt werden.



    Da sind sich sicher die allermeisten einig.



    Soviel zu "Machen"

    Um das Wie wird sicher noch heftig gestritten.



    Denn hier wird es politisch.



    Es geht um Macht, Interessen und (die Verteilung) Geld (Kosten, Gewinne).



    Wie immer.

  • Solange SUVs gekauft werden, Fette Fahrräder mit Breitreifen und Anhänger, die sich ohne Motor nicht bewegen lassen und alle pausenlos Online am Smartphone hängen, braucht mir keiner erzählen, daß die Klimakatastrophe irgendjemanden interessiert.

    Außer natürlich als verlogene Begründung überall noch ein Kassenhäuschen und eine Bezahlschranke, eine Ablaßgebühr abzuzocken.