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Fremdenfeindliche Gewalt in DeutschlandSachsen ist Spitzenreiter

In Deutschland gibt es immer mehr Gewalt gegen Flüchtlinge und deren Helfer, besonders in Ostdeutschland. Fakten über den Fremdenhass.

Mehr Herz statt Hetze ist vor allem in Sachsen vonnöten. Demonstranten wenden sich gegen den Fremdenhass. Foto: dpa

Statistisch gesehen wird fast jeden Tag mindestens ein Mensch in Deutschland zum Opfer rassistischer Gewalt. Bis einschließlich September hatte das Bundesinnenministerium in diesem Jahr 389 Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Motiv und 300 Verletzte gezählt – und da stand die Radikalisierung im Spätherbst noch bevor.

Die Zahl der Angriffe auf Unterkünfte von Flüchtlingen hat sich in diesem Jahr sogar mehr als vervierfacht. Bis Mitte Dezember hat das Ministerium 850 solcher Übergriffe gezählt, 2014 waren es noch 199 gewesen. Dabei kann es sich um eingeworfene Fensterscheiben, Hakenkreuz-Schmierereien und rassistische Parolen handeln, die vor einem Flüchtlingsheim skandiert werden. Darunter fallen aber auch Schüsse auf Flüchtlingsheime und Brandstiftungen.

Unabhängige Stellen wie die Amadeu Antonio Stiftung, Opferberatungsstellen oder das antifaschistische Pressearchiv apabiz kommen aber auf noch höhere Zahlen, allein über 120 Brandanschläge haben sie in diesem Jahr gezählt. Viele Vorfälle wie Schmierereien, eingeworfene Fensterscheiben oder Angriffe mit Buttersäure findne in den Aufzeichnungen keine Berücksichtigung.

Sachsen ist Spitzenreiter in Sachen Gewalt gegen Flüchtlinge. Mehr als ein Viertel aller Übergriffe auf Unterkünfte von Flüchtlingen ereignete sich hier. Der Anstieg rechter Gewalt sei „auch ein Ergebnis geistiger Brandstiftung“, hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier jüngst gesagt, ohne Pegida beim Namen zu nennen. In Sachsen lässt sich dieser Zusammenhang statistisch belegen, denn dort gibt es die meisten Demonstrationen gegen Flüchtlinge und „Nein zum Heim“-Bürgerinitiativen. Auf dem zweiten Platz folgt Brandenburg mit 40 solcher Initiativen.

Bis Mitte Dezember hat das Innenministerium 850 Übergriffe auf Flüchtlinge gezählt

Der Hass richtet sich aber längst nicht nur gegen Flüchtlinge, sondern auch gegen deren Helfer und Unterstützer, gegen Journalisten und Politiker. Es waren Attacken auf Politiker, die in diesem Jahr bundesweit am meisten Entsetzen hervor gerufen haben, allen voran der Anschlag auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker im Herbst. Und erst seit Politiker und Journalisten vermehrt zur Zielscheibe werden, wird über eine „Verrohung der Sprache“ und „Hetze im Netz“ diskutiert.

Die alltägliche Gewalt, der Flüchtlinge insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern ausgesetzt sind, droht dadurch, etwas aus dem Blick zu geraten.

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12 Kommentare

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  • Sachsen ist da trauriger Spitzenreiter. Wofür wird die Erkenntnis gebraucht? Für den politischen Zeigefinger? Um von den folgenden anders regierten Spitzenreitern in Ossiland abzulenken?

  • Also in Sachsen scheint man sich weiterhin ausführlich mit der Erfassung der "Sorgen" aller Bürger zu beschäftigen:

     

    "Dresden. Die Dresdner machen sich die meisten Sorgen über das Leistungsvermögen der politischen Elite. 63 Prozent von ihnen haben große oder sehr große Sorgen, dass „Politiker mit den Problemen überfordert sind“. Das geht aus dem aktuellen DNN-Barometer hervor, für das bei einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden Anfang Dezember 518 Einwohner befragt wurden.

     

    Auf einer Sorgen-Skala von 1 bis 5 konnten die Befragten abstufen zwischen „habe gar keine Sorgen“ und „habe sehr große Sorgen“ (5). Bei der Frage nach den Politikern erklärten 39 Prozent, dass sie sich „sehr große Sorgen“ machen. Weitere 24 Prozent wählten Level 4, drei beziehungsweise elf Prozent nur Stufe 1 oder 2.

     

    Dahinter rangieren gleich vier Themen, die in etwa auf dem gleichen Sorgenniveau rangieren. 47 Prozent (20 Prozent Stufe 4, 27 Prozent Stufe 5) haben erhebliche Sorgen wegen „islamistischem Terror“. 45 Prozent fürchten, „dass religiöse Konflikte hier ausgetragen werden“. Es schließen sich große Sorgen vor steigender Kriminalität (43 Prozent) an und davor, „dass die Renten unsicher sind“...."

    http://www.dnn.de/Dresden/Lokales/Dresdner-zweifeln-mehrheitlich-am-Leistungsvermoegen-der-Politiker

     

    Was das an der Einstellung und den Aktivitäten gegenüber "Ausländern" und deren "Unterstützer" (positiv) verändern soll, bleibt mir ein Rätsel.

     

    Aber das "Sorgenbarometer" scheint in Sachsen ganz wichtig zu sein. Sächsische Sorgen über alles, Hauptsache es ist mal gefragt, gesagt und veröffentlicht worden. Sachsen trauen sich das noch ;-) Sächsischer (falscher) Stolz...

    • @Hanne:

      Also, mich hat noch keiner nach meinem Sorgenbarometer gefragt:

      NEIN! Ich mache mir keine Sorgen wegen der Sachsen! Das besorgen dieselbigen nämlich selber: Die Sachsen machen MIR Sorgen (und nicht umgekehrt) und das auf eher hohem Level.

  • "Der Anstieg rechter Gewalt sei auch ein Ergebnis geistiger Brandstiftung.“

     

    Donnerwetter! Es gibt also tatsächlich einen SPD-Politiker, der das schon geschnallt hat. Hoffentlich steckt er dem Siggi-Pop und seinen "besorgten Bürgern" das bei Gelegenheit auch mal.

  • "Ostdeutsche Politiker, insbesondere in Sachsen, sind in der Tat Teil des Problems."

     

    ... Bernd Höcke stammt aus Lünen, am nördlichen Rand des sog. multikulturellen Schmelztiegels Ruhrgebiet – an dessen südlichem Rand, in Iserlohn stand die Wiege von Reinhard Boos, des in die Kritik geratenen, ehem. Präsidenten des Sächsischen Verfassungsschutzes…

    • @Gion :

      pardon, Herr Lucke: Björn, natürlich...

      • @Gion :

        Gut, dass Sie das jetzt mal endgültig klar gestellt haben. Thüringen ist ja irgendwie auch nur Sachsen und Björn Höcke ist nur der neue Künstlername von Bernd Lucke.

        Frage: Wie kommt jetzt einer vom weltstädtischen Lünen in die Thüringer Provinz?

        Antwort: Die Junge Union dort war ihm einfach noch nicht radikal blöd genug.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Der Dank dafür geht an AfD, CSU und Teile der CDU...

  • 7G
    79762 (Profil gelöscht)

    Immer wieder erstaunlich, wie kurz das Gedächtnis mancher Leute hinsichtlich der selbst empfangenen Solidarität ist.

    • @79762 (Profil gelöscht):

      Nunja als Solidarisch wird Westdeutschland eher nicht empfunden, durch den Zusammenschluss ist eher eine Entsolidarisierung eingetreten. Soziale Errungenschaften wurden massiv gekürzt, die Emanzipation wurde um Jahrzehnte zurückgeworfen, das Bildungssystem hat Rückschritte gemacht. Viele Wendeverlierer, anstatt als Melkuh der Sowjetunion ist man nun die Melkkuh des Kapitalismus mit Billiglöhnen und Rentenkürzungen.

      • @Sascha:

        "das Bildungssystem hat Rückschritte gemacht"

         

        ...was ein Lacher! Mal abgesehen davon, dass es hier immer noch genug Erzieher und Lehrer alter DDR- bzw. Diktatur-Schule gibt.

         

        Mit etwas anderem Bildungsansatz, würden in der Ex-DDR vielleicht auch mal andere Gedanken frei gesetzt werden.

  • 6G
    6120 (Profil gelöscht)

    Ostdeutsche Politiker, insbesondere in Sachsen, sind in der Tat Teil des Problems. Wer Hetzern wie PEGIDA solch prominente Plätze wie vor der Semper - Oper in Dresden für ihre Hass-Demonstrationen anbietet (anstatt dem Recht auf Demonstration mit dem Angebot irgendeines Vorortplatzes Genüge zu tun), symbolisiert, dass er diese Hass-Demonstrationen als zu unterstützende Veranstaltung interpretiert. Auch das ist Unterstützung für geistige Brandstiftung. Sie geht mitten durch die sächsische CDU.