Freispruch vom Amtsmissbrauch: Von wegen Gewaltenteilung
Donald Trump bleibt Präsident – nicht wegen tadelloser Amtsführung. Die Republikaner lassen ihn einfach machen, was er will.
W enn ein Gericht sein Urteil schon vor Prozessbeginn fällt, um dann ohne Zeugenvernehmung und Beweisaufnahme zur Verkündung zu schreiten, dann gilt das für gewöhnlich nicht als faires Verfahren. Genau so eines ist am Mittwoch in Washington mit dem Freispruch des US-Präsidenten von den Vorwürfen des Amtsmissbrauchs und der Behinderung des Kongresses zu Ende gegangen. Donald Trump bleibt Präsident – aber nicht wegen tadelloser Amtsführung, sondern wegen der unbegrenzten Bereitschaft seiner Republikaner, Trump einfach machen zu lassen. Legal, illegal, scheißegal.
Es ist völlig klar, dass die Senator*innen den Eid gebrochen haben, den sie zu Beginn des Verfahrens im Senat schwören mussten: Unabhängig und unvoreingenommen die sich ihnen bietende Faktenlage zu bewerten. Wer sich die Sitzungen angesehen hat, sah blutleere, gestanzte Reden vor leeren Rängen. Da gab es außer dem Republikaner Mitt Romney keine Senator*innen, die ihrem Eid gemäß mit sich und den vorliegenden Informationen um eine Einschätzung rangen, um dann gegebenenfalls auch entgegen der Parteilinie abzustimmen.
Es ist müßig zu spekulieren, ob das nunmehr abgeschlossene Amtsenthebungsverfahren Auswirkungen auf die Wahlen am 3. November haben wird und wenn ja welche. Neun Monate sind in der Zeitrechnung von US-Wahlkämpfen mehr als eine Ewigkeit.
Viel wichtiger scheint zu registrieren, wie leicht selbst in den USA, die das System der Gewaltenteilung wie kaum eine andere Nation in ihrer Verfassung verankert haben, Demokratie und Rechtsstaat ausgehebelt werden können. Nicht nur im Deutschland der 1930er oder Ungarn der 2000er-Jahre kann die Demokratie im Rahmen ihrer eigenen Gesetze bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt werden. Dazu braucht es nur eine skrupellose Exekutive und egoistische Speichellecker in den anderen beiden Gewalten. Der Freispruch Trumps im Amtsenthebungsverfahren ist die moderne US-Version des deutschen Ermächtigungsgesetzes vom März 1933.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste