Freispruch für umstrittenen Laborarzt: „Expandieren ist nicht strafbar“

Bernd Schottdorf wird vom Betrugsvorwurf freigesprochen – mal wieder. In den Augen des Gerichts waren die Behörden völlig überfordert.

Bernd Schottdorf und seine Ex-Ehefrau Gabriele am Mittwoch im Augsburger Landgericht

Bernd Schottdorf (links) und seine Ex-Ehefrau Gabriele (rechts) am Mittwoch im Sitzungssaal des Augsburger Landgerichts. Foto: dpa

Augsburg taz | Einsam kommt der Schlossherr die Straße zum Augsburger Justizgebäude herunterspaziert. Wie immer ganz in Schwarz, nur die schlohweiße Haarpracht sticht unter dem schwarzen Regenschirm hervor. Sollte der millionenschwere Laborarzt Bernd Schottdorf, für den die Staatsanwaltschaft vor zwei Tagen viereinhalb Jahre Haft gefordert hat, nervös sein, so lässt er es sich nicht anmerken.

Geduldig wartet er an der Sicherheitsschleuse, wo seine Ex-Frau und Noch-Mitangeklagte Gabriele Schottdorf gerade kontrolliert wird. Ein Fotograf versperrt ihm den Weg, nicht merkend, dass das begehrte Motiv direkt hinter ihm steht.

„Freispruch“ heißt es dann wenig später im Schwurgerichtssaal 101. Der Laborarzt kennt das schon. Bereits in den achtziger und neunziger Jahren wurden zwei Betrugsverfahren gegen ihn eingeleitet. Damals ging es – wie auch jetzt – um Abrechnungsbetrug und um Scheinselbstständigkeit von Ärzten. Beide Male wurde Schottdorf freigesprochen.

Nach dem heutigen Urteil nimmt sich die Vorsitzende Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser mehr als zwei Stunden Zeit, die Entscheidung zu begründen – und dabei kein Blatt vor den Mund: Deutliche Kritik an der Arbeit der Ermittlungsbeamten wie auch an dem in ihren Augen schwachen Plädoyer der Staatsanwaltschaft schwingen in ihren Ausführungen mit. Letztere hatte neben den viereinhalb Jahren Haft für die beiden Angeklagten ein Bußgeld in Höhe von 15,8 Millionen Euro gefordert.

22 Verhandlungstage habe man sich für die Beweisaufnahme Zeit genommen, 30 Zeugen befragt, zwei Sachverständige gehört und unzählige Dokumente geprüft, zählte Riedel-Mitterwieser auf. Allein: Belege für ein strafbares Handeln habe man nicht gefunden.

Dabei wogen die Vorwürfe schwer. Gewerbsmäßigen Betrug in 124 Fällen hatte Staatsanwältin Simone Bader den Schottdorfs vorgeworfen. Laborleistungen im Umfang von fast 79 Millionen Euro hätten sie in den Jahren 2004 bis 2007 zu überhöhten Preisen abgerechnet, indem sie sich eines Netzes von scheinselbstständigen Außenlaboren bedient hätten, um vorgeschriebene Rabatte nicht gewähren zu müssen. So hätten die Schottdorfs den gesetzlichen Krankenversicherungen einen Schaden von knapp 13 Millionen Euro zugefügt.

Komplizierte Materie

Die Materie ist jedoch mehr als kompliziert – ein Fakt, auf den hinzuweisen auch die Richterin nicht müde wird. 90 Umzugskisten voller Dokumente habe die Polizei seinerzeit in dem Labor beschlagnahmt. Man habe sogar eigens Räume anmieten müssen, um sie unterzubringen.

Doch: Die damaligen Ermittlungsbeamten seien völlig überfordert gewesen. So hätten sie sich mit der hochkomplexen Abrechnungspraxis nur unzureichend ausgekannt. Eine Beamtin habe auf die Frage, wie sie sich denn in den Sachverhalt eingearbeitet habe, nur geantwortet, sie habe einen Aufsatz gelesen.

Die Richterin kann sich auch Spitzen gegen die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht verkneifen, deren Juristen sich in ihren Zeugenaussagen ihrer Meinung nach durch besonders wenig hilfreiche Äußerungen hervorgetan haben. „Herumlaviert“ hätten sie, „inhaltsleere Worthülsen“ abgeliefert oder sich in Widersprüche zu früheren Aussagen verstrickt. Ein einheitliches Meinungsbild habe es jedenfalls nicht gegeben – dabei seien die Kassenärztlichen Vereinigungen schließlich die vermeintlichen Geschädigten gewesen.

Landtagsuntersuchungsausschuss geht weiter

Auch habe man den Schottdorfs kein vorsätzliches Verhalten nachweisen können, so die Richterin. „Nicht jedes Gewinn- und Expansionsstreben stellt per se eine strafbare Handlung dar.“ Der Freispruch stand daher für das Gericht außer Frage.

Trotz des Freispruchs wird man von Schottdorf und seiner Ex-Frau allerdings noch länger hören. In München beschäftigt sich seit anderthalb Jahren der Untersuchungsausschuss „Labor“ mit der Frage, ob die Politik zugunsten der Schottdorfs Einfluss auf die Augsburger Ermittlungen genommen hat.

Bernd Schottdorf selbst gibt sich heute wortkarg. „Das war doch eindeutig“, ist sein einziger Kommentar zum Urteil, bevor er das Gerichtsgebäude verlässt.

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