Freihandel in der EU: Ein bisschen Transparenz gewagt
Eine EU-Kommissarin veröffentlicht erste TTIP-Dokumente – doch die meisten sind PR-Texte. Neue oder geheime Aussagen finden sich darin nicht.
BRÜSSEL taz | Charmeoffensive oder echte Transparenz? Darüber gehen die Meinungen auch nach der ersten Veröffentlichung von EU-Dokumenten zum umstrittenen Freihandelspakt TTIP auseinander. Bereits im Herbst hatte die neue EU-Kommission mehr Transparenz bei den Verhandlungen mit den USA angekündigt.
Am Mittwoch stellte Handelskommissarin Cecilia Malmström nun erste Dokumente vor. Doch was man unter der Adresse trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1230 findet, sind nur selten echte Verhandlungspapiere. Die meisten Dokumente sind sogenannte „Fact sheets“, also Informationsblätter, wie sie zu PR-Zwecken für Journalisten geschrieben werden. Neue oder gar geheime EU-Positionen finden sich darin nicht.
Auch inhaltlich ist die Auswahl begrenzt. Die EU veröffentlicht zwar Texte zu einigen Branchen, etwa zur Textil- und zur Autoindustrie. Doch die strategischen Ziele der EU bleiben im Dunkeln. Immerhin geht die Kommission in einem „Fact sheet“ auf Bedenken zu den umstrittenen Schiedsgerichten zur Streitschlichtung (ISDS) ein. Eine klare Verhandlungsposition sucht man aber auf der Website der Kommission vergebens.
Malmström trat persönlich vor die Presse, um die neue „Transparenzoffensive“ zu präsentieren. Die Textvorschläge seien den US-Verhandlern übermittelt worden, sagte sie. Jetzt diskutieren sie beide Seiten – der endgültige Text kann natürlich von den EU-Vorschlägen abweichen. Die nächsten TTIP-Verhandlungen sind für Februar vorgesehen.
EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly begrüßte die Offenlegung, forderte aber weitere Schritte. Auch das Europaparlament reagierte skeptisch. Die Veröffentlichung sei der „Beginn einer langen Reise“, sagte der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD). „Kritische Aspekte, besonders die Frage, wie TTIP öffentliche Dienstleistungen behandelt, beantworten diese Dokumente nämlich nicht“.
Hier müsse die Kommission so schnell wie möglich nachbessern. Kritik kam auch von den Grünen. „Die Transparenzoffensive der Kommission bleibt ein Papiertiger“, so Handelsexpertin Ska Keller. Noch hätten nicht mal alle Abgeordneten Zugang zu allen Dokumenten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden