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Frauen in ParlamentenGender Equality? Fehlanzeige!

In den neu gewählten Landtagen in Brandenburg und Sachsen ist der Frauenanteil zurückgegangen. Alle Parteien haben Nachholbedarf.

Nur 27 Prozent der Abgeordneten in Sachsen sind Frauen, Juliane Nagel ist eine von ihnen Foto: dpa

Sie haben es geschafft: Juliane Nagel verteidigte das einzige Direktmandat der Linkspartei in Sachsen, Hanka Kliese von der SPD wird weiterhin dem Sächsischen Landtag angehören, Kristy Augustin dem brandenburgischen für die CDU. Doch obwohl die Frauen aus unterschiedlichen politischen Lagern kommen, vereint sie die gleiche Sorge: Sie beunruhigt die Abnahme des Frauenanteils in ihren Landesparlamenten.

So sind gerade mal 28 der 88 Mitglieder des neuen Parlaments in Brandenburg weiblich. In der vergangenen Legislaturperiode waren es noch 34, 2004 sogar 36. In Sachsen ist die Situation noch dramatischer: Nur ungefähr 27 Prozent der Abgeordneten sind Frauen. Das bedeutet einen Rückgang von etwa 7 Prozent. Zum Vergleich: Auch im Bundestag war der Frauenanteil in dieser Legislaturperiode gesunken, er liegt dort bei rund 31 Prozent.

„Das ist natürlich sehr bedauerlich“, sagt Augustin, Vorsitzende der Frauen Union in Brandenburg. Für die SPD-Abgeordnete Kliese zeigt sich hier die „Spaltung der Gesellschaft“: „Es geht ein Riss durch den Landtag, konservative und Rechte bis Rechtsextreme haben wenig Frauen in ihren Reihen.“

Den Rückgang ausschließlich auf das Erstarken der AfD zurückführen, ist derweil zu einfach. Zwar dominieren Männer die Partei – in Brandenburg sind nur 5 der 23 gewählten Abgeordneten weiblich –, doch auch bei CDU und SPD kann von gleichberechtigter Teilhabe nicht die Rede sein. Die SPD hat in Brandenburg 25 Mandate, davon sind nur 7 mit Frauen besetzt. Bei der CDU als stärkster Kraft in Sachsen ziehen 45 Kandidat*innen in den Landtag ein, darunter nur 10 Frauen.

Bei Grünen und Linken hingegen sind 50 Prozent der brandenburgischen Abgeordneten Frauen – ihre Listen waren paritätisch besetzt. In Sachsen sind es bei den Linken sogar mehr als die Hälfte. Die Probleme scheinen struktureller Natur zu sein.

Gleichberechtigte Teilhabe ist eine politische Frage

Darauf hat Brandenburg reagiert: Anfang des Jahres hat die rot-rot-grüne Landesregierung ein Paritätsgesetz verabschiedet – gegen die Stimmen der CDU: Ab 2020 müssen die Parteien die Plätze ihrer Landeslisten abwechselnd mit Männern und Frauen besetzen. Für die diesjährige Wahl kam das aber zu spät.

Die SPD-Abgeordnete Kliese und Nagel von der Linken sind sich einig, dass ein solches Gesetz auch in Sachsen helfen würde. „Es wäre zudem gut, auch die Direktmandate einzubeziehen. Da gibt es aber verfassungsrechtliche Vorbehalte“, sagt Nagel. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Linken ist vor Kurzem gescheitert.

„Dennoch haben wir Debatten angestoßen – auch in der CDU. In der AfD natürlich nicht.“ Sie sei aber „sehr pessimistisch“, dass ein solches Gesetz bald kommen werde.

Der Deutsche Frauenverband (DF) fordert ein Paritätsgesetz für alle Landtage und den Bundestag. „Die gleichberechtigte Teilhabe in den Parlamenten ist in erster Linie eine politische Frage. Wenn der politische Wille vorhanden ist, sind auch rechtliche Änderungen möglich“, sagte Elke Ferner, Mitglied im DF-Vorstand, am Tag nach den Landtagswahlen.

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10 Kommentare

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  • Stimmt, Frauen machen per se bessere und gerechtere Politik, eben weil sie Frauen sind! Ohne Männer wären wir schon längst im Paradies! Dieses System der patriarchalen Unterdrückung durch alte weisse cis-Männer gehört endlich abgeschafft!

    Kramp Karrenbauer, von Storch, von der Leyen, Petry, Klöckner etc. ! Yay das wird supi! ... Nicht.

    Wenn wir von "Gleichheit" sprechen, sollte es eben nicht ständig um "Mann" oder "Frau" gehen, sondern einfach um den Menschen und es gibt nunmal mehr Parameter als nur das Geschlecht. Inzwischen sind wir ja soweit dass "Qualifikation: Frau" vollkommen ausreicht. Da kommt die ideologisch-affektiv aufgezwungene "gender equality" als Diskriminierungs-Bumerang zurück.

  • Die betroffenen Parteien sollten sich Gedanken machen, warum sie sowenige Frauen in ihren Reihen haben, wenn wir Frauen das mit der Gleichberechtigung ernst nehmen müssen aber auch meht Frauen sich engagieren und Verantwortung übernehmen, da hakt es nämlich auch, das erlebe ich schon auf Vereinsebene.

  • Wenn der Frauenanteil in den Parteien etwa 50 % beträgt und dieser Zustand wird bemängelt. In Ordnung!

    Davor bitte erst mal die Hausaufgaben machen!

  • Ein Paritätsgesetz ist affirmative Action in Reinform.

    Es wechselt einfach die Bezugsgröße und leitet daraus eine Diskriminierung von Frauen. Nicht der Anteil Frauen an der Gesamtbevölkerung ist entscheident, sondern in den Parteie, die die Menschen zu Wahlen aufstellen. Außer bei Grünen stellen Frauen nicht mal 40% der jeweiligen Mitglieder.

    de.statista.com/st...itischen-parteien/

  • Nehmen wir an, die AfD hätte den höchsten Frauenanteil. Was würde es nützen?



    Wir haben doch eh schon die prägnanten Frauen Weidel, Sayn Wittgenstein, Petry, von Storch etc.

    Die zeigen, dass Frauen eine genausogute reaktionäre Politik machen können. Dafür allerdings brauch ich keine Quote.

  • Gleichberechtigung ist wichtig. Wenn die CDU aber mit deutlich weniger weiblichen Mitgliedern eine 50/50 Quote erfüllen soll, werden Frauen aufgrund ihres Geschlechts stark bevorteilt. Das ist ungerecht. Wenn hauptsächlich nach Geschlecht statt nach Kompetenz entschieden wird, beschweren sich am Ende alle wieder über die inkompetente Politik und Verwaltung.

    Das Mitgliedsein in einer Partei für Frauen attraktiver machen - ggf. gesetzlich verpflichtend - erscheint mir sinnvoller. Außerdem: Gewisse politische Inhalte sind eben für das ein oder andere Geschlecht ansprechender als für andere.

    Sonst haben wir eine ähnliche Situation wie bei mehreren Polizeibehörden - wird eine Frau eingestellt, wird sie schneller und immer weiter befördert, während ihre männlichen Kollegen lange warten müssen. Oder wie bei einigen politischen Ämtern, ein fähiger Mann wäre parat aber die Quote muss erfüllt werden, sodass stattdessen eine weniger qualifizierte Frau eingestellt wurde ,nach der zudem erst gesucht werden musste. (Beide Beispiele aus Berlin)

    Gleichberechtigung? Auf jeden Fall. Parität? Nicht unbedingt. Wenn mehr kompetente Frauen als Männer zur Verfügung stehen, sollen bitte die Damen die Stellen bekommen. Andersrum genauso.

  • Es ist nicht zuletzt eine Frage der Demokratie. Wir alle hätten uns eine andere Zusammensetzung der Landtage gewünscht. 50% Frauen, keine AfD, nicht zu viele alte Abgeordnete, weniger Beamt*innen etc. Wir könnten die Ideale Sitzverteilung vorab bestimmen. Bis vor etwa 30 Jahren wurde das auch in Sachsen und Brandenburg gemacht. Dies nicht zu machen, auch wenn einem das Ergebnis nicht schmeckt, ist Zeichen demokratischer Gesinnung. Diese scheint uns leider zunehmend abhanden zu kommen und das nicht nur am braunen Rand.

  • Wie gross ist der Frauenanteil in den Parteien? Wenn der nicht 50% ist, wieso sollten dann 50% in den Parlamenten sein?

    • @Carine Salazar:

      Weil die Abgeordneten in den Parlamenten die Entscheidungen nicht nur für Parteimitglieder treffen, sondern für alle Menschen. Und von denen sind nun mal die Hälfte weiblich.