Französische Talente in Deutschland: Mehr Égalité in der Bundesliga
Die Fußball-Bundesliga wird zum Durchlauferhitzer: Warum Deutschland für Nachwuchsspieler aus Frankreich so attraktiv ist.
In Dayot Upamecano, 19, Ibrahima Konate, 18, und Jean-Kevin Augustin verpflichtete Monacos heutiger Gegner RB Leipzig sogar drei Großtalente von diesseits des Rheins, auch Amine Harit, 20, (Schalke), Mickael Cuiscane, 18, (Gladbach) und Dan-Axel Zagadou, 18, (Dortmund) wagten den Schritt in die Bundesliga. Der auch erst 23 Jahre junge Corentin Tolisso war mit 41,5 Millionen Euro Ablösesumme, die der FC Bayern an Olympique Lyon überwies, der teuerste Einkauf der Bundesliga-Geschichte. Insgesamt 19 französische Profis kamen in dieser Saison bislang bei den Bundesligisten zum Einsatz. Sie alle träumen von einer Entwicklung, wie sie Ousmane Dembele, 20, bei Borussia Dortmund gemacht hat.
Nach nur einem Jahr in der Bundesliga wechselte der Flügelflitzer zum FC Barcelona. Für 105 Millionen Euro plus Zusatzprämien! Ins Ruhrgebiet gekommen war er für 15 Millionen Euro von Stade Rennes. Viele Talente zwischen 18 und 23 Jahren aus den Jugendakademien Frankreichs sind ein Versprechen auf eine gute sportliche Zukunft, auch deshalb sind sie bei Managern der Bundesliga immer begehrter.
Benjamin Pavard, 21, kam in der vergangenen Saison als unbekanntes Talent aus Lille zum Zweitligisten VfB Stuttgart. Anfang des Monats debütierte der Verteidiger in der Nationalmannschaft seiner Heimat. Die 5 Millionen Euro Ablöse, die der VfB vor anderthalb Jahren nach Nordfrankreich überwies, würden sich bei einem Weiterverkauf nun vervielfachen. Einige Bundesliga-Manager nennen Frankreich in Hintergrundgesprächen einen „wichtigen Markt der Zukunft“. Die täglich erscheinende französische Sportzeitung L’Equipe titelte zuletzt: „Deutschland hat unsere Zukunft in der Hand.“
Aber warum wechselt beispielsweise ein Spieler wie Diallo aus Monaco nach Mainz und nicht nach Nantes, Lyon oder Marseille, um den nächsten Schritt zu machen? Geld ist ein Faktor, aber nicht der einzige; die Klubs der Ligue 1 kassieren viel weniger Geld aus den TV-Verträgen als jene in Deutschland oder England. Ein französischer Spielerberater, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, erklärt: Außer Paris St. Germain und Monaco zahlen französische Klubs für junge Profis ein monatliches Gehalt von höchstens 30.000 Euro. In Deutschland gebe es mindestens das Doppelte – je nach Stärke des Talents -, in England mindestens das Vierfache. In England aber blockieren aufgrund der Finanzkraft der Premier League auf fast allen Positionen Stars die Startelfplätze.
Abdou Diallo, FSV Mainz 05
Auch die besseren Klubs in Frankreich hinter Paris und Monaco bauen auf zentralen Positionen auf etablierte Kräfte. Für die Flut an guten Nachwuchsspielern gibt es oft schlicht keine Verwendung. „Wir haben in Frankreich sehr, sehr viele sehr gute junge Spieler zurzeit“, sagt Abdou Diallo: „Die französischen Vereine wissen aber oft nicht so genau, wie sie die jungen Spieler einsetzen sollen. Die deutschen Klubs haben das erkannt und französische Spieler verpflichtet.“
In Frankreichs Profiteams, so Diallo, herrsche zudem noch eine klassische Hierarchiepyramide: Zuerst kommen die Stars, dann ältere Spieler und erst zum Schluss junge Spieler. In Deutschland hingegen sei der Wille verbreitet, sich auf jeden Spieler individuell einzulassen und ihn besser zu machen: „In Frankreich hatte ich schon den Eindruck, dass verdiente Spieler oder Stars eher mal einen Fehler machen dürfen als ein junger Spieler. Der Umgang mit jungen Spielern, die gerade in die erste Mannschaft kommen, ist in Frankreich ein anderer“, sagt Diallo.
So sei es in Frankreich nicht grundsätzlich üblich, dass der Trainer und der Sportdirektor eines Klubs mit einem jungen Spieler persönlich sprechen. Diallo wechselte auch deshalb für 5 Millionen Euro Ablöse nach Mainz, weil FSV-Trainer Sandro Schwarz und Sportvorstand Rouven Schröder persönlich nach Monaco geflogen waren, um sich um ihn zu bemühen.
In Deutschland, so Abdou Diallo, behandelten die Klubverantwortlichen alle Spieler gleich. Offenbar herrscht in den Kabinen der Bundesliga mehr Égalité als in Frankreichs Erster Liga.
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