Franziskus zu Besuch in Irland: Ein Papst, Pädophile, kaum Protest
Der Pontifex nannte in Dublin Missbrauchsvertuscher „Scheiße“ und bat Gott um Vergebung. Für ihn war es damit getan. Den Opfern reicht das nicht.
Die Empörung sei berechtigt, dass die Kirche nicht angemessen gegen „die abscheulichen Verbrechen“ an jungen Menschen vorgegangen sei, sagte Franziskus am Samstag im Dubliner Schloss vor Politikern und Kirchenvertretern. Das sei nach wie vor eine Quelle des Schmerzes und der Scham. „Ich bitte den Herrn um Vergebung für diese Sünden“, sagte er.
Mit Gottes Vergebung ist es aber nicht getan. Die Worte des Papstes „spenden wenig Trost für die traumatisierten Opfer“, sagte Colm O’Gorman, der Geschäftsführer der irischen Sektion von Amnesty International. Er war 14, als er zum ersten Mal von einem Pfarrer vergewaltigt wurde. „Der Papst hat wieder einmal keine Lösungsvorschläge gemacht, und er hat auch nicht seine eigene Verantwortung für die Krise eingeräumt“, sagte er. Die Rede sei eine Schande, eine „verpasste Gelegenheit, einzugestehen, dass der Vatikan die Vertuschung der Verbrechen orchestriert“ habe.
Franziskus bezeichnete ausgerechnet den Brief seines Vorgängers Benedikt alias Ratzinger aus dem Jahr 2010 als leuchtendes Beispiel für die Reue der Kirche. Die Opfer hingegen beklagen eben diese Kontinuität der kirchlichen Reaktion auf den Kindesmissbrauch und fordern einen radikalen Wandel.
Der ist aber mit Franziskus nicht zu machen. Er hatte zwar am Samstagnachmittag in der Residenz des päpstlichen Nuntius Missbrauchsopfer getroffen und Vertuscher des Missbrauch als „Scheiße“ bezeichnet. Aber später im Stadion Croke Park, wo ihm vor 82.000 Zuschauern eine Show aus Musik und Tanz geboten wurde, sagte er, es sei wichtig, zu vergeben. Um Frieden in der Familie zu stiften, bedürfe es nur dreier Worte: „Entschuldigung, danke, bitte.“
Am Sonntagmorgen flog Franziskus zum Wallfahrtsort Knock an der irischen Westküste und sprach vor 45.000 Menschen ein Gebet. Danach ging es wieder zurück nach Dublin, wo er um 15 Uhr im Phoenix Park vor einer halben Million Menschen die Messe las. Gleichzeitig fand im Garden of Remembrance, einer Gedenkstätte für Menschen, die „ihr Leben für die Sache der irischen Freiheit gaben“, eine Solidaritätsveranstaltung für die Opfer des klerikalen Missbrauchs statt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“